Klein, aber (nicht immer) fein - Teil 1. Manfred Stuhrmann-Spangenberg

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Klein, aber (nicht immer) fein - Teil 1 - Manfred Stuhrmann-Spangenberg Klein, aber (nicht immer) fein

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dem Tod meines Vaters, dem ersten Präsidenten der Republik Saugeais.“

      Die Geschichte der Gründung der République du Saugeais im Jahre 1947 ist natürlich allgemein bekannt. Louis Ottaviani, der Präfekt des Doubs, kam damals in den vom Ehepaar Pourchet betrieben Abteigasthof in Montbenoît. Die Frage des Wirtes, ob der Präfekt denn einen Passierschein habe, der ihm die Einreise in die Republik Saugeais erlaube, konterte der amüsierte Präfekt mit der umgehenden Ernennung des Herrn George Pourchet zum Präsidenten der aus 11 Gemeinden bestehenden Republik. Und jetzt stehe ich hier also im Wohnzimmer der dritten Präsidentin dieser kleinen, im Jura (zwischen der Schweiz und Frankreich) gelegenen Republik. Aus der wunderbaren Standuhr ertönt in diesem Moment, um fünf nach 2, die Nationalhymne der Republik. Wie gut, dass wir beide direkt vor der Uhr stehen und der Hymne somit den angemessenen Respekt zollen. Aber wo ist denn nun die angekündigte Dolmetscherin?

      Mme la Présidente spricht außer Französisch nur noch die Landessprache Sauget, das ich leider noch viel weniger beherrsche als Französisch. Ich verstehe allerdings genug, um zu begreifen, dass wir unser Gespräch ohne Dolmetscherin führen müssen, da diese verhindert sei. Nun, ich kann es schon einmal vorweg nehmen: die nächsten fünf Stunden mit Mme la Présidente werden auch ohne Übersetzerin höchst unterhaltsam. Eine Stunde lang präsentiert mir die charmante Georgette Bertin-Pourchet ein Album nach dem anderen, mit Zeitungsartikeln und Fotos. „Hier, ein Einladungsschreiben von Nicolas Sarkozy an mich. Oder hier, sehen Sie, Valéry Giscard d´Estaing. Meine Mutter traf fast alle Präsidenten der République française während ihrer langen Amtszeit.“ Keine Frage, die République du Saugeais unterhält seit ihrer Gründung hervorragende, ja äußerst freundschaftliche Beziehungen zur Grande Nation.

      Um 5 nach 3 erklingt wieder die Nationalhymne aus der Standuhr und etwas später machen wir uns auf den Weg in die Republik. Ja, die Präsidentin wohnt tatsächlich im Ausland, d. h. in Frankreich, ein paar Kilometer von der Landesgrenze entfernt. „Sie haben doch keine Angst, oder?“ Natürlich nicht, warum sollte ich mich denn davor fürchten, in den Kleinwagen der Präsidentin zu steigen? Schließlich ist Mme la Présidente topfit, bis auf ein paar kleinere, unwichtige, möglicherweise altersbedingte Wehwehchen, die sie mir anvertraute, nachdem ich von meinem früheren Berufsleben erzählt hatte. Schon nach ein paar Metern ist klar, dass ich es hier mit einer schneidigen Fahrerin zu tun habe. Beim Überholen wird der dritte Gang schon mal bis 90 durchgetreten, Respekt, Madame!

      Vor dem Rathaus in Montbenoît, dem Hauptort der République du Saugeais, wartet bereits der Chauffeur mit der Staatskarosse auf uns. Mme la Présidente parkt mit elegantem Schwung ein und wir wechseln das Fahrzeug. Die Tour durch die Republik kann beginnen. Zuerst geht es bis in den Nachbarort zur dortigen Zollstation. Vor dieser steht auch schon einer der inzwischen vier Zöllner der Republik. Ich habe Glück, denn mit meinem Pass ist alles in Ordnung, wie der Zöllner nach gewissenhafter Prüfung feststellt. Der Mann hat viel zu tun, denn schon hält ein Reisebus an der Zollstation. Die Seniorengruppe im Bus scheint ebenfalls keine verbotenen Gegenstände dabei zu haben (oder es handelt sich bei den vergnügten Reisenden um professionelle Schmuggler). Nach der Kontrolle aller Fahrgäste erhalten diese ausnahmslos ihre Passierscheine für den Aufenthalt in der République du Saugeais!

      Unser nächstes Ziel ist die Wurstfabrik Le Tuyé du Papy Gaby in Gilley. Beim Rückwärtseinparken überhört der sehr freundliche Monsieur le Chauffeur leider das immer lauter piepende Warnsignal der Staatskarosse und touchiert ein Mäuerchen. Na ja, der gute Mann hört nicht mehr sehr gut, ist aber ansonsten ein sehr sicherer Fahrer. Das Auto kommt mit einer kleinen Schramme davon und der Chauffeur mit dem Angebot der Präsidentin, in ein paar Jahren ja gegebenenfalls die Ämter tauschen zu können. In der Wurstfabrik werden wir von der Vorgängerin der Präsidentin begrüßt. Genauer gesagt, von einer sehr gut gelungenen Attrappe der früheren Präsidentin. Die jetzige Präsidentin streift ein paar Locken aus dem Gesicht „ihrer Mutter“ und begibt sich dann samt Entourage in die Räucherkammer der Wurstfabrik. Hier erfahren wir – die Senioren aus dem Bus sind inzwischen ebenfalls eingetroffen – von einer Angestellten und mittels einer Multimedia-Präsentation alles Wissenswerte über die hiesige Wurstherstellung. Der Geruch mehrerer Tausend hier hängender Würste macht Appetit. Und tatsächlich, im Verkaufsraum wartet bereits eine Dégustation auf uns. Es ist nicht nur diese Verkostung, die den unabwendbaren Wunsch bei mir hervorruft, eine dieser köstlichen Würste käuflich zu erstehen. „Sie schreiben einen Artikel über uns?“ Der sympathische Pascal (wenn ich seinen Namen richtig erinnere) besteht darauf, dass ich die ausgesuchte Wurst gratis erhalte. „Bitte schicken Sie mir dann das entsprechende Kapitel Ihres Buches per Email.“ Selbstverständlich, lieber Pascal, sehr gern!

      Zurück in Montbenoît besichtige ich mit Jérôme Binétruy vom Touristenbüro noch die Abtei mit dem wunderschönen Kreuzgang und dem berühmten Chorgestühl („Schauen Sie hier, die sich streitenden Frauen. Das sollte wohl die Mönche davon überzeugen, dass von Frauen nichts Gutes zu erwarten sei.“) und dann gehen wir noch in einen Nebenraum der Abtei, in das Museum der République du Saugeais. Hier sind in einer Vitrine Staatsgeschenke an die Präsidentin Gabrielle Pourchet ausgestellt, darunter sogar eine Medaille aus Russland. Natürlich finden sich an den Wänden des Museums auch Portraits der beiden Präsidentinnen und des Präsidenten, das Wappen, der Text der Nationalhymne, Abbildungen von Geldscheinen und Briefmarken der Republik, und, und, und!

      Jérôme Binétruy ist ein sehr, sehr freundlicher junger Mann. „Natürlich können Sie mir die Fragen, die Sie unserer Präsidentin noch stellen wollten, per Email zuschicken. Ich schicke Ihnen dann die Antworten der Präsidentin zurück.“ Er drückt mir noch eine Broschüre über die Abtei in die Hand, und dann kann er auch bald Feierabend machen, denn es ist kurz vor 18.00 Uhr.

      Mme la Présidente und ich verabschieden uns von Jérôme Binétruy und Monsieur le Chauffeur, der mir noch feierlich eine Flasche Weißwein (mit dem Etikett der Präsidentin) übergibt. Ein präsidentieller Wein, was für ein schönes Geschenk! Beglückt und berührt steige ich ins Auto der Präsidentin und lasse mich von dieser zurück Richtung Pontarlier chauffieren. „Dort links vorn ist unser Biathlon-Stadion. Ach, das interessiert Sie? Stellen Sie sich vor, dort habe ich vor einiger Zeit bei einer Flower-Zeremonie einen jungen Mann begrüßt, der sich mir dann mit dem Namen „Simon Fourcade“ vorstellte.“ Hocherfreut nimmt die Präsidentin zur Kenntnis, dass mir der Name des ebenfalls recht erfolgreichen Bruders der Biathlon-Ikone Martin Fourcade durchaus geläufig ist. Wir biegen von der Hauptstraße ab und fahren schräg zurück zum Stadion. „Sie haben doch noch etwas Zeit? Steigen Sie ruhig aus und machen Sie ein paar Fotos, ich wende inzwischen den Wagen.“ Jetzt nur noch ein paar Kilometer und dann sind wir zurück am Haus der Präsidentin.

      Als ich mich dort höflich von Mme la Présidente verabschieden möchte, blicke ich in ein sehr erstauntes Gesicht. „Nein, nein, Sie müssen noch mit reinkommen. Ich habe doch noch etwas für Sie!“ Da wäre mir ja fast ein unverzeihlicher Fehler unterlaufen. Madame bittet mich wieder in das Wohnzimmer und kredenzt mir einen hervorragenden Anis aus der Brennerei in Pontarlier. „Mit oder ohne Wasser? Ich selbst trinke keinen Alkohol, aber Ihnen wird ein kleines Gläschen doch munden, oder?“ Bei Pastis, Fruchtsaft und Gebäck lassen wir unseren vergnüglichen Nachmittag ausklingen. „Nein, langweilig ist mir nie!“ Madame Georgette zeigt mit ihren Terminkalender. Tatsächlich, fast kein Tag, an dem sie nicht irgendeinen offiziellen Termin wahrzunehmen hat. „Hier ein Treffen mit der Feuerwehr, dort eine Einladung zur Tagung der Milchbauern, eine karitative Veranstaltung einer Bank, ein Treffen mit dem Militärchef der nahe gelegenen Garnison, usw.!“

      Und jetzt bekomme ich auch noch das versprochene Präsent: meinen persönlichen Passierschein. Nichts gegen einen von einem Zöllner ausgestellten Passierschein, liebe Senioren und andere Touristen, aber meinen Passierschein füllt die grandiose Präsidentin dieser famosen Mikronation höchst persönlich aus. Um 19.00 Uhr ist meine Audienz beendet. Vive Mme la Présidente Georgette Bertin-Pourchet et vive la République du Saugeais!

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