Seemannsschicksale aus Emden und Ostfriesland – erlebte Geschichten rund um die Seefahrt. Jürgen Ruszkowski

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Seemannsschicksale aus Emden und Ostfriesland – erlebte Geschichten rund um die Seefahrt - Jürgen Ruszkowski

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bis zum Boden abgedecktem Bohlentisch der „Schmied“ und hantierte mit einem langen Brenneisen, das am Ende die Form eines kleinen Kreuzes hatte und in einem alten mit glühender Holzkohle gefüllten Ölfass heiß gehalten wurde. Ein Neger assistierte ihm. Ich war inzwischen von unseren „Medizinern“ mit meinen gefesselten Händen bäuchlings auf die Pritsche gedreht worden, Kopf nach unten ohne Sicht zum Schmied. Der lief nun mit dem rot glühenden Brenneisen vor meine Pritsche, fuchtelte mir mit dem Eisen vorm Gesicht herum und erklärte sinngemäß, dass ich unwürdiger, dreckiger, nichtsnutziger Schmierfink nun das „Kreuz des Südens“ auf alle Ewigkeit in den A... (Hintern) gebrannt bekommen würde.

      Dann trat er aus meinem Blickfeld hinter mich, die Badehose wurde mir über die Hinterbacken gezogen und dann verspürte ich einen heftigen Schmerz auf meiner rechten Po-Backe; es zischte ordentlich und ich brüllte „pflichtgemäß“.

      Trotz meines „Insider-Wissens“ war ich etwas geschockt, die anderen „Deliquenten“ versicherten anschließend glaubhaft, sie hätten in dem Moment geglaubt, sie wären „gebrannt“ worden.

      Hinter seinem Tisch hatte der Schmied noch ein identisches Eisen in einem Eimer mit Eiswasser verborgen, das eiskalte Eisen wurde dem Täufling auf die Hinterbacke gedrückt, gleichzeitig hielt der Neger das heiße Eisen in ein mit einem Öl/Wasser gefülltes Gefäß, so dass es schön zischte und nach verbranntem Fett stank. Ob man nun ein eiskaltes oder glühend heißes Teil auf die nackte Haut gesetzt bekommt, der erste ans Gehirn gegebene Reflex ist der gleiche: Schock-Schmerz! Wenn dann noch Zischen und Gestank hinzukommt, meint jeder, er hätte wirklich ein Brandzeichen erhalten! Es war schon eine wirklich gemeine Geschichte! Nach der „Frage“ schrieb ich freiwillig 1 und ½ Kiste, der Pastor notierte!

      Hose übern Hintern und weiter ging's zum Sterngucker! Dort wurde ich auf einen Hocker gesetzt, der Sterngucker stülpte mir einen nach oben offenen Glaskasten über den Kopf, der am Hals mit einer Gummi-Manschette zugezogen wurde. Nun musste ich nach oben zum Himmel gucken und bekam das große „Papp-Teleskop“ abwechselnd mit der Frage vor die Augen gehalten, ob ich denn wohl das „Kreuz des Südens“ sehen würde. Gleichzeitig wurde Wasser in den Glaskasten gekippt, welches nun langsam über Mund und Nase stieg. Da kam schon etwas Panik auf; ich sah jede Menge „Sterne“ und konnte nur „Zwei Kisten!“ prusten, der Pastor notierte!

      Inzwischen herrschte an Deck natürlich reges Leben, Geschrei und Gelächter; es ging „Zug um Zug“, alle bereits hinter mir liegenden Stationen hatten weitere Täuflinge „in der Mangel“. Es lief nun wie am Fließband, die „schwer arbeitenden“ Akteure wurden immer lustiger, der Getränke-Nachschub lief wohl gut. Unser 1. Offz. kreiste um die Truppe wie ein Schäferhund um seine Herde und hatte ab und zu seine liebe Not, die Täufer von zu „harten“ Aktionen abzuhalten bzw. zu bremsen.

      Ich war inzwischen ziemlich „fix und alle“ und musste jetzt auf die Luke zum Friseur. Der hatte seinen Stuhl am Ende der Luke aufgebaut, direkt hinter ihm zwischen Luke 3 und 4 war das Taufbecken.

      Es war ein ca. 2,50 x 2 m und ca. 1,50 m hohes aus Latten zusammengezimmertes und mit Persenning ausgekleidetes mit Seewasser gefülltes Bassin. Die Ladebäume von Luke 4 waren so gestellt worden, dass eine Rolle mit einem „Tampen“ (Tau) direkt darüber hing.

      Ich musste mich nun auf den Friseurstuhl setzen, Rücken zum direkt dahinter unten aufgebauten Taufbecken. Der Friseur klatschte mir meine Haare und mein Gesicht nun so richtig schön mit beißendem Seifenschaum voll und begann dann seine recht schmerzhafte „Holzmesser“-Rasur.

      Inzwischen war ich durch die vorhergegangenen Strapazen ziemlich „willenlos“ geworden und sah die Umgebung nur noch wie durch einen Schleier. Dass mir während der Barbiererei ein Strick um den rechten Fuß gebunden wurde, bekam ich gar nicht richtig mit. Nachdem ich die obligatorische Frage mit „1 Kiste“ beantwortet hatte, stieß mich der Friseur rücklings von meinem Stuhl ins Taufbecken.

      Die beiden „baumlangen“ Täufer nahmen mich „freundlich“ in Empfang und tauchten mich erstmal kopfüber unter Wasser. Obwohl ich auch recht kräftig proportioniert bin, war wehren zwecklos. Als ich es kurz versuchte, fing mein rechtes Bein auf einmal an, nach oben zu schweben. Der an ihm befestigte Tampen lief über die oben hängende Rolle, ein seitlich postierter Neger brauchte nur kräftig zu ziehen; ich war völlig hilflos, würgte und spuckte und hing mit den Beinen nach oben wehrlos im Wasser. Es war die Hölle, ich konnte nur eine Hand mit ausgestreckten zwei Fingern (zwei Kisten!) nach oben halten; gnädigerweise ließ man es dann dabei bewenden!

      Ausnahmslos alle Täuflinge waren spätestens hier im Taufbecken mit ihrem evtl. noch vorhandenen Widerstand am Ende! Hier wurde uns bewiesen, dass wir „zerbrochen“ waren und das taten (bzw. „schrieben“) was die Täufer wollten, der eigene Wille war weg!

      Am schlimmsten traf es unseren 2. Ing., einen Kerl wie ein Bär. Er hatte vorher am meisten „rumgetönt“, dass von ihm nicht eine Flasche Bier zu erwarten sei; im Becken „schrieb“ er alles, was man von ihm wollte. Die vielen zusammengekommenen Kisten Bier brauchten anschließend natürlich nicht alle bezahlt werden und wurden auf ein vertretbares Maß zusammengestrichen, aber uns Täuflingen wurde damit nur klargemacht, dass wir voll in „Neptuns Hand“ waren!

      Nachdem man mich nun endlich aus dem Taufbecken entlassen hatte, musste ich noch (fast kriechend) zum Herrscherpaar, dem ich nach „bestandener“ Taufe die Reverenz erweisen musste. Thetis knallte mir „huldvoll“ welche um die Ohren und ich muss ihr die dick mit Staucherfett eingeschmierten Füßchen küssen. Neptun freute sich und nuckelte „hoheitsvoll“ an seiner Bierflasche.

      Zu guter letzt wankte ich noch zu dem hinter seinem Podest stehenden Pastor. Der beschied mir nun: „Hiermit taufe ich Dich auf den Namen „Qualle“!“ (Jeder Täufling bekam einen Fischnamen, mit meinem musste ich nun leben!)

      Des Pastors letzte Amtshandlung bestand dann darin, mich das während der Zeremonie aufgelaufene „Bier-Ticket“ unterschreiben zu lassen und mir dann noch die „Holz-Bibel“ leicht auf den Schädel zu donnern.

      Das war's dann, ich war entlassen!

      Selten hat mir eine kalte Flasche Bier so gut geschmeckt wie die erste nach dieser „Tauf-Tour“!!!

      Bis alle „Brüder im Leid“ getauft waren, verging noch einige Zeit. Beim Zuschauen waren die Strapazen bald vergessen, der Mensch ist ja von Haus aus schadenfroh.

      Abends fand dann an Deck eine Riesen-Äquator-Party statt; Grill und Getränke vom feinsten; Ausgabe der Taufscheine, Shanty-Gesänge, deftige „Storys“ wurden „vertellt“ und die ganze Crew war „ HAPPY“!

      .-.-. --... ...-- ...-.-

      Geschichten aus der Seefahrt, by: Udo Tjardes „Paletti“

      Geburtstag in Tokio – 28. August 1972

      Seit etlichen Tagen lagen wir mit dem Kühlschiff „POLAR URUGUAY“ im Hafen von Tokio und löschten gefrorenen Fisch, den wir teils in Las Palmas auf Gran Canaria bzw. Spanisch-Sahara von etlichen großen japanischen Fischfabrik-Schiffen“ und von kleinen japanischen Fischtrawlern übernommen hatten. Außerdem hatten wir in den unteren Kühldecks noch ca. 2.000 tons Gefrierhähnchen aus Bulgarien zu löschen.

      Da hier an der Kühlpier nur am Tage von 07:30 bis 16:30 Uhr gearbeitet wurde, ergaben sich natürlich entsprechend lange Liegezeiten, von denen in der heutigen hektischen Seefahrt Seeleute höchstens mal träumen können!

      Ich selber fuhr hier schon über ein halbes Jahr als

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