Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke. Robert Louis Stevenson

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke - Robert Louis Stevenson страница 90

Серия:
Издательство:
Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke - Robert Louis Stevenson

Скачать книгу

und wurde in aller Eile nach der Felskuppe geschafft, wo wir uns an verschiedenen versteckten Beobachtungsposten hart am Rande der Klippe niederließen. Das »Seepferd« hielt scharf auf uns zu, bis ich dachte, sie würde auflaufen, und wir konnten von unserem schwindeligen Ausguck her die Mannschaft an ihren Plätzen beobachten und hörten den Mann mit dem Lot seine Befunde ausschreien. Dann drehte das Schiff plötzlich bei und gab aus – ich weiß nicht wie vielen – mächtigen Rohren eine Salve ab. Der Felsen bebte unter der Wucht der Detonation, der Rauch ergoß sich über unsere Köpfe, und die Lummen schwärmten in unfaßlicher Zahl auf. Ihr Schreien und das Funkeln ihrer Flügel gestalteten sich zu einem einzigartigen Erlebnis; und ich nehme an, Kapitän Palliser hatte sich nur diesem etwas kindlichen Vergnügen zuliebe der Insel genaht. Das kam ihm später teuer zu stehen. Während das Schiff auf uns zusteuerte, hatte ich Gelegenheit gehabt, mir die Takelung einzuprägen, weshalb ich es von nun an selbst aus meilenweiter Entfernung zu erkennen vermochte; und das sollte (mit Gottes Hilfe) das Mittel werden, um einen Freund vor großem Unglück zu bewahren, Kapitän Palliser dagegen eine empfindliche Enttäuschung zu bereiten.

      Die ganze Zeit während meines Aufenthaltes auf dem Felsen lebten wir gut. Wir hatten Dünnbier und Schnaps, sowie Hafermehl, aus dem wir uns abends und morgens unsere Grütze bereiteten. Mitunter setzte von Castleton aus ein Boot zu uns über und brachte uns ein Hammelviertel, da wir die Schafe auf der Klippe, die besonders für den Markt gemästet wurden, nicht anrühren durften. Für die Vögel war es leider nicht die richtige Jahreszeit; so ließen wir sie in Ruhe. Aber wir fischten eigenhändig und ließen öfter noch die Lummen für uns fischen, indem wir ihnen, sobald sie einen Fisch gefangen hatten, die Beute wieder abjagten, ehe sie sie verschlingen konnten.

      Die seltsame Natur des Ortes und die Merkwürdigkeiten, von denen es dort wimmelte, bildeten meine Beschäftigung und mein Vergnügen. Da eine Flucht unmöglich war, ließ man mir volle Freiheit, und ich fuhr fort, die Oberfläche der Insel zu erforschen, so weit ein Menschenfuß sich wagen konnte. Der alte Gefängnisgarten war noch klar zu erkennen; Blumen und Pflanzen wucherten dort wild, und eines der Bäumchen trug reife Kirschen. Etwas unterhalb des Gartens lag eine Kapelle oder Eremitenklause; wer sie erbaut oder bewohnt hatte, wußte niemand, und der Gedanke an ihr Alter versenkte mich oft in tiefes Sinnen. Auch das Gefängnis, in dem ich jetzt mit meinen hochländischen Viehräubern biwakierte, war in weltlichem wie religiösem Sinne eine historische Stätte. Mich berührte es seltsam, daß so viele Heilige und Märtyrer erst vor kurzem hier geweilt hatten, ohne auch nur ein Bibelblatt oder einen eingeschnitzten Namen als Andenken zu hinterlassen, während die rauhen Soldatenkerls, die auf den Bastionen Wache gehalten, die ganze Umgebung mit Spuren übersät hatten – zumeist mit einer erstaunlichen Menge zerbrochener Pfeifenköpfe, daneben aber auch mit Uniformknöpfen. Zeitweise glaubte ich aus den Gefängnissen der Märtyrer fromme Psalmen klingen zu hören und sah im Geiste die Soldaten, glimmende Pfeifen im Maul, auf der Bastei auf und ab marschieren, während ihnen im Rücken aus der Nordsee der Morgen aufstieg.

      Zweifellos trug Andie mit seinen Erzählungen viel dazu bei, mein Hirn mit diesen Träumen zu bevölkern. Er war in der Geschichte des Felsens ungewöhnlich beschlagen und wußte alle Einzelheiten bis auf die Namen der gemeinen Soldaten, da sein Vater in dieser Eigenschaft dort gedient hatte. Außerdem besaß er ein natürliches Erzählertalent, so daß die Menschen zu reden und die Dinge sich direkt vor des Hörers Augen zu ereignen schienen. Diese Gabe und meine Freude am Zuhören brachten uns einander näher. Ich kann in Wahrheit nicht leugnen: er gefiel mir gut; bald erkannte ich, daß auch er mich gern hatte, und ich hatte mir ja von Anfang an vorgenommen, sein Wohlwollen zu erringen. Ein seltsamer Umstand (von dem später noch die Rede sein wird) verwirklichte dies über jede Erwartung hinaus; aber selbst in den ersten Tagen unserer Bekanntschaft standen wir für einen Wärter und seinen Gefangenen auf ungemein freundschaftlichem Fuß.

      Ich könnte es vor meinem Gewissen nicht verantworten, wenn ich behaupten wollte, mein Aufenthalt auf Baß sei durchwegs unangenehm gewesen. Die Insel erschien mir im Gegenteil als eine Art Zufluchtsstätte, wo ich allen meinen Nöten entronnen war. Niemand durfte mir etwas zuleide tun; physische Hindernisse – der Felsen und die tiefe See – machten jede weitere Anstrengung unmöglich; ich fühlte, mein Leben und meine Ehre waren in sicherem Gewahrsam, und es gab Zeiten, in denen ich mich so weit gehen ließ, mich daran wie an gestohlenem Gut zu weiden. Aber ich hatte auch ganz andere Gedanken. Ich erwog, mit welcher Kraft ich vor Rankeillor und Stuart getreten war; ich überlegte, daß man meine Gefangenschaft auf Baß, hier im Angesicht eines großen Teiles der Küste von Fife und Lothian, als eine Sache ansehen würde, die ich eher gesucht als unfreiwillig über mich hatte ergehen lassen, und daß ich vor jenen beiden Herren als Prahler und Feigling dastehen mußte. Manchmal nahm ich das alles leicht genug und versicherte mir selbst, solang ich mit Catriona Drummond gut stünde, sei die übrige Welt für mich nur Mondschein und flüchtiges Wasser; dann fiel ich unmerklich in jene Betrachtungen, die einem Liebenden so teuer sind, dem Leser jedoch stets erstaunlich eitel dünken. Ein anderes Mal packte mich mit Gewalt die Furcht; dann schüttelte mich förmlich panische Angst um meine Selbstachtung, und jenes vermeintliche, harte Urteil erschien mir als eine Ungerechtigkeit, die ich unmöglich ertragen könnte. Das führte mich wieder zu anderen Gedanken; kaum hatte ich begonnen, mich um der Welt Meinung über mich selbst zu sorgen, da verfolgte mich schon die Erinnerung an James Stuart in seinem Gefängnis und an die Klagen seiner Frau. Dann erst begann sich echte Leidenschaft in mir zu rühren; ich konnte es mir niemals verzeihen, daß ich hier müßig saß; mir war, als müßte ich (wenn nur ein Funken Mannhaftigkeit in mir lebte) fliegend oder schwimmend meinem Asyl entfliehen. In solchen Stimmungen, wie um meiner Selbstquälerei zu fröhnen, machte ich mich daran, Andie Dale zu gewinnen.

      Eines schönen Morgens endlich, als wir uns ganz allein auf dem Gipfel des Felsens befanden, ließ ich einen vorsichtigen Wink über eine Bestechung fallen. Er blickte mich an, warf den Kopf zurück und lachte mir ins Gesicht.

      »Ah, Ihr lacht, Mr. Dale,« sagte ich, »wenn Ihr aber die Güte hättet, einen Blick auf dieses Papier zu werfen, würdet Ihr vielleicht einen andern Ton anschlagen.«

      Die dummen Hochländer hatten mir bei meiner Gefangennahme lediglich mein Bargeld abgenommen, und das Papier, das ich Andie jetzt zeigte, war eine Quittung der British Linen Company über eine beträchtliche Summe.

      Er las. »Bei Gott, Ihr seid gar nicht so ein Bettler«, meinte er.

      »Dachte ich's mir doch, daß Ihr Eure Meinung ändern würdet«, sagte ich.

      »Pah!« rief er, »das zeigt nur, daß Ihr bestechen könnt; aber ich bin unbestechlich.«

      »Das werden wir noch sehen«, entgegnete ich. »Erst will ich Euch beweisen, daß ich weiß, was ich sage. Ihr habt Befehl, mich bis nach Donnerstag, dem 21. September, hier festzuhalten.«

      »Da habt Ihr auch nicht so ganz unrecht«, meinte Andie. »Ich soll Euch, falls nicht Gegenorder kommt, Samstag, den 23. September, freilassen.«

      Ich konnte nicht anders, mir kam diese Verabredung ungemein raffiniert vor. Daß ich just dann wieder auftauchen sollte, wenn es zu spät war, würde meine Geschichte, falls ich wirklich eine erzählte, um so unglaubhafter machen; das brachte mich erst recht in Harnisch.

      »Paßt auf, Andie; Ihr kennt die Welt, also hört mich an und bedenkt, was ich Euch sage«, hub ich an. »Ich weiß, große Herren sind in diese Sache verstrickt, und ich zweifle keinen Augenblick, daß Ihr Euch auf sie berufen könnt. Ich selbst habe auch mit ihnen zu tun gehabt, seit diese Affäre begann, und habe ihnen meine Meinung ins Gesicht gesagt. Was für ein Verbrechen soll ich denn begangen haben? Und nach welchem Verfahren bin ich abgeurteilt? Ich werde von ein paar lumpigen Hochländern am 30. August überfallen, nach diesem alten Steinhaufen geschleppt, der (einerlei was er früher war) weder eine Festung noch ein Gefängnis, sondern lediglich die Behausung des Wildhüters von Baß ist, und soll am 23. September genau so heimlich, wie ich gefangen genommen wurde, wieder freigelassen werden – klingt Euch das nach Gerechtigkeit? Oder klingt es nicht

Скачать книгу