Klein, aber (nicht immer) fein - Teil 1. Manfred Stuhrmann-Spangenberg

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Klein, aber (nicht immer) fein - Teil 1 - Manfred Stuhrmann-Spangenberg Klein, aber (nicht immer) fein

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Stücken (wie die Prinz Igor Polowetzer Tänze) kommt beim Publikum des Muttertags-Konzertes sehr gut an. Besser konnte mein erster Tag in Liechtenstein kaum beginnen. Überhaupt, so erfahre ich jetzt, ist das Kulturangebot für ein Land mit nur knapp 38.000 Einwohnern sehr beachtlich. So gibt es außer recht häufigen Musikveranstaltungen auch eine Vielzahl an Theatern, Museen und internationalen Kunstausstellungen. In dieser Hinsicht ist natürlich in erster Linie die „Schatzkammer“ mit Exponaten der Fürstlichen Sammlungen zu nennen, aber auch die Ausstellungen zeitgenössischer Kunst im Kunstmuseum und der Hilti Art Foundation sind weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt.

      Hilti? Na, schon mal gehört? Passionierte Heimwerker und Bauprofis kennen natürlich diesen Namen (und haben mit Hilfe „einer Hilti“ schon so manche Wand aufgestemmt). Aber wer weiß schon, dass es der in Schaan geborene Martin Hilti war, der hier 1941 gemeinsam mit seinem Bruder Eugen die Firma „Maschinenbau Hilti oHG“ gegründet hat. Zwar war Martin Hilti zur Zeit des Nationalsozialismus an vorderster Front in der Volksdeutschen Bewegung in Liechtenstein (VDBL) aktiv, aber bei aller Sympathie für die Nazis, die bis in die Regierung hinein reichte, widersetzte sich diese 1939 einem Putschversuch und verhinderte durch eine diplomatische Intervention den Einmarsch von 600 Männern der SA und anderer deutscher Kampfverbände. Letztlich konnte die Neutralität und staatliche Integrität Liechtensteins gewahrt werden. 95,4 Prozent aller Stimmbürger sprachen sich für die Selbstständigkeit des Landes aus.

      Liest sich doch auch heute noch ganz interessant, das „Volksblatt“ vom 31.Mai 1939: „Als am Montag nach tagelangem Unwetter endlich wieder einmal, wenn auch zögernd, Licht vom Himmel brach, da wollte auch das Herz des Volkes nicht mehr schweigen, es brach aus seinen Tiefen, wie heller, klarer Urquell unserer Berge aus übervollem Grunde zutage steigt, und sich der Stunde freut, da er frei und ungebunden seiner lange verhaltenen Kraft, dem Zuge seines Herzens folgen kann. Wer am Montag die Massen sah, die da spontan einfielen in den Treueschwur des Sprechers unseres Volkes, wer die Schwurfinger sah und die Resonanz der Tausenden und Abertausenden von Liechtensteiner Herzen im Gleichklang eines tiefen Ernstes und männlicher Festigkeit erklingen hörte, der weiss auch, was Treue heißt, der weiss auch, wie das Liechtensteiner Volk seinen Fürsten liebt und in tiefer Liebe zu seinem Vaterlande steht.“

      Wahrscheinlich würde man sich heute ein wenig moderner ausdrücken, aber inhaltlich hat sich an der Einstellung der Liechtensteiner wohl kaum etwas geändert. Außer vielleicht an der „männlichen Festigkeit“, denn 1984 hat Liechtenstein dann doch endlich eingesehen, dass Frauen nicht nur in der Küche das Sagen haben wollen, sondern auch am politischen Leben teilhaben möchten: Bereits 16 Jahre vor der Jahrtausendwende wurde das allgemeine Frauenwahlrecht in Liechtenstein eingeführt, herzlichen Glückwunsch, liebe Frauen! Nun aber genug der alten Geschichten, zurück zur Gegenwart.

      „Liechtenstein ist nicht nur ein Finanzplatz. Hilti ist nicht das einzige Unternehmen, das seinen Sitz in Liechtenstein hat. Und der größte Arbeitgeber in Liechtenstein ist nicht etwa eine Bank, sondern mit mehr als 2500 Mitarbeitern die Thyssenkrupp Presta AG in Eschen.“ Der gebürtige Schweizer Walter ist ein hervorragender Reiseführer für Liechtenstein. Da schon seine Großmutter aus Liechtenstein stammte, kennt er das Fürstentum nicht nur als hier tätiger Bankangestellter aus dem Effeff, sondern auch als glücklicher Besitzer eines Liechtensteiner Passes. „Seit 20 Jahren bin ich auch Liechtensteiner. Den Pass des Fürstentums bekam ich nur wegen der Herkunft meiner Großmutter.“ Da weltweit nicht allen Grenzern die geografische Lage geläufig ist, gibt es auf der Innenseite des Passes einen Kartenausschnitt Europas, mit einem Hinweis darauf, wo dieses kleine Ländchen liegt. „Das Reisen mit diesem Pass kann manchmal Probleme mit sich bringen. Ein Kollege von mir konnte damit zwar problemlos in die Fidschi-Inseln einreisen, bekam aber keinen Einreisestempel, da der Grenzer nichts mit dem Pass anfangen konnte. Die Ausreise war dann ohne Einreisestempel aber höchst kompliziert. Außerdem kann es in manchen Ländern passieren, dass man nach einem Visum gefragt wird, obwohl dieses für Liechtensteiner nicht erforderlich ist.“ Die Staatsangehörigkeit Liechtensteins ist aber ansonsten äußert begehrt, auch bei Schweizern, die in Liechtenstein arbeiten. „Als Ausländer ist es so gut wie unmöglich, eine Aufenthaltsbewilligung in Liechtenstein zu bekommen. Wie gut also, dass meine Oma Liechtensteinerin war!“

      Nach dem Konzert fahren wir nach Vaduz, hoch zum Schloss. Gerne hätte ich das Staatsoberhaupt Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein persönlich besucht, gilt doch die Fürstenfamilie als sehr volksnah. Erbprinz Alois und dessen Frau Sophie habe ich ja sogar vor einigen Tagen anlässlich der Beerdigung von Großherzog Jean in Luxemburg gesehen (von hinten). Außerdem ist seit meinen fidelen fünf Stunden mit Mme la Présidente Georgette Bertin-Pourchet in der République du Saugeais meine natürliche Hemmschwelle gegenüber den obersten Frauen und Männern im Staate deutlich gesunken. Aber leider ist das fürstliche Anwesen prinzipiell für Besucher nicht zu besichtigen, wofür ich hiermit mein vollstes Verständnis ausdrücken möchte. Sonst wäre es hier heute nämlich wahrscheinlich „wegen Überfüllung geschlossen“, denn im Zentrum von Vaduz treffe ich kurz darauf auf mehrere Hundertschaften Chinesen.

      Glauben Sie mir, ich bin in meinem Reiseleben schon so einigen Reisegruppen aus dem Land der Mitte begegnet. Was sich derzeit in der Schweiz und Liechtenstein abspielt, toppt alle meine bisherigen Erfahrungen und ist absolut rekordverdächtig. Wie ich der Zeitung entnehme, hatte der US-Amerikanische Kosmetikhersteller Jeunesse seinen chinesischen Verkäufern im Falle hervorragender Umsatzzahlen eine ganz besondere Erfolgsprämie ausgelobt: eine Shopping- und Besichtigungstour in die Schweiz und nach Liechtenstein. Allerdings hatten die Amerikaner den Ehrgeiz ihrer chinesischen Mitarbeiter wohl heillos unterschätzt. Die fleißigen Chinesen jedenfalls verkauften und verkauften und verkauften, ja, wahrscheinlich verkaufen sie immer noch, sofern sie nicht gerade ihre Erfolgsprämie einlösen. Es sollen etwa 12.000 bis 14.000 Chinesen sein, die während dreier Wochen in drei Wellen mit je etwa 4.000 Personen angeblich einen hohen zweistelligen Millionenbetrag in die Kassen Schweizer und Liechtensteiner Geschäfte spülen. Es ist nicht überliefert, ob Fürst Hans-Adam II. inzwischen Chinesisch lernt. In Vaduz jedenfalls hängt heute an fast jedem Geschäft, Café und Restaurant ein Schild mit chinesischen Schriftzeichen.

      Die fürstliche Familie residiert übrigens erst seit 1938 in Vaduz. Um die Unabhängigkeit des Fürstentums zu bewahren, verlegte im Zuge des Anschlusses Österreichs an Deutschland der damalige Fürst seinen Wohnsitz von Wien hierher. Fürst Hans-Adam II. ist daher auch das erste Staatsoberhaupt Liechtensteins, das innerhalb der seit 300 Jahren unverändert bestehenden Landesgrenzen geboren ist. Die volle staatliche Souveränität erlangte das Fürstentum Liechtenstein im Jahre 1806.

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      Schloss Vaduz

      Adressieren Sie Ihre Briefe nicht an „FL 9494 Schaan“, sie könnten in Florida landen!

      Am nächsten Tag mache ich mit Rita und Walter eine Rundfahrt mit dem Auto durch das 24,6 km lange und 12,4 km breite Fürstentum. Gut vollgetankt geht es auf die große Reise. Wir kommen noch einmal am Schloss in Vaduz vorbei und erreichen nach einigen Serpentinen Triesenberg. Unten im Westen liegt das Rheintal vor uns. Über der anderen Seite des Tals thronen die Schweizer Berge. Gestern dachte ich noch, dass hinter der Bergkette im Osten sofort Österreich beginnt. Was war ich doch für ein Ignorant. Hatte doch glatt nicht gewusst, dass die Hälfte des 160 km2 kleinen Landes in den Bergen liegt. Wir fahren durch einen Tunnel weiter Richtung Osten und erreichen das tief verschneite Örtchen Steg. Unfassbar. Wir schreiben den 13. Mai und Rita macht ein paar Fotos von Walter und mir mit einem Schneemann.

      Walter zeigt mir das Haus seiner Verwandten, wo er so einige Ferien verbrachte. „Ich war immer lieber bei meiner Liechtensteiner als bei meiner Schweizer Verwandtschaft, denn hier war alles zwangloser und herzlicher, auch wenn die Menschen früher hier eher arm waren. In Triesenberg und hier in Steg leben viele Walser, die sind im 13. Jahrhundert nach Liechtenstein eingewandert und haben immer noch einen eigenen Dialekt.“

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