Mongolei – Gesichter eines Landes. Frank Riedinger

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Mongolei – Gesichter eines Landes - Frank Riedinger страница 8

Mongolei – Gesichter eines Landes - Frank Riedinger

Скачать книгу

Battulgas ist aufrichtig, also bleibe ich. Ihre ehrliche Vorfreude ist herzbewegend, und wird es allen bösen Geistern zukünftig schwer machen.

IMG_5680.jpg

      Airag - die vergorene Stutenmilch - wird an Tsagaan Sar gerne getrunken.

IMG_2829.jpg

      Tsagaan Sar bei Battulga zu Hause.

4838.jpg

      Tsagaan Sar mit dem essbaren Symbol des Festes – der Idee und der fette Hammelrücken.

4837.jpg

      Am Morgen des ersten Tages im neuen Jahr wird der Ovoo umrundet und danach dem Sonnenaufgang gehuldigt.Ein festes Ritual an Tsagaan Sar.

5044.jpg

      An Tsagaan Sar finden überall im ganzen Land Pferderennen statt, und das teilweise bei Temperaturen unter –40°C.

30935.jpg

      Zwei Umleitungen musste Suhkee fahren. Endlich sind wir auf der Piste nach Baga Gazriin Chuluu, dem 230 Kilometer von Ulaanbaatar entfernt liegenden Nationalpark in der Mittelgobi. Ich höre Sukhee zu, wie er von seinem Freund Batsaikhan erzählt, jetzt wo das Ziel vor Augen ist. Vielleicht sind es nur noch wenige Kilometer, vielleicht geht es aber doch länger. Mittlerweile habe ich gelernt, dass Nachfragen keinen Sinn hat. Von meinem Fahrer bekam ich einmal die verblüffende Antwort, dass die vagen Angaben wie „Vielleicht“ oder „Später“ dem mongolischen Lebensgefühl genug Spielraum bieten, alle Eventualitäten zuzulassen, die unvermeidlich sind. Wer wüsste unter den landesüblichen Fahrbedingungen auch die genaue Ankunftszeit.

      Die Landschaft, von seltener Trockenheit geprägt, durchquert ein Flussbett, dem das Wasser fehlt. Wir müssen schon auf dem Gebiet des Nationalparks sein, denn die urigen Felsengebilde kenne ich aus Erfahrung. Die Steinformen spielen mit der Fantasie des Betrachters, zufällig sind sie von der Natur angeordnet wie eine stumme Tierparade.

      Sukhee richtet sich im Sitz auf und gibt Gas. Er hat den Kumpel aus alten Tagen lange nicht gesehen und die Vorfreude lässt ihn sich an eine Anekdote nach der anderen erinnern. Später wirst du ihn kennen lernen, meint Sukhee zu mir. Er schattet die Augen gegen das Sonnenlicht ab und sucht die Richtung, in der wir Batsaikhans Lagerplatz finden wollen. Hinter zyklopischen Granitblöcken, etwas südlicher, unweit der staubigen Piste links, murmelt er. Diese Umschreibung trifft die Sache in etwa so genau, wie das „Später“ und „Vielleicht“ die Frage nach der Uhrzeit. Folglich fahren wir die staubige Piste weiter nach Süden, biegen links hinter markanten Granitfelsen ab. Wie selbstverständlich landen wir genau vor einer Jurte.

      Batsaikhan wartet in Gesellschaft seiner Schafe und Ziegen. Sie scharen sich um den einzigen Brunnen der Gegend und wissen nichts von unserer Verabredung. Ich schaue verwundert um mich. Das alles sieht nach einem gediegenen Nomadendasein aus. Einen Ranger im Naturreservat habe ich mir anders vorgestellt. Aber das Berufsleben in der Mongolei ist vielschichtig, die Menschen gehen, das ist keine Seltenheit, unterschiedlichen Aufgaben und Jobs nach.

      Die Freunde umarmen sich herzlich. Ich stehe dabei und denke an die vielen Begrüßungen und Abschiede, deren Zeuge ich war. Hier klopfen sich zwei Abenteurer auf die Schultern, rufen Erinnerungen wach, gleich werden wir im Schatten der Jurte sitzen und Geschichten erzählen. So ist es. Genüsslich paffen sie Zigaretten. Ich strecke meine Beine aus und höre zu.

      Von einer älteren Nomadin wird berichtet, deren Schafe und Ziegen spurlos verloren gingen. Ohne Herde kehrte sie am Abend heim. Sie vermutete, dass Wölfe über ihre Tiere hergefallen seien. Eines Tages, sie hatte nun die Herde ihres Nachbarn zu hüten, lief eine Ziege davon und kletterte in die Berge. Mühsam folgte die Alte dem Tier und fand einen versteckten Höhleneingang. Sie tastete ins Innere, und als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, versuchte sie, die Ziege zu entdecken. Ein plötzlicher Schauer ließ sie anhalten. Vor ihr rieselten kleine Steine, die sie mit ihrem Fuß berührt haben musste, in eine abgrundtiefe Felsenkluft. Mit letzter Kraft konnte sie ihren Absturz verhindern. Die Unglückshöhle aber wurde von den Dorfbewohnern für immer verschlossen.

      In diesem Moment höre ich Händeklatschen. Ich bin etwas schläfrig geworden. Die Hitze, der Willkommenstrunk: Oft hebt mich die Lautmalerei der Sprache in eine entspannte, beinahe meditative Stimmung. Als könnte Batsaikhan meine Gedanken lesen, geht ein Strahlen über sein Gesicht und er lädt zum Essen ein, außerdem dürfen wir hier übernachten. Uns zu Ehren schlachtet er eine Ziege. Trotz der staatlichen Anstellung hat er, wie fast alle Mongolen, noch Weidetiere, deren Fleisch die fünfköpfige Familie versorgt.

      Die Abendsonne verströmt ein mildes Licht. Helles Rot und warmes Grau gleiten über die Granitfelsen. Regenwasser leuchtet in Vertiefungen. Steine sind nicht unveränderlich. Das wechselnde Licht formt ein Vulkanrot, das wie aus tieferen Schichten glüht. Morgens, schattenlos, wirken die Steine dagegen wie eingesunken. Das Wasser soll, dem Glauben der Nomaden nach, heilsam bei Augenleiden sein. Einige Tropfen ins Auge geträufelt helfen garantiert. Naturphänomene dieser Art faszinieren mich.

      Ich höre Geräusche, leise Stimmen. Batsaikhan ruft, dass die Weide fertig sei.

      Weide, das Wort kann ich nicht mit Essen in Verbindung bringen. Aber nachdem ich in die Schale blicke, aus dem die Weide geschöpft wird, sehe ich, was uns aufgetischt wird. Batsaikhan hat eine Ziege geschlachtet, und bei der sommerlichen Temperatur müssen die Innereien zuerst verspeist werden.

      Die mongolische Kost bietet wenig Abwechslung; da ist eine kleine Veränderung, der Geschmack einer anderen Mahlzeit sehr willkommen. Auf meinen Reisen übernachte ich bei den Nomaden und esse mit ihnen. Etwas anderes als die Lebensmittel der Einheimischen kenne auch ich hier nicht. Wochenlang hatte ich Guriltai Shul auf dem Speisezettel, eine Art Nudelsuppe. Selten gab es Tsuivan, ein Nudelgericht mit Fleischstücken und sehr viel Fett. Dies sind die beiden Hauptgerichte, die zu jeder Tageszeit gegessen werden. Nur fettes Fleisch ist gutes Fleisch, sagen die Mongolen. Ob jung oder alt, in dieser Meinung stimmen sie überein. Denn Fleisch ist neben den Milchprodukten das Grundnahrungsmittel auf dem Land. Daneben ist Yoghurt möglich, auch in getrockneter Form. Käseherstellung wie wir sie kennen ist unüblich, da die Mongolen das Lab nicht verwenden.

      Batsaikhan stellt mir die Familie vor, seine Frau nebst drei Töchtern. Am Platz der Ehrengäste und des Familienoberhauptes, gegenüber dem Eingang, liegen die Überreste der geschlachteten Ziege. Ich mache es mir auf dem Bett der linken Seite, der Männerseite, bequem. Die drei Töchter sitzen schüchtern gegenüber. Der jüngsten gab ich chinesische Luftballons als Geschenk. Nun hat sie Freude am Spiel gewonnen und den Appetit am Essen verloren.

      Der Hausherr zelebriert die Aluminiumschüssel mit den gekochten Innereien: Lunge, Niere, Leber, Herz und der mit Blut und Fleischstücken gefüllte Magen des Tieres. Als zweiten Gang des Abendessens gibt es Reis, der zusammen mit Innereien zubereitet wurde. Nyamaa, Batsaikhans Frau, bereitet frischen Milchtee. Unter ständigem Rühren, mit ausladenden Bewegungen des Schöpflöffels, wird tüchtig Sauerstoff zugesetzt, der den typischen Geschmack bewirkt.

      Dem hält nur das Wodka-Ritual stand. So oft und wo immer zu Ehren des Gastes. Es ist ein Freundschaftsgeschenk des großen sozialistischen Bruders, der den Wodka hier erst

Скачать книгу