Alltagsleben nach 1945 in Mecklenburg. Horst Lederer
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Else Lederer wurde Besitzerin des Ackers Nr. 6 zwischen den Feldern Frieda Schmidts und Fritz Schreibers hinter der letzten Hecke der Arpshagener Gemarkung. Sie loste einen Bauplatz an der späteren Neuen Straße, die Wiese nahe der Grenze zu Hofzumfelde, die Holzung im Hohenschönberger Wald und die Weide auf dem Koppelstück 147. Die Größe der Flächen wird denen meiner Mutter Irmgard Lederer ähnlich gewesen sein.
Irmgard Lederer hatte das Ackerstück 30 (5,28 ha) an der Straße nach Goldbeck, die Koppel Nr. 154 (82 a) mit einem Sandgrubenanteil an der Strecke der Deutschen Reichsbahn, das Wiesenstück Nr. 265 (51 a) am Weg an der Grenze zu Hofzumfelde, die Holzung (53 a) an der Grenze zu Goldbeck nahe der Stellshagener Gemarkung und den Bauplatz (35,19 a) westlich von der Straße nach Goldbeck gelost.
Nach der Verlosung kehrten beide Frauen in dem Bewusstsein zu ihren Familien nach Oberklütz zurück, an diesem Tage den Grundstein für einen existenziellen Neubeginn gelegt zu haben, nicht mehr und nicht weniger, zumal sie die erworbenen Flächen noch nicht in Augenschein genommen hatten und deshalb nicht abschätzen konnten, wie minderwertig oder wertvoll sie waren.
Wie immer die Verlosung der der einzelnen Flächen auch abgelaufen sein mag, daran beteiligt waren die folgenden Einheimischen persönlich oder durch ein Familienmitglied in Vertretung: Ernst Kelling, Ernst Moll, Heinrich Patynowski, Stefan Patynowski, Else Dunkelmann, Wilhelm Russow, Karl Stazinska, Marian Michalowski, Hubert Hübner, Erich Schröder, Wilhelm Moll, Karl Kidschun, Heinrich Frederich, Willi Frederich, Hans Bever, Karl Klopp, Fritz Törber, Fritz Göwe, Fritz Wiebke, Albert Pagel, Karl Lüth, Karl Wehr, Bernhard Klockmann, Albert Barkentien, Hermann Kaßner, Robert Estermann, Otto Uecker, Fritz Andersson, Otto Albrecht. (Willi Frederich und Wilhelm Russow hatten Kleinsiedlungen erworben).
Als Flüchtlinge hatten an der Verlosung teilgenommen: Bruno Grzyb, Max Kirschstein, Anna Kapanusch, Frieda Schmidt, Else Lederer, Fritz Schreiber, Erna Wojahn, Erhard Pohl, Irmgard Lederer, Philipp Müller sen., Albert Büch, Anna Bansen, Josef Braun, Georg Manthey, Franz Ziesler, Hermann Popko, Margarete Goerl, Wilhelm Schulz, Wilhelm Wollmann, Hermann Reinke. Zu diesem Zeitpunkt waren in Arpshagen noch vier Siedlungen vakant.
Mit dem Datum vom 30.12.1945 erhielten alle Siedler oder Neubauern eine künstlerisch ansprechend gestaltete Urkunde im A3-Format mit dem Motto „Der Boden dem Bauern“ und dem Leitsatz „Der Grundbesitz soll sich in unserer deutschen Heimat auf feste, gesunde und produktive Bauernwirtschaften stützen, die Privateigentum ihres Besitzers sind.“ Diese Formulierung wäre nach Gründung der DDR, speziell seit der Entstehung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, sicher nicht mehr möglich gewesen.
Die Urkunde von Irmgard Lederer hat folgenden Wortlaut:
URKUNDE
Auf Grund der Verordnung der Landesverwaltung Mecklenburg über die Bodenreform vom 5. September 1945 wird der
Bäuerin Irmgard Lederer
wohnhaft in der Gemeinde Arpshagen
Kreis Schönberg
ein Grundstück
im Umfang von 7,97 ha, einschließlich Wald,
rechtskräftig
zum persönlichen, vererbbaren Eigentum übergeben.
Das der Bäuerin Irmgard Lederer übergebene Grundstück liegt in der Gemeinde Arpshagen und hat laut dem von der Bodenkommission aufgestellten Verteilungsplan die Nummer 16.
Indessen machten sich Else und Irmgard Lederer auf die Suche nach einer Unterbringung für die drei Pferde. Ein freundlicher Dorfbewohner wies sie darauf hin, dass im Fohlenstall noch genügend Platz und auch ausreichend Futter zu finden sei. So war an diesem Tag wenigstens ein Problem erfolgreich gelöst worden.
Der folgende Tag war ein Sonntag. Während Tierarzt Preuß mit Unterstützung seiner Freundin von ihm beanspruchte Möbel aus einem weiteren Zimmer herausbugsierte und von kräftigen Landarbeitern auf einen Tafelwagen laden ließ, lud der Klützer Heinrich Knabe die im Gutshaus befindlichen Flüchtlinge zu einem festlichen Schweinebraten mit Salzkartoffeln und gut gewürzter Soße ein. Er hatte das Essen persönlich in der noch unbewohnten Küche des Gutshauses zubereitet. Meine Mutter holte mehrere Portionen davon in unsere kleine Unterkunft, und mir schmeckte es vorzüglich. Es war für mich der erste angenehme Eindruck von Arpshagen.
Wir richten uns im Gutshaus ein
Tierarzt Dr. Preuß fuhr am Tag danach sein restliches Mobiliar nach Klütz. Indessen berieten die drei Frauen, welche Familie in welchem der Zimmer wohnen sollte. Sie wurden sich schnell einig: Großmutter Alwine Diethert erhielt das kleinste Zimmer. Sie bat aber darum,
dass meine 1¼-jährige Cousine nachts mit ihr zusammen darin schlafen sollte. Tante Else und Sohn Wolfgang wurde der zweitgrößte Raum zuerkannt, während meine Mutter mit uns drei Jungen in das größte am Ende des Flurs befindliche Zimmer einzog.
Ich half mit meinen bescheidenen Kräften bei der Einrichtung der Räume mit. Dazu nutzten wir das Mobiliar, das noch herrenlos auf den Fluren, in den unbewohnten Räumen und Abseiten herumstand, in erster Linie Schränke der verschiedensten Formen, Farben und Größen, Kommoden, aber wenig Tische und Stühle.
Am schnellsten ging es bei der Ausstattung des Zimmers meiner Oma. Ein weißes Bett stand bereits links neben dem Fenster. Wir schoben einen gleichfarbigen Kleiderschrank rechts daneben, danach eine Kommode dazu. Von irgendwoher hatte Tante Else ein Kinderbett beschafft, und vor den einzigen Stuhl im Raum wurde ein kleiner Tisch gestellt.
Das Zimmer meiner Tante war bereits recht üppig möbliert. Hier hatte die Sekretärin des Verwalters Boeck, Ursula Gehrke, bis Ende Juni 1945 gewohnt. Dann hatte Tierarzt Preuß den Raum mit seiner gesamten Ausstattung genutzt. Wir fanden zwei Betten vor, zwei Nachttische, einen dazu passenden Schrank, einen kleinen runden Rauchtisch mit zwei Stuhlsesseln. Hier brauchten nur die beiden Betten in die gewünschte Position geschoben zu werden. Mir gefielen im diesem Zimmer vier künstlerisch sicher wertvolle schöne Aquarelle an den Wänden. Noch interessanter war für mich eine hinter diesem Raum befindliche geheimnisvolle Abseite, die mit dunkelbraunem Paneel getäfelt war und etliches Mobiliar enthielt, insbesondere einen großen braunen Schrank, der von oben bis unten mit Fotoalben und belletristischer Literatur voll gestopft war. Ursula Gehrke las vermutlich mit Begeisterung, musste ihre umfangreiche Bibliothek aber offensichtlich bei ihrer Abreise nach Niedersachsen hier zurücklassen. Wie ich mich erinnere, haben in dieser Abseite durchreisende Verwandte und Tagesgäste übernachtet.
Die längste Zeit mussten wir für die Ausstattung unseres Zimmers aufwenden. Hier hatte Dr. Preuß die Möbel zurückgelassen, die er in seiner jetzigen Klützer Wohnung nicht aufstellen konnte, einen mit kunstvollen Schnitzereien versehenen Eichenholztisch, eine Waschtoilette mit Marmorplatte, darauf eine große weiße Steingutschüssel mit dazu passendem gleichfarbigen Wasserkrug, darüber einen langen ovalen mit braunem Holz eingefassten Spiegel, der an der Rückseite mit einem Haken in einem Ring in der Wand befestigt war, ein braunes