Moderne Alchemie und der Stein der Weisen. Wilfried B. Holzapfel

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mitbestimmt. So gibt es neben den normalen Wasserstoffatomen mit der Massenzahl 1 auch noch andere mit der Massenzahl 2 und sogar 3. Die Wissenschaftler sprechen dann vom Isotop oder von den verschiedenen Isotopen eines Elements. Das führt dazu, dass die mittleren Massen der chemischen Elemente keine glatten Zahlen mehr sind, sondern nur grob der doppelten Kernladungszahl entsprechen.

      Helen: Ja, damit verstehe ich, dass in dem Bild 8 hier oben die Kerne für die verschiedenen Atome unterschiedlich groß gezeichnet sind.

      Marie: Du siehst aber auch, dass in diesem Bild die Atome immer noch so gezeichnet sind, als hätten sie eine scharfe Oberfläche! Es ist nicht einfach, die heutigen Modellvorstellungen über die Atome und den ganzen Mikrokosmos in einfachen Bildern darzustellen. Hier oben sind auch die Atomkerne im Verhältnis zur Größe der Elektronenhülle viel zu groß gezeichnet!

      Neben diesem schematischen Bild eines Atoms siehst du hier oben auch noch das Bild eines Moleküls, in dem zwei (kleine) Wasserstoffatome mit einem (größeren) Sauerstoffatom fest verbunden sind. Der Bindungswinkel für die beiden Wasserstoffatome ist in diesem Wassermolekül gut bekannt, aber die Ladungsverteilung ist hier auch wieder nur sehr grob modellhaft dargestellt.

      Anders sieht das bei Ionen aus. Da haben einzelne Atome einen Teil ihrer Ladung aus der Elektronenhülle an die Umgebung oder an andere Atome abgegeben. So entstehen dann die positiven und negativen Ionen, die in den späteren Bildern wichtig werden, wobei die Ladungsverteilung hier wieder nur sehr schematisch dargestellt ist.

      Helen: Ja, die Probleme mit der Darstellung von Molekülen kenne ich vom Schreibtisch unseres Alchemisten. Da stehen verschiedene Figuren mit Stahlkugeln und Magnetstäben, aber auch ein paar Modelle mit angeschnittenen Kugeln, die wie Lego-Bausteine über Druckknöpfe miteinander verbunden sind. Er nannte diese Figuren: Kalottenmodell.

      Marie: Ja, wenn man sich die Anordnung von Atomen in einem Kristall vorstellen will, sind solche Modelle sehr hilfreich. Die Vorstellung von Demokrit mit seinen kleinen, regelmäßigen Körpern gibt es aber auch heute noch in etwas anderer Form.

      Schau dir mal die dichte Packung von Kugeln im nächsten Bild an!

Textfeld: Abbildung 9: Dichte Kugelpackung und der Rhombendodekaeder (Wikipedia: Platonische Körper) als ihr bester Baustein für lückenlosen Aufbau dieser Struktur.

      Wenn man hier den Raum um die Kugeln herum jeweils symmetrisch auf alle Nachbarkugeln aufteilt, dann entsteht ein regelmäßiger Körper mit 12 gleichen Flächen, die jeweils zu den nächsten Nachbaratomen hinweisen.

      Was da entsteht, nennt man Rhombendodekaeder, weil dieser Körper 12 gleiche, rhombischen Außenflächen besitzt. Das ist zwar keiner der schönen Körper des Platon, aber mit vielen solchen Körpern als "Atomen" könnte man wie mit Lego-Steinen ein Kristallgitter aufbauen, das dann die gleichen Symmetrie-Eigenschaften hätte wie diese dichte Kugelpackung. Weißt du, ideal gewachsene Kristalle sind immer aus solchen kleinsten Einheiten ganz regelmäßig aufgebaut. Bei vielen Elementen enthalten diese Einheiten dann genau ein Atom in der Mitte, und wenn diese Einheiten dabei ohne Drehung nur gegeneinander verschoben sind, dann nennen die Kristallographen ein solches Gitter "primitiv". Die vielen verschiedenen Gittertypen, die bei den chemischen Elementen auftauchen, zunächst bei normalem Druck und später auch noch unter hohem Druck, führen ja gerade zu der bunten Welt der Elemente, die im Bild 2 schon mal vorgestellt wurde. Später werden wir uns dieses Bild noch in allen Einzelheiten ansehen!

      Pass auf, die nächste Abbildung 10 zeigt dir noch ein Beispiel!

Textfeld: Abbildung 10: Atome als Kugeln mit vier Bindungen im Diamantgitter und ein Tetraederstumpf (Wikipedia: Platonische Körper) als Baustein für lückenlosen Aufbau dieser Struktur.

      Im diesem Kristallgitter von Diamanten hat jedes Atom starke Bindungen zu 4 gleichwertigen, nächsten Nachbarn. Schneidet man hier genauso wie schon oben die kleinsten Kristallbausteine heraus, die wieder den ganzen Raum mit allen Zwischenräumen ausfüllen, dann haben diese "Atome" die Form von einem Tetraederstumpf. Die 4 großen Sechseck-Fläche liegen genau in den Mitten der Verbindungslinien zu den 4 nächsten Nachbaratomen und die 6 kleinen Dreiecksflächen an diesem Tetraederstumpf zeigen, dass jedes Atom neben den 4 nächsten Nachbarn genau von 6 zweitnächsten Nachbarn in diesen Richtungen umgeben ist.

      Helen: Diese Bilder erinnern jetzt aber recht genau an die Vorstellungen der alten Griechen. Da hat sich doch gar nicht soviel geändert. Die Griechen dachten vielleicht an Körper mit festen Oberflächen, und jetzt sind diese Oberflächen bei den neuen Konstruktionen nur gedachte Flächen und im Zentrum dieser Körper befindet sich jeweils ein Atomkern. Aber diese Vorstellungen sind doch sehr ähnlich!

      Marie: Ja und in modernen Büchern der Physiker oder bei Kristallographen kannst du noch viele solche Figuren heute wieder finden. Dort spricht man dann von der Wigner-Seitz-Zelle, weil die zwei Physiker E. P. Wigner und F. Seitz genau solche Formen für viele einfache Kristalle konstruiert haben, um damit die Eigenschaften der Kristalle besser zu beschreiben.

      Es gibt aber noch einige andere Gedanken der alten Griechen und alten Alchemisten, die wir in anderer Form heute noch in den Vorstellungen der modernen Naturwissenschaftler wieder finden.

      Das Sein und das Werden, das Ewige und das Vergängliche, die Ruhe und die Bewegung waren Begriffe, die für das Weltbild damals ganz wesentlich waren. Befruchtung, Geburt, Wachstum, Reifung, Vereinigung, Tod mit Transzendenz der Seele und Verwesung des Körper wurden als Begriffe auch in die Alchemie übernommen, um chemische Prozesse zu beschreiben. Unser Begriff Essenz zum Beispiel stammt aus dieser Zeit und ist von dem lateinischen Wort "esse" für unser Wort "sein" abgeleitet. Essenz ist das unveränderliche Wesen einer Sache. Bei allen Lebenszyklen muss es auch eine Essenz, etwas Ewig-Bleibendes geben. Zu diesem Bild gehörten auch die vier Elemente der Griechen, die vier Essentia der Alchemisten: Erde, Wasser, Luft und Feuer.

Textfeld: Abbildung 11: Die 4 Elemente der Griechen (Wikipedia: Vier-Elemente-Lehre)

      Latein war ja die Sprache der Gelehrten im Mittelalter und der lateinische Begriff Essentia für diese vier Elemente erinnert noch daran, dass diese Elemente anders als unsere heutigen chemischen Elemente nicht einzelne Stoffe, wie Kupfer, Silber, Gold, Quecksilber oder Schwefel bezeichneten, sondern Formen des Seins im Wandel der Natur.

      Im Mittelalter wurde viel mystisches Zeug an diese Vier-Elemente-Lehre angehängt. Neben den regelmäßigen Körpern des Platon und der Lehre des Aristoteles, der meinte, die vier Elemente würden verschiedene Mischungen der vier Eigenschaften heiß, trocken, feucht und kalt darstellen, tauchten dann auch bei Paracelsus Naturgeister wie Salamander, Sylphen, Undinen und Gnome auf. Oft wurde auch ein Zusammenhang zwischen den vier Elementen und den vier Erzengeln Uriel, Raphael, Gabriel und Michael hergestellt. Sogar die verschiedenen menschlichen Temperamente oder Typen wie cholerisch, sanguinisch, phlegmatisch und melancholisch wurden den vier Elementen zugeordnet.

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