Eduard Hanslick über Giuseppe Verdis Opern. Christian Springer

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Eduard Hanslick über Giuseppe Verdis Opern - Christian Springer

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(1856-?), eine neunzehnjährige talentierte Sopranistin, die für ihren Mann auf eine Karriere verzichtete – „ohne es je zu bereuen“, wie Hanslick anzumerken nicht verabsäumt – und die in seinen Erinnerungen merkwürdigerweise nur en passant erwähnt wird. Sophie Wohlmuth hatte bei der berühmten Mathilde Marchesi studiert und „mit einer vollendeten Wiedergabe der sterbenden Margarethe in Gounods ‚Faust‘ den ersten Conservatoriums=Preis“{32} erhalten. Bemerkenswert ist, dass Marchesi – zweifellos die bedeutendste und erfolgreichste Gesangspädagogin des 19. Jahrhunderts – die Entscheidung von Hanslicks junger Gattin unterstützt: „Wir Frauen sollten, wie in früheren Jahren, unser Wirken und Schaffen auf das Haus beschränken, unser Sinnen und Denken der Familie widmen. Nur in wenigen Fällen, bei ganz hervorragenden Anlagen und ausgesprochenem Talent sollte es den jungen Mädchen vergönnt sein, sich eine öffentliche Laufbahn zu erwählen.“{33}

      Neben seiner Kritikertätigkeit publizierte Hanslick zahlreiche musiktheoretische und musikhistorische Werke, darunter Vom Musikalisch-Schönen: ein Beitrag zur Revision der Ästhetik der Tonkunst (Leipzig 1854), jenes Buch, welches in zahlreichen Auflagen erschien und ihn berühmt machte. Er entwickelte darin eine Theorie der absoluten Instrumentalmusik. Die Komposition verstand er als „ein Arbeiten des Geistes in geistfähigem Material“, den Inhalt der Musik bezeichnete er – gegen die „verrottete Gefühlsästhetik“ polemisierend – als „tönend bewegte Formen“. Die Bibliographie der ersten Ausgaben von Hanslicks Publikationen umfaßt fünfzehn Bände, zu ihnen zählen z.B. Geschichte des Concertwesens in Wien (1. Theil Wien 1869, 2. Theil 1870), Die moderne Oper. Kritiken und Studien (Berlin 1875), Aus dem Opernleben der Gegenwart (Berlin 1884) sowie seine Autobiographie Aus meinem Leben (Berlin 1894), die auf großes Interesse stieß und mehrere Auflagen erlebte. Eine vollständige Gesamtausgabe seiner in verschiedenen Medien veröffentlichten Schriften, Artikel und Rezensionen steht bis heute aus.

      Hanslick erblickte in Mozart, Beethoven, Schumann und Brahms die Höhepunkte der musikalischen Entwicklung, die Arbeiten neudeutscher Komponisten wie Liszt, Bruckner und Wagner lehnte er vehement ab (die Reaktion des letzteren auf Hanslicks Kritik bestand darin, daß er die Figur des Beckmesser in Die Meistersinger von Nürnberg ursprünglich „Hans Lick“, später „Veit Hanslich“ nennen wollte).

      Hanslicks Beurteilungen und Verunglimpfungen der Werke von Komponisten wie Berlioz, Wolf oder Tschaikowsky sind Legende. Vom Violinkonzert des letzteren befand er: „Es bringt uns zum erstenmal auf die schauerliche Idee, ob es nicht auch Musikstücke geben könne, die man stinken hört“, ein oft zitiertes Verdikt, das in krassem Gegensatz zu Hanslicks Rezension des Eugen Onegin steht. Seine oft als Fehlurteile bezeichneten Einschätzungen bestimmter Kompositionen von Wagner oder Richard Strauss geben Zeugnis von Hanslicks unverblümt subjektivistischer Haltung, zu der er nach seinen ersten „objektiven“ musiktheoretischen Arbeiten übergewechselt war. Sie sind vor dem Hintergrund des kulturellen Klimas der Zeit zu begreifen.

      Ungemein brillant ist Hanslicks Formulierkunst, bewundernswert sein Geist, kaustisch sein Witz. Als Vorbild beim Schreiben diente ihm wohl sein „Lieblingshumorist Dickens“.{34} Grenzenlos sind seine begeisterte Zustimmung, Verehrung und Liebe (vor allem für Brahms), grenzenlos sind aber auch seine wütende Ablehnung vieler Komponisten, seine dramatische Verkennung und tiefe Verachtung derselben, seine heftige Empörung über deren Arbeiten. Seiner Selbsteinschätzung der „weichen Empfindlichkeit meines Charakters“{35} mag man dabei nicht ganz vorbehaltlos folgen, auch wenn auf ihn und sein Verhältnis zu Verdi wahrscheinlich das zutrifft, was Ernest Hemingway im 20. Jahrhundert diagnostizierte, dass nämlich Sensible zumeist nur in eigenen Belangen sensibel sind, anderen gegenüber hingegen oft von ausgesuchter Brutalität. Oftmals schoß Hanslick übers Ziel hinaus, wenn er beispielsweise, gegen ein ungeschriebenes Gesetz der Zunft verstoßend, Namen witzelnd verwendete oder, was häufig vorkam, die Grenzen des guten Geschmacks überschritt und ins Peinliche abrutschte. Trotzdem räumten die Zeitungsherausgeber, für die er tätig war, diesem nicht unumstrittenen Literaten der Musikkritik viel Platz für seine episch breiten Ausführungen ein.

      HANSLICK VERSUS VERDI

      Dieser in der Musikliteratur unvermeidlich als „Kritikerpapst“ bezeichnete und mit dem Epitheton „gefürchtet“{36} (zweifellos ein Hinweis auf seine in vieler Hinsicht unbestreitbare Kompetenz und Autorität) ausgestattete Kritiker schrieb vehement gegen Verdis Werke an, wobei er auch dessen Anfänge, die er nur vom Hörensagen kannte, aufs Korn nahm:

      Als die ersten Klänge von Verdi in Deutschland ertönten, hätte Niemand geglaubt, daß dieser Name binnen Kurzem den obersten Machthaber der italienischen Opernbühne, ja einen Mitbeherrscher der deutschen bezeichnen würde. [...]

      Verdi begann seine Carrière mit der im Jahre 1839 an der Scala in Mailand aufgeführten Oper Oberto, Conte di San Bonifazio, eine geradezu schülerhafte Composition, die von Bellini’schen Reminiszenzen wimmelte, aber einige Züge dramatischen Talents aufwies. Ein Mailänder Bericht über diese erste Aufführung huldigte im Tone prophetischen Entzückens dem „neuen Genie“. Die Entscheidungsgründe klangen uns ebenso unbegreiflich, wie das Urtheil selbst. „Verdi“, so schreibt der Correspondent, „hat den rechten Weg eingeschlagen, den Weg der Rührung, der reineren Gefühle. So wie Bellini meidet auch Verdi jedes ohrenbetäubende Geräusch. So haben Wenige begonnen! Das Fortschreiten hängt nur von ihm ab.“ Der nächste Schritt war freilich ein Rückschritt: die nach einem französischen Vaudeville bearbeitete Oper Un giorno de [sic] regno, die bei ihrer ersten und zugleich letzten Vorstellung in der Scala (1840) durchfiel. Unbeirrt durch diese Schlappe nahm Verdi sofort dem Poeten Solera das Textbuch der heroischen Oper Nabucco ab, welches Otto Nicolai (unser damals italienisch componirender Landsmann) refüsiert hatte. Dieser Nabucco erregte in der Scala, 1842, unendliches Furore und hat Verdi’s Ruf fest begründet.{37}

      Bei der Lektüre dieser und der folgenden gegen Verdi gerichteten Ergüsse Hanslicks muss beachtet werden, dass es sich dabei nicht um zeitgenössische Rezensionen eines Anfängers (Hanslick war 1840 gerade fünfzehn Jahre alt) handelt, mit einem legitimen Anspruch auf Irrtum beim Einschätzen erstmalig gehörter Neuheiten, sondern um die 1875 veröffentlichte Meinung eines musikalisch hochgebildeten fünfzigjährigen Kritikers, der aufgrund seiner Erfahrung überholte Sichtweisen unschwer hätte richtigstellen können. Die Umstände, unter denen Verdi Un giorno di regno aus vertragstreuem Pflichtbewusstsein komponiert hatte{38}, mussten Hanslick ebenso bekannt sein wie die Tatsache, dass Verdi die Komposition des Nabucco weder freiwillig noch begeistert in Angriff genommen hatte.

      Am 4. April 1843 war es, daß in Wien die erste Oper des damals noch unbekannten Componisten, „Nabucco“, von italienischen Sängern gegeben wurde. Der junge Maestro dirigirte selbst, Ronconi sang die Titelrolle. Die Oper machte sehr geringe Wirkung. Nur die Italianissimi im Publicum wagten es, ihr Wohlgefallen zu bekennen; die Kritik brandmarkte die Geistlosigkeit und Trivialität dieser Musik und protestirte damals noch gegen den entferntesten Vergleich Verdi’s mit Donizetti. In Italien hingegen ist Verdi gleich bei seinem ersten Auftreten als eine epochemachende Erscheinung enthusiastisch begrüßt worden, und insofern mit richtigem Instinct, als seine Musik sich seither auf allen europäischen Bühnen durchgesetzt hat und seit fünf und zwanzig Jahren das italienische Repertoire ohne Rivalen beherrscht. [...]

      Herr Temistocle Solera verdient für sein Libretto einen Kranz von Stechpalmen anstatt des Lorbeers. Er entstellt den biblischen Stoff mit großer Ungenirtheit; überdies entbehren seine willkürlichen Erfindungen aller inneren Wahrheit und Poesie. Neben den gewöhnlichen, hier zur Ungeheuerlichkeit gewachsenen Mängeln der italienischen Oper mußte an dieser Musik noch der Mangel eines fließenden melodiösen Gesangs auffallen. Ein Wiener Kritiker wendete auf Verdi’s Oper das Witzwort Shakespeare’s an: „In was ist sie gut, als in gar nichts? und in was ist sie schlecht, als in Allem?“ Kurz, den Deutschen war die Kost nicht genießbar, noch weniger wurde es ihnen leicht, im Nabucco die Elemente jenes angeblich neuen und originellen Styls herauszufinden, den die Italiener sofort daran priesen. Wir Deutschen bemerkten kaum einen wesentlichen

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