Eduard Hanslick über Giuseppe Verdis Opern. Christian Springer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Eduard Hanslick über Giuseppe Verdis Opern - Christian Springer страница 5

Eduard Hanslick über Giuseppe Verdis Opern - Christian Springer

Скачать книгу

die Leistungen der Sänger der deutschsprachigen Aufführung ausführlich besprochen wurden, lässt der Anonymus weitere interessante und kuriose Hinweise folgen:

      Das Finale des ersten Aktes mußte zum Theile wiederholt werden, so wie der ganze Chor der Israeliten im dritten Akte (wohl der gelungenste der Partitur) trotzdem, daß sich die Sänger darin vom Orchester sehr merklich nachziehen ließen. [...] Die Ausstattung war, wenn nicht uneben, doch keineswegs splendid; namentlich fiel uns die komische Uniformirung der assyrischen Armee mit Pickelhauben und mittelalterlichen Knappenröcklein auf. Ueberhaupt schien auf ein historisches Kostüm gar keine Rücksicht genommen zu werden; Assyrier, Römer, Griechen, Spanier, Deutsche – versteht sich, mittelalterlich – werden so ziemlich gleich uniformirt. Oekonomie! Der Besuch war sehr zahlreich, der Beifall sehr groß.{25}

      Im ersten Teil dieser Rezension zeigt sich jene engstirnige nationalistische Grundhaltung, die zu dieser Zeit auch anderswo zu beobachten ist. (Die bis heute nicht überwundene Xenophobie hat in Wien, auch wenn die Stadt große Zugewanderte wie Mozart, Beethoven oder Brahms vereinnahmte und Rossini, Donizetti oder Nicolai mit offenen Armen aufnahm, eine lange Tradition.)

      DER VERDI-KRITIKER OTTO NICOLAI

      Es überrascht nicht, dass im selben Blatt auch Otto Nicolai (Königsberg 1810 – Berlin 1849) Kritiken veröffentlichte, jener von Italien zutiefst frustrierte preußische Komponist, der nach der unfreiwilligen Trennung von seiner italienischen Verlobten Erminia Frezzolini, einer berühmten Sopranistin, und seinem darauf folgenden, nicht ganz freiwilligen Abgang von der italienischen Musikszene nicht mehr zu den Freunden der italienischen Kollegenschaft zählte und sich in die Reihe der vehementen Kritiker zeitgenössischer italienischer Opern einreihte.

      Das Nabucco-Libretto von Temistocle Solera war von Bartolomeo Merelli, dem Impresario des Teatro alla Scala, zuerst Otto Nicolai angeboten worden, der sich mit seiner italienischen Erfolgsoper Il templario{26} (nach Walter Scotts Roman Ivanhoe; Turin 1840) neben den Erfolgskomponisten des Tages behaupten hatte können. Nicolai lehnte es ab, den Nabucco zu vertonen und entschied sich für Il proscritto, der ursprünglich Verdi angeboten worden war und den dieser nicht komponierte. Diese Oper fiel im März 1841 mit gravierenden Konsequenzen durch und Nicolais Karriere in Italien erfuhr durch den Mißerfolg ein abruptes Ende (die Oper wurde in Wien 1844 unter dem Titel Die Heimkehr des Verbannten aufgeführt). Er verlangte daraufhin von Merelli die Auflösung seines Vertrages. Seinem Wunsch wurde entsprochen und er ging nach Wien, wo er er zähneknirschend vom Erfolg des Nabucco erfuhr. Zu seinen italienischen Kollegen und zu Verdi fiel ihm nichts besseres ein als:

      Wie sehr ist aber auch Italien in den letzten 5 Jahren gesunken?! Donizetti lebt fast immer in Paris oder Wien, in welch letzterer Stadt er jetzt als k.k. Kammerkapellmeister und Hofkompositeur mit 4000 fl. Gehalt auf Lebenszeit engagiert ist – und thut nichts mehr für Italien. Rossini ist ganz verstummt. Wer jetzt in Italien Opern schreibt ist Verdi. Er hat auch den von mir verworfenen Operntext Nabucodonosor komponiert und damit großes Glück gemacht. Seine Opern sind aber wahrhaft scheußlich und bringen Italien völlig ganz herunter. * – Ich denke unter diese Leistungen kann Italien nicht mehr sinken – und jetzt möchte ich dort keine Opern schreiben.{27}

      Nicolais Frustration ist deutlich spürbar. Über Verdi hat er an der mit * bezeichneten Stelle auch eingetragen: „Er instrumentiert wie ein Narr – ist kein Meister in technischer Hinsicht – muß ein Herz wie ein Esel haben und ist wirklich in meinen Augen ein erbärmlicher, verachtenswerter Kompositeur.“{28} Was sich jedenfalls wie bösartige Kritikerinkompetenz liest, war der Ärger über den Erfolg der Oper des fast gleichaltrigen Kollegen. Es schien aber weniger Erfolgsneid zu sein als vielmehr die bedauernde Einsicht über die Beschränktheit der eigenen musikdramatischen Mittel:

      Das für Mailand bestimmte neue Buch von Temistocle Solera „Nabuco“ war durchaus unmöglich in Musik zu setzen – ich mußte es refüsieren, überzeugt, daß ein einziges Wüten, Blutvergießen, Schimpfen, Schlagen und Morden kein Sujet für mich sei. – Der Nabuco taugte nicht. Der Proscritto taugte nicht.{29}

      Wenig bekannt ist, dass Nicolai 1844 in Wien eine weitere private Frustration erlitt, als er erfolglos um die Hand der jungen Mathilde Graumann anhielt, die als Mathilde Marchesi bald eine der gefragtesten Gesangspädagoginnen Europas wurde.

img6.png

      Der Komponist Otto Nicolai

      Selbstverständlich fand sich auch ein Kritiker, der meinte, Verdi als phantasielosen Plagiator entlarvt zu haben:

      Verdi ist ein Eklektiker und setzt unverzagt seine melodischen Saugröhren bald an den Werken Rossini’s und Bellini’s, bald an jenen Mercadante’s und Donizetti’s an; dies die Ursache, warum diese Gedanken häufig Gefallen und Mißfallen zugleich erregen: ersteres, weil man sie hört, letzteres weil man sie erkennt.“{30}

      Bedauerlicherweise teilte der Experte nicht mit, welche Anklänge an welche Werke er vernommen zu haben glaubte.

      Das auch damals schon interpretenbesessene Wiener Publikum feierte also die Sänger und verlangte ihnen Wiederholungen ab. Interessanterweise wurde der Erfolg der Oper dem Konto der Sänger und nicht dem des Komponisten gutgeschrieben, obwohl die verlangten und gewährten Wiederholungen keine Solostücke waren, sondern Duette, Ensembles und Chöre.

      Dass der Chor „Va, pensiero“ aus der Feder des großen Bewunderers der Chorwerke Händels (dies ist eine Parallele zwischen Verdi und Beethoven) damals in Wien noch nicht als zentrales Element der Oper verstanden wurde und vom Wiener Publikum unbeachtet blieb, ist – wie den Berichten Seyfrieds und des Anonymus der „Wiener Allgemeinen Musik-Zeitung“ zu entnehmen ist – wie vieles in der Verdi-Rezeption eine Legende.

      EDUARD HANSLICK

      Trotz zahlreicher Publikationen verschiedener Autoren, die über Musik schrieben, wurde die Musikkritik in Wien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit einem einzigen prominenten Namen identifiziert: mit Eduard Hanslick (Prag 1825 – Baden bei Wien 1904). Er hatte ab 1843 in Prag weitgehende Musikstudien bei Wenzel Johann Tomášek{31} betrieben, absolvierte auch eine kurze Gesangsausbildung (Hanslick war Tenor) bei dem Bariton Arnold Vogel, studierte aber gleichzeitig Jus an der Prager Universität. In Prag begann er im Dezember 1844 seine musikpublizistische Tätigkeit mit Beiträgen für das belletristische Journal Ost und West, die ihm eine Einladung Robert Schumanns nach Dresden eintrugen. Dort erneuerte er die persönliche Bekanntschaft mit Richard Wagner, den er im Juli 1845 in Marienbad kennengelernt hatte. 1846 übersiedelte er nach Wien, wo er 1849 zum Dr.jur. promovierte. Nach Abschluss seines Jusstudiums trat er in den Staatsdienst ein, zunächst als „Aushilfsreferent“ im Fiskalamt in Klagenfurt (1850-52). Im Mai 1852 wechselte er als „Konzeptspraktikant“ ins Zolldepartement des Finanzministeriums in Wien, später ins Universitätsdepartement des Unterrichtsministeriums in Wien, wo er alsbald sein „Avancement zum Ministerialkonzipisten“ feiern konnte.

img7.png

      Eduard Hanslick (1865)

      Bereits seit 1846 arbeitete Hanslick als Musikrezensent, anfänglich für die Sonntagsblätter und die Wiener Musikzeitung. Ab 1848 war er Leiter des Musikreferats der Wiener Zeitung, von 1853 bis 1864 bei der Presse, danach bei der Neuen Freien Presse. Im Oktober 1856 habilitierte er sich an der Wiener Universität, an der er, zunächst als Lektor (1856-61), dann als a.o. Univ.-Prof. (1861-70) und später schließlich als o. Univ.-Prof. (1870-95) Geschichte und Ästhetik der Musik lehrte. Im Herbst 1861 verließ er seinen Beamtenposten im Unterrichtsministerium, wurde danach aber als „Regierungsrat“

Скачать книгу