Seemannsschicksale aus Emden und Ostfriesland – erlebte Geschichten rund um die Seefahrt. Jürgen Ruszkowski

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Seemannsschicksale aus Emden und Ostfriesland – erlebte Geschichten rund um die Seefahrt - Jürgen Ruszkowski

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siebenstündiger „Dunkelhaft“ dann endlich aus dem „Deckshaus-Knast“ gelassen und mit Stricken aneinandergefesselt in langer Reihe zum Achterschiff geführt. Meine Leidensgenossen waren inzwischen schon ziemlich „fertig“; die voreiligen Kommentare von morgens („Die schaffen mich nie!“, „Ich zahl' für diesen Scheiß doch nix!“, „Dat is' doch Kinnerkrom und Geldschneiderei!“ etc. pp) waren inzwischen längst verstummt! Wir wurden nun unter mehr oder weniger derben „Püffen und Schlägen“ auf Luke 3 (Achterkante Aufbauten) verbracht und mussten uns dort - Gesicht Richtung Aufbauten - auf die Knie werfen. Um unter „Neptuns“ Blicken würdig bestehen zu können, wurden wir in dieser Lage von unseren „Wächtern“ - die sämtlich schon gut „angeschickert“ waren - erstmal richtig „gesalbt“; d.h., mittels Farbrollen mit einer Mischung aus Altöl, Farbe, Bilgendreck, Graphit usw. „wunderschön“ eingeschmiert! Es war bestimmt ein herrliches Bild; Proteste gab es kaum noch, wir hatten uns ziemlich alle mit unserem Schicksal abgefunden und warteten auf das Ende der Quälerei... aber... nun ging's ja erst los!

      Es war ca. 16:00 Uhr, als die Schiffs-Sirene mit einem langen etwa einminütigen Dauerton aufheulte. Wir bekamen noch jeder ein paar lockere „Peitschenhiebe“ von den Negern und wurden mit lautem Gebrüll' belehrt, dass wir nun just den Äquator passierten und seine Majestät Neptun samt Gefolge sich die Ehre gäbe, unser (noch) dreckiges Schiff zwecks Inspektion zu betreten!

      Vorne auf der Luke waren eine Art großer und kleiner Thron sowie ein imposantes Stehpult aufgebaut. Das Schiff war auch sonst prima dekoriert; überall bunte Fahnen und Wimpel, bemalte Planen etc., natürlich ebenfalls „über die Toppen“ geflaggt usw.!

      Von der Steuerbord-Seite erschien nun zuerst unser Kapitän in voller „blau-goldener“ Uniform (mit Mütze und Schlips) und begab sich gemessenen Schrittes und mit „würdigem“ Gesichtsausdruck über eine angelegte breite Holztreppe auf die Luke. Ein Neger in seinem Schlepptau trug ein kleines hölzernes Schiffs-Steuer und baute sich hinter dem Alten auf. Von der Backbord-Seite rollten jetzt das Herrscherpaar Neptun und Thetis mit ihren „Mannen“ an! Es war ein wahrhaft erhebender Anblick; ich versuche, eine einigermaßen plastische Beschreibung der Kostümierung der einzelnen Akteure hinzubekommen!

      NEPTUN, in langes grau-grünes Sackleinen gehüllt, gegurtet mit „Fisch-Schwänzen“, Schwimmflossen an den Füßen, langes grünliches Haupthaar mit Silberkrone, langer wallender Bart und mit dem mannshohen obligatorischen „Dreizack“ als Zeichen seiner Würde in der linken Hand; ... THETIS, schnuckelig in weißem Laken, langes Blondhaar mit kleinem Goldkrönchen, Riesen-Busen, schön grell geschminkt, barfüßig mit angemalten Nägeln; ... der PASTOR, in langem schwarzem Talar mit weißem Kragen und schwarzem Barett mit aufgemaltem Kreuz, unterm Arm eine riesige hölzerne „Bibel“; ... der DOKTOR, ganz in weiß, Hose, Kittel, großes Stethoskop um den Hals, riesiges Okular um die Stirn, mittlerer Gummihammer in der Kitteltasche; ... sein Pfleger, ebenfalls in weiß mit rot-verschmierter („Blut“) Schürze und diversen Instrumenten wie Hämmer, Zangen etc. am Gürtel;... der STERNGUCKER, hoher spitzer Hut, langer Umhang mit weiten Ärmeln, alles in blau mit aufgeklebten goldenen Sternen, Riesen-Teleskop (Pappe) um den Hals; ... der SCHMIED, bärtig, Cowboy-Hut, lange Lederschürze, „bewaffnet“ mit Hammer und Brenn-Eisen; ... der FRISEUR, weißer Umhang, riesiges (Holz-) Rasiermesser und Pinsel; ... und die beiden TÄUFER, große kräftige Kerle, rotbraun angemalt, in Badehose; ... es war schon eine illustre „Schar“!

      Der „Alte“ begrüßte Neptun nun ganz herzlich mit einigen markigen Sätzen und versicherte ihm, dass er und seine Besatzung sich von seinem Besuch sehr geehrt fühlten! Für die Zeit der Inspektion übergab der Kapitän dem Meeresgott das Kommando über die BARBARA; als äußeres Zeichen dafür überreichte der Neger dem Neptun symbolisch das Holz-Steuer. Neptun bedankte sich beim Kapitän und machte ihm klar, dass bei der jetzt folgenden Äquator-Taufe das wichtigste für ihn und seine Mitarbeiter der prompte und stetige Getränke-Nachschub sei!

      Die ganze „Tauf-Gang“ war inzwischen schon gut „unter Dampf“; Neptun befahl seinen „Mannen“: „Auf Station!“ und nahm auf seinem Thron Platz, seine Thetis setzte sich neben ihn auf ihr „Thrönchen“. Der Pastor sprach nun noch ein paar Worte zu uns „Ungetauften“ und sparte dabei nicht mit Kraftausdrücken; dann mussten wir uns wieder flach auf den Bauch legen.

      Die richtige „Folter-Arie“ konnte nun beginnen.

      Man muss sich die ganze Zeremonie nun etwa wie einen Hindernis-Lauf mit mehreren Hindernissen unterschiedlicher Schwierigkeit (Stationen) vorstellen.

      Da ich in nächster Zukunft wieder auf Wache musste, hatte ich die Startnummer eins. Außerdem muss ich gestehen, dass man mich zwar nicht gerade mit Samthandschuhen anfasste; ich hatte aber den Eindruck, dass ich im Gegensatz zu einigen anderen Täuflingen etwas milder behandelt wurde. Es könnte damit zu tun gehabt haben, dass ich als F.O./Verwalter u. a. verantwortlich für die Heuer-Vorschüsse und Kantine war; einige der Akteure hielten sich da bei mir wohl ein kleines bisschen zurück. Zudem hatte ich (wie vorher erwähnt) selbst schon einen guten „Glimmer“, so dass mich das alles nicht sonderlich „juckte“!

      Auf das Kommando des Pastors „Ab zur Taufe!“ wurde ich von zwei Polizisten hochgerissen und zur 1. Station geschleift. Es war ein ca. 4 m langer an beiden Enden offener leinener „Windsack“ von ca. 75 cm Durchmesser, da musste ich nun erstmal durchkrabbeln. Als ich bäuchlings voraus darin verschwunden war bekam ich von achtern mittels eines Deckwasch-Schlauches einen satten Strahl Seewasser, von oben und von den Seiten gab es Hiebe und Tritte und von vorne kam noch ein nicht ganz so harter Wasserstrahl. Ich will nicht gerade behaupten, dass ich „in Panik“ kam, aber das Wasser stieg ziemlich schnell und es stellte sich schon eine gewisse Platzangst bei mir ein. Jetzt zahlte sich die militärische Ausbildung der „Gangarten“ beim Bund aus - ich robbte ziemlich schnell durch den Sack!

      Am anderen Ende wurde ich von den Polizisten sofort wieder beidseitig geschnappt und es folgte die (übrigens bei jeder Station obligatorische) Frage: „Was schreibst du freiwillig?“ Das hieß soviel wie: Wie viele Flaschen Bier gibst du „freiwillig“ aus - wenn du zu geizig bist, wird diese Station wiederholt! ½ Kiste war hier mein Obolus, es wurde dem Pastor zugerufen, er notierte penibel!

      Nun ging's mit Eskorte zügig weiter zur zweiten, der Krankenstation mit Doktor und Sanitäter. Ich musste mich auf eine aus Stauholz grob zusammengezimmerte Pritsche setzen, dann begann der Doktor mit der „General-Untersuchung“. Er klopfte mich erstmal mit seinem Gummihammer von den Füßen bis zum Hals nicht sonderlich zärtlich ab, seine Kommentare dazu waren auch nicht gerade als akademisch zu bezeichnen: „Scheiß-Reflexe, zu fett, Saufleber usw.“ Der „Pfleger“ hatte mir inzwischen die Hände auf dem Rücken zusammengebunden, in meiner derzeitigen Lage nahm ich das gar nicht bewusst wahr! Nun nahm sich der liebe Doktor mit Hilfe seines Pflegers meinen Kopf vor; die Ohren wurden schön mit „Staucherfett“ vollgeschmiert, die Nase etwas hin und her gebogen und alle (außer mir) hatten furchtbar viel Spaß!

      Der „Arzt“ war wirklich sehr um meine Gesundheit besorgt, deshalb musste ich auch noch meine Medizin schlucken. Die wurde nun in Form einer „Pille“ in der Größe einer kleinen Frikadelle „verabreicht“. Der Pfleger drückte mir links und rechts mit beiden Händen die Kiefer auseinander und der nette „Doc“ schob mir die „Pille“ zwischen die Zähne. Es war fürchterlich, ich konnte mich nicht wehren und musste die „bittere Medizin“ schlucken, besser gesagt „runterwürgen“.

      Sie schmeckte grauenhaft; laut späterer Aussage des Kochs bestanden die „Tabletten“ aus durchgedrehten Fischabfällen, Sägemehl, viel Salz, Pfeffer, Tabasco und div. anderen „Indrigenzien“; nur mein gesunder Magen und die vorherigen vielen „Scotch“ ersparten mir sofortiges Erbrechen.

      Was nun folgte, war (im Nachhinein überdacht) eigentlich das „perfideste“ an der ganzen Taufe. Ich hatte – Gott sei Dank - diese „Kiste“ während der Vorbereitungen durchschaut und wusste,

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