Geh heraus, mein Volk!. Daniel Seidenberg
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So spricht JAHWEH, welcher die Sonne zum Lichte bei Tage gegeben hat, die Ordnungen des Mondes und der Sterne zur Leuchte bei Nacht; der das Meer erregt, dass seine Wellen brausen, JAHWEH der Heerscharen ist sein Name: Wenn diese Ordnungen vor meinem Angesichte beseitigt werden können, spricht JAHWEH, dann soll auch der Same IsraEls aufhören, ein Volk vor mir zu sein! So spricht JAHWEH: Wenn man den Himmel droben messen kann und die Grundfesten der Erde drunten zu erforschen vermag, so will ich auch den ganzen Samen IsraEls verwerfen wegen alles dessen, was sie verübt haben, spricht JAHWEH. JirmeJahu 31:35-37
Die Irrlehre von den zwei Testamenten
Die christliche Theologie hat die Vorstellung geprägt, dass Gott zwei verschiedene Testamente gemacht habe. Eines für das alte IsraEl und eines für die Christen. Aufgrund dieses Konzepts bestehen christliche Bibeln aus zwei Teilen, dem sogenannten ‹Alten Testament› und dem sogenannten ‹Neuen Testament›. Der erste Teil, der rund drei Viertel des gesamten Buches ausmacht, besteht aus Schriften in hebräischer Sprache, welche sowohl den Juden als auch den Christen heilig sind, das restliche Viertel enthält Schriften in Griechisch, welche nur von den Christen anerkannt werden. Um diese deutlich voneinander zu unterscheiden, gibt es dazwischen jeweils eine besondere Seite mit dem Titel ‹Das Neue Testament›. Dieses dünne Blatt Papier markiert aber wesentlich mehr als nur eine Zweiteilung der Bibel. Es verkörpert die tief in christlichen Köpfen und Herzen verankerte Vorstellung, dass Juden und Christen, Gesetz und Gnade, IsraEl und die Gemeinde unvereinbare Gegensätze seien. ‹Neues Testament› und ‹Altes Testament› (AT/NT) sind wie in Stein gemeisselte, feststehende Begriffe christlicher Denkensart, die uns so vertraut sind, dass kaum noch jemandem auffällt, wie widersprüchlich sie im Grunde sind.
Das hebräische Wort ‹B’rith› bedeutet Bund. Als jüdische Gelehrte 200 Jahre vor Chr. den Tenach (AT) in die griechische Septuaginta übersetzten, gaben sie ‹B’rith› mit dem griechischen Begriff ‹Diateke› wieder, der sowohl Bund als auch Verfügung bedeuten kann. Wie dann Papst Damasus I. im Jahre 382 den ‹Kirchenvater› Hieronymus beauftragte, die ganze Bibel ins Latein zu übersetzen, der Sprache der römischen Kirche,[10] wählte jener anstelle von Diateke nun ‹Testamentum›, das sich, wie das verwandte Wort Attest, von ‹testare› (bezeugen) ableitet und wörtlich Zeugnis bedeutet. Es kann aber auch im Sinne von Bund bzw. Bundesbestimmung verstanden werden. Beides erscheint daher vielen Christen quasi dasselbe zu sein.
Ein Testament und ein Bund sind jedoch zwei völlig unterschiedliche Dinge. So erfordert ein Bund immer die Zustimmung von mindestens zwei Parteien, ein Testament dagegen verfügt einer allein, ohne Rücksicht auf die Zustimmung anderer. Ein Bund wird sofort wirksam, ein Testament jedoch erst wenn jener stirbt, der es erlassen hat. Ein Bund kann jederzeit erweitert oder erneuert werden, tritt dagegen das Testament einmal in Kraft, wird es endgültig und unabänderlich. In diesem Sinne hat die Kirche die Begriffe ‹Altes Testament› und ‹Neues Testament› entwickelt. Das ‹AT› sei Gottes letztwillige Verfügung für die Juden, das ‹NT› seine letztwillige Verfügung an alle Menschen – sprich, die Christen. Dieser Wortgebrauch wurde dadurch begünstigt, dass Scha-ul in seinem Brief an die Galater den Bund mit Avraham mit einem Testament vergleicht, um darzulegen, wie auch die Heiden Teilhaber am verheissenen Erbe werden können. Er betont jedoch ausdrücklich, dass dieser Vergleich stark hinkt, er wollte klarstellen, dass er nicht wörtlich zu verstehen sei, sondern nur dem besseren Verständnis dient:
Brüder, ich rede nach Menschenweise: Sogar eines Menschen Testament [wörtlich: diateke, Bund, Verfügung], wenn bestätigt, hebt niemand auf oder verordnet etwas dazu. Galater 3:15
Gemäss diesem Vergleich erhalten wir das Erbe nun aber gerade nicht durch ein neues Testament (bzw. Bund), sondern ausdrücklich durch das alte. Damit ist hier der allererste Bund überhaupt gemeint, der mit Avraham, der ja weiterhin voll gültig bleibt. Ein ‹Neues Testament› gibt es also gemäss Scha-uls Ausführungen ausdrücklich nicht:
Nun aber sind die Verheissungen dem Avraham und seinem Samen zugesprochen worden … Das aber sage ich: Ein von Gott auf den Maschiach hin zuvor bestätigtes Testament [diateke] wird durch das 430 Jahre hernach entstandene Gesetz [Bundesschluss am Horeb] nicht ungültig gemacht, so dass die Verheissung aufgehoben würde. Galater 3:16-17
Auch in Ebräer 9 wird von einem Testament gesprochen. Manche Gelehrte gehen davon aus, dass auch dieser Brief von Scha-ul stammt. Auch hier wird das griechische Wort Diateke im Sinne eines Testamentes verwendet, gleichzeitig aber auch auf dessen Bedeutung im Sinne von Bund angespielt:
Darum ist er [Jeschua] auch Mittler eines neuen Bundes [diateke], damit – nach Verbüssung des Todes zur Erlösung von den unter dem ersten Bund[11] [diateke] begangenen Übertretungen – die Berufenen die Verheissung empfingen. Denn wo ein Testament [diateke] ist, da muss notwendig der Tod des Testators [Erblassers] erwiesen werden; denn ein Testament tritt auf Todesfall hin in Kraft, da es keine Gültigkeit hat, solange der Testator lebt. Daher wurde auch der erste Bund [diateke] nicht ohne Blut eingeweiht. Ebräer 9:15-18
Doch, anders als in Galater 3, wird der Bund am Horeb hier als das erste Testament bezeichnet, und dem ‹Neuen Bund› als dem zweiten gegenüber gestellt. Und während in Galater der erste Bund bestehen bleibt und im ‹Neuen Bund› seine Erfüllung findet, heisst es in Heb.8:13, dass der erste Bund nun veraltet sei und bald verschwinden werde. Der Bund mit Avraham aber, den doch Scha-ul in Galater3 als Grundlage des Heils bezeichnet, wird hier überhaupt nicht erwähnt. Galater und Hebräer widersprechen sich also nicht nur, indem sie verschiedene Dinge als ersten, also ‹alten› Bund bezeichnen und damit unterschiedliche Vergleiche anstellen, sondern auch, weil sie die fundamentale Frage, durch welchen Bund wir denn nun eigentlich das Heil erlangen, unterschiedlich beantworten! Somit wird klar, dass die Begriffe ‹Alter Bund› und ‹Neuer Bund› keine festen Grössen sein können, sondern nur sprachliche Hilfsmittel, welche benutzt wurden, um Gedankengänge besser verständlich zu machen. Wie willkürlich die strikte Unterteilung der Bibel in ‹AT› und ‹NT› ist, erweist sich schnell anhand einiger Beispiele. Denn wo sollen wir die folgenden Ereignisse zuordnen – zum alten Bund bzw. Testament oder zum neuen?
Die Schöpfungsgeschichte.
Gehört sie zum alten oder zum neuen Bund?
Der Turmbau zu Babel.
Alter oder neuer Bund?
Jochanan der Eintaucher gilt als der letzte Prophet des ‹AT›
Warum steht seine Geschichte dann im ‹NT› und nicht im ‹AT›?
Gemäss Gal.4:4 lebte Jeschua «unter dem Gesetz».
Demnach gehörte seine Lebensgeschichte eigentlich ins ‹AT›.
Im zukünftigem Tempel wird wieder geopfert! (Hes.45-46)
Alter oder neuer Bund?
Der Versuch einer solchen Einteilung verursacht Kopfschmerzen. Es geht einfach nicht, denn die Kategorien ‹Altes Testament› und ‹Neues Testament› sind irreführend. Sie dienen nur dazu, die Trennung zwischen Juden und Heidenchristen in den Köpfen zu zementieren und Torah und Propheten abzuwerten, ausgerechnet den Teil der Bibel, welcher für Jeschua und seine Jünger immer ‹die heilige Schrift› und ihr allein gültiger Massstab war. Die NT-Texte müssen daher anhand des Tenach (AT) beurteilt werden – und keinesfalls umgekehrt, wie es die traditionelle christliche Theologie tut. Denn damit hat man Auslegungen und Meinungen nicht nur über die Schrift gestellt, sondern auch noch zur letztgültigen Offenbarung erklärt, die nicht mehr geprüft werden darf.