Seemannsschicksale aus Emden und Ostfriesland – erlebte Geschichten rund um die Seefahrt. Jürgen Ruszkowski

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Seemannsschicksale aus Emden und Ostfriesland – erlebte Geschichten rund um die Seefahrt - Jürgen Ruszkowski

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ca. 8.000 Seemeilen „Stiller Ozean“ lagen vor uns.

      Die normale Bord-Routine stellte sich nun ein; man ging seine vorgeschriebenen Seewachen, der „Dampfer“ rollte ganz sanft in der pazifischen Dünung, die allgemeine Stimmung war gut. Wir waren eine rein deutsche Besatzung, d.h., in irgendeiner Kammer war abends „Party“ angesagt; und Andy verwöhnte „seine Passagiere“ nach besten Kräften so gut, wie es auf einem Frachter eben möglich war.

      Normalerweise besuchte Andy mich nach seinem Feierabend so gegen 19:00 Uhr zu einem kleinen „Klönschnack“ bzw. einem kleinen „Scotch vom Feinsten“ in der Funkbude bzw. angegliederten Kammer; ich musste abends meist noch die letzte zweistündige international vorgeschriebene Hörwache absolvieren, und man gönnte sich ja sonst nichts!

      Eines Abends zur gewohnten Zeit kam Andy in einem vollkommen außergewöhnlichen Zustand zu mir auf Kammer; schneeweißes todernstes Gesicht und „geladen“ bis über die Ohren. So hatte ich Andy noch nie erlebt. Er war total sauer und stinkig, stand kurz vorm „Platzen“ und war offensichtlich froh, in mir jemanden zu haben, bei dem er seine Probleme loswerden konnte.

      Ich beruhigte ihn erstmal ein wenig, und dann legte er los: „Udo, stell' Dir das bloß mal vor, dieses dumme Schwein von Chief-Mate macht mich beim Abendessen vor dem Alten und den Passagieren im Salon wegen eines angeblichen Fehlers beim Service an; er wollte wohl witzig sein und meinte in seiner bekannt arroganten Art, ich hätte meinen Beruf wohl in einer „Fischbratküche auf dem Kiez“ gelernt - gerade diese Pfeife hat's nötig; der A... weiß doch nicht mal, wie man Messer und Gabel richtig hält..., aber das zahl' ich ihm heim, das wird er noch bereuen! Du hast doch ein gutes Verhältnis zum Alten, bitte schlag' ihm doch mal vor, dass wir am Wochenende für unsere Passagiere ein spezielles „Äquator-Essen“ veranstalten könnten, im Salon, mit diversen Gängen, Speisekarten etc. und allen Schikanen. Der Scholz bekommt sein Fett, aber auf meine Art!“ ... Nachdem ich Andy zugesichert hatte, dass ich mich beim Kapitän für seinen Vorschlag einsetzen würde, wurde er langsam wieder er selbst.

      Am nächsten Morgen - beim obligatorischen „Coffee-Time“ ca. 10:00 Uhr auf der Brücke - sprach ich den Alten so „ganz nebenbei“ auf ein „Äquator-Essen für unsere Passagiere“ an; unsere Fahrgäste seien doch alles liebe Menschen, sie hätten doch mal eine schöne Abwechslung verdient; für jeden gäbe es eine hübsche Speisekarte als Souvenir; außerdem kämen unsere in irgendwelchen Backskisten versteckten „Schätze“ wie altes Porzellangeschirr, Silberbestecke und schwere Tischdecken mal wieder zur Geltung..., nicht zu vergessen die Werbung für die Reederei, Mundpropaganda etc. pp.; ich machte unserem Kapitän Andys Idee so richtig schön schmackhaft!

      Nachmittags war der Alte schon Feuer und Flamme für das „Passagiers-Diner“; er hielt es nun für eine ganz hervorragende Sache und gab mir offiziell Order, zusammen mit dem Koch und dem Chief-Steward das „Fest-Essen im Salon“ zu organisieren.

      Unseren wirklich ausgezeichneten Koch Bruno konnte ich dann auch für die Idee begeistern; er fühlte sich richtig gefordert, außerdem sollten dabei für ihn und den Bäcker etliche Überstunden 'rausspringen. In den nächsten drei Tagen hatten Andy, Bruno und ich also allerhand zu tun; abends war regelmäßig „Meeting“ bei mir; das Menü musste zusammengestellt, die Speisekarten individuell für jeden Passagier entworfen, geschrieben und bemalt werden usw. usw. Im Rahmen unserer für ein Frachtschiff beschränkten Möglichkeiten ließen wir uns schon eine ganze Menge einfallen.

      Andy war nun so richtig in seinem Element und zog alle Register seiner langjährigen Hotel-Erfahrung. Das „Fünf-Gänge-Menü“ wurde so „komponiert“, dass möglichst alle im Salon zur Verfügung stehenden Utensilien (div. Gläser, edles Besteck und Geschirr etc.) eingesetzt werden konnten.

      Die Menü-Karten waren in Englisch abgefasst und eindrucksvoll mit vielen französischen Ausdrücken gespickt, die Übersetzung kostete einiges an Gehirnschmalz. So ganz genau bekomme ich das Festmahl nicht mehr zusammen, dafür ist die Geschichte zu lange her, meiner Erinnerung nach lief es aber in etwa wie folgt ab:

      1.) Vorspeisen - Shrimp-Cocktail - diversen gekochten Ei-Hälften mit Sardellen, Oliven etc. - frische Brötchen und Toast - diverse Salate - Leber-Pastete;

      2.) Klare Fleischbrühe mit „Bällchen-Einlage“;

      3.) Hauptgang – „Steak-Surprise“ – Folien-Kartoffel mit Sauer-Rahm – gemischtes Gemüse; wahlweise Schollen-Filet – gebratene Kroketten - Reis – gemischter Salat – dazu natürlich etliche Saucen von „höllisch-scharf“ bis mild; Wein / Getränke nach Wahl;

      4.) Dessert – Vanille-Eis mit heißen Himbeeren bzw. Sahne-Pudding mit Schoko-Soße;

      5.) „Absacker“ Mocca/Kaffee - Kekse - Cognac.

      Als für den Proviant verantwortlicher „Speckschneider“ hatte ich natürlich bei dieser Fress-Arie (an welcher persönlich teilzunehmen ich leider wegen fehlender Goldstreifen „nicht die Ehre“ hatte) einiges in der Kombüse als „Vorkoster“ zu tun. Dort gab's viel Spaß, mir läuft beim Erzählen noch das Wasser im Mund zusammen.

      Nun, es war Sonnabend irgendwo im Süd-Pazifik und der große Abend für Andy war endlich angebrochen. Spätnachmittags zeigte mir Andy noch den „aufgebackten“ (d. h. eingedeckten) Salon. Es war ein überwältigender Anblick: Auf den drei großen im Karree angeordneten Esstischen lagen schwere weiße Damast-Decken, die Anrichte bog sich fast unter dem feinen Geschirr, um die einzelnen Gedecke waren reichlich Silber-Bestecke aller Art angeordnet, Kerzen und polierte Gläser aller Sorten gaben ein festliches Aussehen. Unser Chief-Steward konnte ehrlich stolz auf sein Werk sein!

      Um 19:00 Uhr war dann der Beginn der Party!

      Da ich ja selber nicht an diesem ereignisreichen Essen teilnahm, kann ich den Verlauf dieses Abends nur vom „Hörensagen“ schildern. Andy hat mir seinen „Rache-Feldzug“ gegen Chief-Mate Scholz natürlich anschließend brühwarm erzählt; aber außerdem haben mir der Kapitän und der 1. Ingenieur im nachhinein ebenfalls bestätigt, dass der Abend so abgelaufen wäre und sie beide selten im Leben so einen Spaß gehabt hätten. Schadenfreude spielte dabei sicher die größte Rolle!

      Es ging also los. Andy war ganz in weiß gekleidet, ein Messe-Steward aus der Offz.-Messe (auch gelernter Kellner) assistierte beim Service. Die „Drei Eisheiligen“ begaben sich in den Salon, natürlich in „schlicht goldener Uniform mit blauen Streifen“; die lieben Passagiere in ihrem besten „Zwirn“ wurden von Andy mit launiger bayrisch-englischer Konversation auf ihre Plätze bugsiert; das „große Fressen“ konnte beginnen!

      Andy schenkte erstmal diverse Weine ein, dann servierte er gekonnt die erste Vorspeise (Shrimp-Cocktail) und wünschte „guten Appetit“ in Deutsch, Englisch und Französisch.

      Er sprach leise und sehr höflich mit allen anwesenden Gästen, in dieser Form sprach er dann auch seinen „Intimfeind“ an. „Herr Scholz, ich sehe schon, Sie kommen mit dem Besteck für das „Hors d'oeuvre“ nicht so ganz klar, aber das ist doch wirklich kein Problem, die Bestecke sind so angeordnet, dass man fast nichts falsch machen kann..., na ja, woher sollen Sie es auch wissen, Moment, ich zeige Ihnen, wie es geht!“ Alles grinste verschämt, der „Erste“ versuchte, Andys Belehrungen mit einem gequälten Scherz zu übertünchen, aber er hatte bereits rote Ohren!

      Es ging weiter. Bei der Suppe teilte Andy unserem Chief-Mate leise (aber immer höflich) mit, dass er doch den richtigen, dafür vorgesehenen Löffel nehmen solle. Alle Anwesenden machten natürlich Fehler bei der Besteckwahl, aber das wurde von Andy souverän übersehen.

      Andy machte ganz gekonnt den Chief-Mate zum Tollpatsch! Der arme Herr Scholz hatte inzwischen die Farbe einer überreifen Tomate angenommen,

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