Weißer Stein. Christian Friedrich Schultze
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Unabhängig davon, daß es richtig so ist und eigentlich egal ist, vom wem diese Entscheidung kommt, erhält diese ganze Angelegenheit so einen ganz anderen Touch. Wieder einmal (wie sicher oft in Deinem Leben) entscheidet Peter I. und Sonnhild tut was er will. Es wird so geschehen, wie wir (nun aber nur Du und ich) entschieden haben und wir werden hoffentlich in Zukunft so miteinander umgehen, daß die Wahrhaftigkeit nicht leidet.
Es wäre gut und richtig für Dich, wenn Du durch Nachdenken zu den Entscheidungen kommen würdest, die die Richtung Deines Lebens bestimmen. Ich und auch kein anderer Mensch kann wissen, was Du denkst und fühlst. Es ist nicht Deine Aufgabe, so zu handeln wie ich oder jemand anders es will, sondern wie Du es willst. Du bist nicht allein und mußt daher auch immer mit einbeziehen, was nötig ist für die Kinder. Das beginnt an jedem Morgen und endet am Abend. Es ist schwer dabei Zeit zu finden für Dinge, die Dir wichtig sind. Peter beherrscht das perfekt, er schiebt alles weg, was ihm und seinen Plänen hinderlich ist. (Und lieb ist er solange zu Dir, wie es nötig ist, Dich zu besänftigen).
Fasse meinen Brief bitte positiv auf, wenn ich nicht so großes Interesse an Dir haben würde, so nähme ich mir nicht so viel Zeit, um mich mit Dir zu beschäftigen.
Erinnere Dich beizeiten an diese Zeilen und gehe mit mir wahrhaftig um.
Mit vielen Grüßen
Rudolf“
Arbeitete sich da einer bereits an einer in Wahrheit unerwiderten Liebe ab? Bieten diese Zeilen etwa eine Verdachtsgrundlage für die Ermittlungsbeamten, die später zur zeitweiligen Observation des „Zeugen“ Rudolf J. führte?
Die Anklageschrift sagt hierüber nichts aus. Staatsanwalt Matthieu unterließ es auch wohlweislich, darüber Spekulationen anzustellen. Lakonisch heißt es unter:
„a) Vorgeschichte
Am 09.04.1992 kehrte der Angeklagte von seiner Montagetätigkeit unangekündigt nach Hause zurück. Zu diesem Zeitpunkt öffnete ihm der Zeuge J. die Tür, während seine Ehefrau Sonnhild I. unbekleidet in der Badewanne saß. Für den Angeklagten wurde hierbei offenkundig, dass zwischen Rudolf J. und seiner Ehefrau mehr als nur eine einfache Bekanntschaft bestand. Er verlangte vom Zeugen J., dass dieser sofort aus der Ehewohnung ausziehen solle. Diesem Wunsch kam Rudolf J. ein oder zwei Tage später nach.“
Daran stimmen drei Dinge allerdings nicht: Rudolf J. bewohnte nicht die Ehewohnung der I.s, sondern eine der drei Ferienwohnungen gegen Entgelt. Er hatte auf Wunsch der „Geliebten“ auch bereits ein Pensionszimmer in Walddorf am Kottmar, an dessen Hängen die Spree entspringt, bezogen. Sonnhild hatte den Hamburger bereits über einen Monat vorher gebeten, von der Hutungswiese wegzuziehen. Zudem fehlt in der Anklageschrift der Hinweis, dass der linke Arm der frisch operierten Frau in einem von Körper abstehenden Streckgips steckte, welcher von einem am Oberkörper angebrachten Stützkorsett in einer äußerst unbequemen Lage gehalten wurde. Am 15. April sollte sie wieder in das Rothenburger Krankenhaus einziehen, um sich einer Spezialtherapie mit schmerzhaften physiotherapeutischen Übungsstunden zu unterziehen. Davor graute ihr.
Im Rahmen der Auseinandersetzungen wegen des Rudolf J. mit ihrem Ehemann Peter konfrontierte Sonnhild diesen schließlich mit ihrer Absicht, sich von ihm zu trennen. Die Situation eskalierte:
„...Anfangs habe der Angeklagte herumgebrüllt und dann habe man sich nur noch angeschwiegen. Zu einer tätlichen Auseinandersetzung sei es dann am 13.04.1992 gekommen. Sonnhild I. sei gerade dabei gewesen, ihre Sachen für einen (den d.A.) Krankenhausaufenthalt zusammenzupacken, als der Angeklagte von hinten an sie herantrat und sie mit beiden Händen zu würgen begann. Durch einen Tritt auf die Zehen konnte sie sich zwischenzeitlich befreien. Der Angeklagte ist ihr jedoch hinterher gekommen, hat sie am Oberkörper gepackt und auf das Bett geworfen. Dabei ist der Gipsverband im Bereich der operierten Schulter, der extra angelegt worden war, am Arm zerbrochen. Die Würgeversuche des Angeschuldigten sind auch beendet worden, weil die Kinder der Eheleute I. zum Geschehen hinzutraten. Unmittelbar danach hat der Angeklagte seine Ehefrau in die Nase gebissen, die daraufhin zu bluten begann. In der weiteren Folge ist man dann an jenem Abend noch nach Rothenburg gefahren, wo der zerbrochene Gips repariert wurde. (Vergl. ZV Sonnhild I., Bl. 365 ff., 98 f.d.R. d.A.)“
Diese Darstellungen stehen, wie alle diesbezüglichen Behauptungen einiger Nachbarn und späterer Zeugen über angebliche dauernde Gewalttätigkeit Peter I.s, im krassen Gegensatz zu unserer langjährigen Erfahrung beim Umgang mit dem Ehepaar I. Wir hatten natürlich eine gewisse Gefühlskälte und ein stets berechnendes Wesen des Oberlausitzer Granitschädels festgestellt. Sein Auftreten gegenüber den Kindern war zwar von einer gewissen Strenge und Härte gekennzeichnet, aber stets ruhig, gerecht und niemals unfreundlich gewesen. Auch dass Peter ein Trinker gewesen sein solle, ist pure Erfindung. Er trank schon mal eine Flasche Radeberger mit, aber er wollte immer bereit sein zum Autofahren, denn vor der Wende wurde selbst der geringste Alkoholgehalt im Blut drastisch geahndet.
Ich hatte sogar ein gewisses Verständnis dafür, dass er an jenem Abend so ausgerastet war. Denn wenn ich von einer längeren Dienstreise nach Hause zurückgekehrt wäre und mein Freund Rudi J. hätte im Bad bei meiner nackt in der Wanne badenden Ehefrau gesessen, wäre ich wohl auch gehörig ausgeflippt. Nur - uns hat weder 1992 noch 1993 oder1994 irgendeiner von den zahlreichen Ermittlern je dazu befragt!
Sonnhilds Behandlung im Krankenhaus war langwierig und schmerzvoll und dauerte bis zum 8. Mai 1992. Rudolf J. hat sie in dieser Zeit fast täglich besucht. Als er einen Job in Großschönebeck bei Berlin angenommen hatte, teilte er in einem weiteren Brief an Sonnhild unter anderem mit, dass er für acht Tagewerke 11.280 DM erhielte. Das waren die Wochensätze, die die westlichen Unternehmensberater allgemein für Ihre Tätigkeiten in den neuen DDR-GmbHs kassierten. Was mag die Oberlausitzer Textilarbeiterin und Beiköchin darüber gedacht haben? Am 9. Mai wurde sie entlassen, kehrte jedoch nicht in ihr Haus an der „Hutchwiese“ zurück, sondern wohnte mit dem kleinen Sohn vorübergehend bei ihren Eltern in Dittelsdorf.
Noch während ihres Krankenhausaufenthaltes war sie mit Rudolf J. zu einer Löbauer Rechtsanwältin gefahren, um die Ehescheidung einzuleiten. Die Trennungsanzeige wurde Peter I. am 13. Mai zugestellt. Unter anderem forderte Sonnhild fürs Erste 550 DM Kindesunterhalt und 500 DM Trennungsunterhalt.
Am Vortag hatte sie, ebenfalls unter Anleitung Rudolf J.s, Strafanzeige bei der Polizei in Zittau wegen Körperverletzung gegen ihren Ehemann gestellt. Wie sehr sie in ihrer seelischen Not auf den Beistand ihrer Eltern hoffte, mag ein Brief vom 29. und 30. April 1992 aus dem Krankenhaus Rothenburg belegen.
„Meine lieben Eltern!
Heut ist es schon wieder Mittwoch. Im Moment sitze ich sehr kaputt im Bett. Jeden Morgen 7:00 Uhr muß ich zur Therapie. Die Bewegungsübungen sind mächtig anstrengend und gehen oft über die Schmerzgrenze. Morgen ist Chefvisite und dann werde ich erfahren, wann ich nach Hause kann. Jetzt reden sie jedenfalls von Sonnabend. Wenn ich daran denke, bekomme ich ganz schön Herzklopfen. Noch nie bin ich so ungern nach Hause gegangen wie diesmal.
Am Sonntag waren meine beiden Kinder bei mir. Ich habe sie sehr lieb. Hoffentlich mute ich ihnen nicht zuviel zu, mit dem, was ich vor habe.
Ich will dann mal in die Telefonzentrale gehen. Ich möchte auch mal die Rechtsanwältin in Löbau sprechen. Ich habe Angst vor dem, was mich erwartet. Ich hoffe nur, daß ich stark bleibe und meinen Weg zu Ende gehen kann.
Gestern war F. nur allein mitgekommen. Andreas war in