Gefangene der Welten. Hazel McNellis
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Sie zog sich zurück und presste ihren Rücken gegen die feuchte Rinde des Baumes.
Damian starrte in die Nacht. Seine Fackel warf flackernde Schatten auf die Bäume, die ihn umgaben. Er war sich sicher: Sie war in der Nähe. Er konnte ihre Furcht fast körperlich spüren.
Lan’tash hatte recht. Es war so vorherbestimmt, dass er sie ehelichte. Er hatte es mit einer leidenschaftlichen Wildkatze zu tun und nicht mit einem verängstigten Rehkitz. Sie würde die Richtige sein.
Er hob die Fackel höher und suchte die Umgebung ab.
Ihre Handflächen schwitzten. Warum ritt er nicht weiter? Es kam ihr vor, als stünde er bereits eine Ewigkeit auf der anderen Seite. Hatte er sie entdeckt? Schnell vergewisserte sich Sydney, dass sie vollkommen hinter dem Baumstamm verborgen war. Wusste er, dass sie hier war? Hatte er sie trotz der Dunkelheit sehen können? Angst kroch ihre Wirbelsäule hoch und hinterließ ein Prickeln in ihrem Nacken. Sie hörte, wie sich das Pferd langsam entfernte und stieß zitternd den Atem aus. Kein Ton war mehr zu hören und Sydney beschloss, nicht länger zu warten. Sie schob sich am Stamm hoch und trat hinter dem Baum vor. Stille umfing sie. Ihr kam der Gedanke, dass sie sich in der Finsternis leicht verlaufen konnte. Doch noch ehe sich dieser Gedanke in ihrem Gehirn festsetzen konnte, lief sie los. Der vom Regen aufgeweichte Boden ließ sie über Wurzeln und Äste stolpern. Nur mit Mühe ließen sich Ausrutscher vermeiden. Lief sie überhaupt in die richtige Richtung? Die Morgenstunde lag in weiter Ferne, sodass sie nicht darauf hoffte, dass sich die Lichtverhältnisse in naher Zukunft bessern würden. Keuchend stolperte sie vorwärts.
Hätte sie die Hütte nicht längst erreichen müssen? Sydney runzelte die Stirn und blieb stehen. Hatte sie sich verirrt? Ein Schluchzen stieg in ihr auf und in ihrem Hals machte sich ein Gefühl der Enge breit. Sie konnte überall in diesem vermaledeiten Wald stecken!
Nicht aufgeben, Syd’! Es ist noch nichts verloren!, versuchte sie sich zu beruhigen.
Ihre Schultern schmerzten und das raue Seil scheuerte in ihre Haut. Es schadete sicher nicht, wenn sie sich kurz ausruhte. Sydney trat an einem Baum heran. Ächzend ließ sie sich an der Rinde herabsinken und zog die Knie an, um ihr Kinn darauf abzustützen. Der Schmerz in ihren Schultern wurde schier unerträglich und jeder Versuch, die Fesseln zu lösen oder gar zu lockern, war zum Scheitern verurteilt. Sie stöhnte leise und schloss die Augen einen Augenblick.
Ein leises Geräusch drang an ihr Ohr.
Sie musste eingeschlafen sein. Die Sonne war aufgegangen und ihre warmen Strahlen drangen durch ihre geschlossenen Augenlider.
Sydney war noch benommen vom Schlaf und blinzelte müde gegen das Licht an. Zu spät registrierte sie, dass der Lichtschein auf ihrem Gesicht von einer Fackel verursacht wurde, deren Feuerschein sie blendete.
Es war der Fremde.
Er streckte seinen Arm aus und zog sie hoch. Der Schmerz in ihrer Schulter explodierte und Sydney schrie auf. Tränen der Wut, Angst und des Schmerzes traten ihr in die Augen. Sie war verloren. Wie hatte sie nur einschlafen können?
Dumme Gans!, schimpfte sie sich.
Beim Klang ihres Schreis lockerte Damian seinen Griff um ihren Arm und zog sie zu sich heran. Mit einer fließenden Bewegung warf er sie wie einen Sack Kartoffeln über seine Schulter und schlang seinen freien Arm um ihre Beine. Seine Hand legte sich verstörend warm auf ihren Oberschenkel.
Sydney wand sich. Jeder seiner Schritte presste ihr die Luft aus den Lungen. Wenn sie sich doch nur mit den Händen abstützen könnte! Die gefesselten Hände lieferten sie seiner Grobheit auf Gedeih und Verderb aus. Sie war kein Mensch, mit dem man so umspringen konnte!
Damian erreichte sein Pferd.
Das leise Schnauben ließ Sydney erstarren. Dieser Augenblick bot ihr die letzte Möglichkeit zum Entkommen. Entschlossen trat sie um sich und warf sich auf seiner Schulter herum.
Damian geriet kurz aus dem Gleichgewicht. Diese kleine Hexe war fuchsteufelswild und zerrte an seinen Nerven. Er warf die Fackel eine Armeslänge von sich auf die Erde und ließ Sydney von seiner Schulter gleiten. Die Rundungen, die dabei an seinem Oberkörper entlang glitten, blieben ihm dabei keineswegs verborgen. Sie erinnerten ihn einmal mehr daran, dass diese Wildkatze seine Braut war.
Sydney versuchte den Abstand zwischen ihnen zu vergrößern, doch Damian hielt ihren Arm umfangen. Wütend blitzte sie ihn an und stille Faszination ließ sie ihr Urteil über die Farbe seiner Augen revidieren. Dunkel, wie flüssige Schokolade, funkelte er sie an; eine deutliche Warnung lag in seinem Blick. Sydney schluckte.
Damian löste seine Hand von ihrem Arm, um auf das Pferd zu steigen, und Sydney reagierte. Es war ihr einerlei, dass er ein Pferd hatte. Die Hauptsache war, dass sie überhaupt fliehen konnte.
Damian sah ihr nach. Ein verschlagenes Grinsen erschien auf seinem Gesicht und er trieb Schara’k an. Schnaubend fiel das Pferd in einen sauberen Trab. Trotz der nächtlichen Dunkelheit war jeder Schritt sicher gesetzt; zu oft war er mit Schara‘k diese Wege geritten.
Sydney konnte ihr Glück kaum fassen. Sie stolperte auf die Lichtung und erblickte die Silhouette der Hütte vor sich. Sie rannte los. Ihre einzige Chance war es, die Tür zu erreichen und zu Jack zu gelangen, damit er ihr helfen konnte. Sie hatte zuvor nicht den Eindruck gehabt, dass es ihm gut ging.
Zwanzig Meter trennten sie von ihrer Rettung. Hinter sich hörte sie das Donnern der Hufe. Jeder Atemzug brannte in ihren Lungen und die Angst, es nicht zu schaffen, machte sie schier verrückt.
Zehn Meter.
Fünf.
Plötzlich ging ein Ruck durch ihren Körper, der ihr die Luft zum Atmen nahm. Damian zügelte sein Pferd, zog sie bäuchlings vor sich auf den Sattel und ließ Schara’k wenden. Strähnen ihres langen Haares hingen ihr ins Gesicht und mit neuem Entsetzen sah Sydney, wie die Hütte aus ihrem Blickfeld entschwand.
Die Bäume rauschten an ihr vorbei. Der Fremde sprach kein Wort. Geschickt lenkte er das Pferd zwischen die Bäume hindurch. Ganz so, als wüsste er auch blind den Weg.
Sydney war verwirrt. Wer war er? Was wollte er?
Sie richtete den Blick nach vorne, vorbei an dem mächtigen Pferdehals, und der Atem stockte ihr. Was ging hier vor? Der Fremde ritt mit ihr auf den Schleier zu, den sie mit Jack untersucht hatte. Ängstlich kniff sie ihre Augen zu.
Eiseskälte durchströmte ihren Körper und das Pferd zitterte, als wollte es etwas abschütteln. Sie öffnete ihre Augen und sah, dass der Morgen dämmerte. Erste Sonnenstrahlen linsten am Horizont zwischen die Bäume hindurch. Die Luft roch frisch und still lag der Wald vor ihnen. Nebel waberte über den Boden und dämpfte den Hufschlag. Ein Rabe krächzte. Als Sydney einen Blick zurück warf, verblasste der silbrige Schimmer bereits wieder zwischen den Bäumen.
Sie ritten noch etwas weiter, ehe ihr Entführer das Pferd zum Stehen brachte und geschmeidig hinabglitt. Dann griff er nach ihr.
Er strich ihr sanft die Haare aus dem Gesicht und Sydney blickte zu ihm auf.
Sie stand dicht bei ihm und nahm schwach den Geruch von Männerschweiß wahr. Seine Haut war gebräunt und er blickte mit einer Intensität auf sie herab, die Sydney nervös schlucken ließ. Strähnen seines Haares hatten sich aus seinem Zopf gelöst und wehten ihm ins Gesicht. Für einen Sekundenbruchteil