Eduard Hanslick über Giuseppe Verdis Opern. Christian Springer

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Eduard Hanslick über Giuseppe Verdis Opern - Christian Springer

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ihrer eigenen Musik natürlich genauer vertraut, in zwei einem deutschen Ohr kaum unterscheidbaren Opern verschiedene Stilrichtungen nachweisen (- gerade wie die Neger sich untereinander sehr unähnlich vorkommen, während sie für den Europäer alle Ein Gesicht haben -), die Italiener bewiesen an den ersten Versuchen Verdi’s jedenfalls die schärfere Spürnase.{39}

      Zur Zeit der Wiener Nabucco-Erstaufführung 1843 lebte der achtzehnjährige zukünftige Kritiker noch in Prag und war gerade im Begriff, seine Musikstudien aufzunehmen. Er erlebte die Übernahme dieser Oper (in der Übersetzung von Heinrich Proch) in das deutsche Repertoire des Kärntnertortheaters erst 1848. Die mit seinem Davidsbündlernamen „Renatus“ gezeichnete Rezension des Dreiundzwanzigjährigen, sofern man von einer solchen sprechen kann, gibt einen Vorgeschmack auf das, was später folgen sollte:

      Eine größtentheils sehr gelungene Vorstellung war die des Verdischen „Nabukodonosor“, welcher am 22sten d.M. zum ersten Mahle in Deutscher Sprache über die Bretter des Hofoperntheaters ging. Da die Oper von den Italienischen Vorstellungen her bekannt, und die Kritik über den Werth der Musik, und ihre Zweckmäßigkeiten zu Wachtparaden vollkommen im Reinen ist, so erübrigt sich dießmahl nur der factische Theil eines Berichtes. Die tüchtigsten Leistungen des Abends waren die der Fr. v. Hasselt = Barth und des Hrn. Draxler. Erstere exzellirte als Abigail durch die außerordentliche Volubilität ihrer Stimme, Letzterer (Zacharias) durch den kräftig würdevollen Vortrag der Cantilenen. Hr. Leithner hatte gelungene Momente; um die ganze Rolle wirksam durchzuführen, fehlt es seiner Stimme, besonders in der Höhe, an Fülle und Kraft. [...] Die Ausstattung war hübsch, Chöre und Orchester tadellos.“{40}

      Im Revolutionsjahr 1848 wurde Nabucco sechs Mal gespielt, am 13. und 15. Februar 1849 folgten noch zwei Vorstellungen. Über diese Oper und den in Wien ungemein beliebten Ernani geiferte Hanslick in seiner Kritik in einem Tonfall, der seine empörte Haltung dem verhassten Verdi gegenüber unmissverständlich darlegt:

      Daß schlechte Musik ausnahmsweise auch eine schlechte Spekulation sein könne, bewiesen die großen Opern „Nabucco“ und „Ernani“, welche die vorige Direction mit unglaublichem Eifer nach einander aufführte. Diese zwei Verdi’schen Opern, das Geschmack= und Sinnloseste, was die neuere Opern-Literatur hervorgebracht hat, wurden mit den vorzüglichsten Kräften besetzt, mit der größten Sorgfalt einstudiert; zum Ernani allein sollen dreißig Proben gemacht worden sein! Ueberall, wo bedeutende Kraftanstrengungen muthwillig und nutzlos verschwendet werden, regt sich in uns ein tiefer sittlicher Unwille, umsomehr muß dieß der Fall sein, wenn eine sogenannte Kunstanstalt Geld und Zeit verschwendet, und ihre Mitglieder zu den äußersten physischen Anstrengungen zwingt, um das Werk eines geistlosen Charlatans möglichst glänzend vorzuführen. [...] Man soll auch das Verwerfliche kennen lernen, das Epoche macht. [...] Man hat also zur Langweile des Publikums, zum Aergerniß der Musikfreunde, mit größtem Zeit=, Geld= und Kraftaufwand zwei miserable Opern gegeben, um materiellen Verlust zu erleiden. [...] Die Entschuldigung, daß der Mangel an besseren Opern zu V e r d i nöthigte, ist ganz haltlos; richtiger könnte man von dem Mangel an schlechteren Opern sprechen. [...] Jede Oper von Marschner, Reissiger, Lindpaintner, Lachner, Wagner, Lortzing, Dessauer, Hoven{41}, Esser, die man statt des Verdi einstudirt hätte, wäre ein Hochgewinn gewesen.{42}

      Die Erwähnung dieser Komponistennamen – so manche von ihnen Größen, deren Werke nicht überleben konnten – hat den Betroffenen nicht gedient, die Erwähnung Wagners in diesem Zusammenhang mutet aus heutiger Sicht kurios an.

      Die mit Schaum vor dem Mund vorgetragene Aburteilung Verdis durch Hanslick spiegelt die politische Situation der Zeit wider. Die Italiener hatten es gewagt, mit den am 18. März 1848 in Mailand beginnenden „Cinque giornate“, einem fünf Tage währenden Aufstand, gegen die österreichischen Besatzer unter dem greisen Feldmarschall Radetzky aufzumucken. Auch wenn die verhaßten Besatzer dadurch nur vorübergehend vertrieben werden konnten, wurde als Reaktion auf das Unerhörte ab sofort alles Italienische in Wien verabscheut.

      Der gewaltige Sturm der Märzerhebung fand fast augenblicklich sein nachzitterndes Echo in dem Kunstleben Wiens. Das erste Lebenszeichen des neuen politischen Umschwungs, das auf künstlerischem Gebiete sich kundgab, war destruktiver Natur: die Verjagung der italienischen Oper. Am 1. April 1848 sollte die italienische Saison unter der Direktion des Signor [Carlo] Ballochino mit Verdis „Ernani“ eröffnet werden. Kaum aufgeklebt, waren aber auch schon alle Ernani=Zettel zerkratzt, besudelt, herabgerissen.{43}

      Die Stagione wurde zuerst verschoben, dann mußte der Impresario am 16. April 1848 nach anonymen Drohungen zurücktreten.

      Die italienischen Sänger zerstoben nach allen Richtungen. Der Demonstration gegen die italienischen Sänger lagen die zwei mächtigsten Strömungen jener Tage zugrunde: die nationale und die demokratische.{44}

      Diese Strömungen wollten durch Stellungnahmen wie jener Hanslicks journalistisch bedient werden, denn:

      Der ersteren war man sich vollkommen bewußt und betonte sie ungescheut: man wollte deutsches Wesen, deutsche Politik, deutsche Kunst. Fort mit den Erbfeinden des Deutschtums, fort mit den Welschen!{45}

      Dass die „Erbfeinde des Deutschtums“, die „Welschen“, mit nur kurzer Unterbrechung unter österreichischer Herrschaft standen, kümmerte Hanslick wenig. Er erblickte in der italienischen Musik den „künstlerische[n] Ausdruck deutschfeindlichen und spezifisch aristokratischen Vergnügens“, obwohl sich dies mit den Arbeiten eines „geistlosen Charlatans“ wohl nur schwer in Einklang bringen ließ. Als es nach 1848 zu mehrjähriger „ununterbrochener Alleinherrschaft deutscher Opernvorstellungen“ gekommen war, erweckte die Sopranistin Adelina Patti, die Hanslick in seltener Übereinstimmung mit Verdi „als die erste lebende Gesangskünstlerin, als ein musikalisches Genie“{46} bezeichnete, bei den Wienern die Vorliebe für italienische Opern zu neuem Leben.

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      Adelina Patti (1843-1919), Verdis Lieblingssopranistin

      Als Folge der von ihr ausgelösten Begeisterung kam es in den Jahren 1864-67 zu Gastspielen der früheren Mezzosopranistin und nunmehrigen Sopranistin Desirée Artôt, des Tenors Enrico Calzolari, des Baritons Camillo Everardi und des Baßbuffo Giovanni Zucchini mit italienischen Opern. Hanslick, der bis 1848 „diese Vorstellungen mit ihrem ewigen Einerlei nur widerwillig und in dringendsten Fällen“{47} besucht hatte, war begeistert:

      Mit Entzücken gedenke ich dieser Vorstellungen von „Cenerentola“, „Matrimonio segreto“, „Barbiere“, „Italiana in Algeri“, „Elisir d’amore“ und „Don Pasquale“. Ich werde nie wieder dergleichen hören. Dieses ganze köstliche Repertoire ist mit der dazu gehörigen Gesangskunst von dem Moloch des „Musikdramas“ verschlungen worden.{48}

      Wie zu sehen sein wird, reichte das ostentative Deutschtum des stets ambivalenten und sich selbst widersprechenden Eduard Hanslick aber nicht aus, um ein glühender Anhänger des Vorzeige-Deutschtümlers Wagner zu werden und zu bleiben.

      Auch als Hanslick 1862 in London berühmte Sänger des italienischen Faches zu hören Gelegenheit hatte, konnte er sich vor Begeisterung kaum fassen:

      In der italienischen Oper erlebte ich manchen genußreichen Abend. Da hörte ich Gesangskünstler, wie sie heute nirgends mehr existieren.{49}

      Da hörte er im Londoner Royal Italian Opera House, Covent Garden, Größen wie die Sopranistinnen Lind, Patti und Miolan-Carvalho, die Tenöre Mario und Tamberlick{50} und den Bariton Faure, am Her Majesty’s Theatre die Sopranistin Tietjens und den Bariton Santley. Die große Jenny Lind hatte ihm wie zur Bestätigung eines (inexistenten) versunkenen Goldenen Zeitalters persönlich bestätigt: „Die jetzigen Sängerinnen haben alle mit dreißig Jahren keine Stimme mehr; sie haben zu wenig studiert und schreien zuviel.“{51} Zu derlei Urteilen war sie

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