Anna Q und das Erbe der Elfe. Norbert Wibben
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Читать онлайн книгу Anna Q und das Erbe der Elfe - Norbert Wibben страница 11
»Ich hatte nicht wirklich erwartet, deine Kladde dort zu finden«, wendet sie sich direkt an den Schulleiter. »Siegfried Back hat sie schließlich erst gefunden, als er in die Anderswelt gewechselt war. Wie wir wissen, hat er sie später dort im Nebelwald entdeckt. Ich wollte aber sichergehen, dass er zwischenzeitlich keinen Weg hierher zurückgefunden hat. Doch alles in der Wohnung deutete darauf hin, dass er bereits viele Jahre nicht mehr dort gewesen ist. – Es ist kaum zu glauben, dass sich in unbewohnten Räumen eine derart dicke Staubschicht bilden kann. – Ich suchte nach Korrespondenz in der Ablage seines Schreibtisches. Doch darunter befand sich nichts, was uns neue Erkenntnisse verschafft hätte, bis auf …« Morwenna macht eine bewusste Pause, um die Spannung zu erhöhen. Sie greift in ihren weiten Umhang und zieht ein Papier heraus, das unterschiedlich weiß aussieht. »Das lag halb unter einem Buch, das von Sagen und Mythen handelt und ist im Laufe der Jahre etwas verblichen. Das schadet der Notiz aber nicht, die Siegfried Back darauf hinterlassen hat.«
»Was hat er geschrieben?« Anna wagt kaum, zu atmen.
»Bezieht es sich auf die Anderswelt?« Auch Iain klingt aufgeregt.
»Siegfried hat zwar eine Sauklaue, trotzdem ist seine Schrift lesbar. Er schreibt, dass er endlich einen Beweis gefunden hat, dass es die Anderswelt gibt. Er hat einen Zeitungsbericht gelesen, in dem ein Mann behauptet, dort gewesen zu sein. Siegfried schreibt, er will mit dessen Hilfe einen Versuch unternehmen, dorthin zu gelangen. Er hofft, damit eine Art Zeitreise in die Vergangenheit zu machen. Er verspricht sich Erkenntnisse darüber, die ihm in den geführten Auseinandersetzungen zu strittigen Fragen über historische Ereignisse einen Vorteil verschaffen. Dann wird er endlich von seinen Kritikern anerkannt werden müssen.«
Iain Raven nickt versonnen.
»Das passt zu allem, was wir bisher über diesen Mann ermittelt haben. Er war in Auseinandersetzungen mit anderen Wissenschaftlern nicht zimperlich, um seine Meinung zu vertreten. Dafür wurde er schließlich von allen ihren Kongressen ausgeschlossen. Dass er nach dem Wechsel in die unbekannte Welt nicht wieder hierher zurückfand, wäre eine Erklärung für sein mittlerweile bösartiges Wesen.«
»Das könnte passen!«, ist Morwenna überzeugt.
»Das rechtfertigt aber nicht, dass er andere Lebewesen tötet!« Anna zittert vor Empörung. »Auch wenn das keine Entschuldigung ist, könnte er beim Wechsel in die Anderswelt eine Wesensänderung erfahren haben. Das ist eine mögliche Nebenwirkung, wie wir von Ainoa wissen.«
Eine Erklärung
»Du sagtest, du willst dich melden!« Die krächzende Stimme ist zwar leise, aber Anna schreckt beim ersten Ton hoch. Nach der Unterhaltung mit Iain Raven und Morwenna Mulham war es spät geworden, trotzdem hatte sie sofort nach ihrer Rückkehr versucht, Kontakt zu ihrer Freundin aufzunehmen. Bereits im Aufrichten antwortet sie auf den leisen Vorwurf.
»Ainoa. Bitte glaube mir, ich habe das mehrfach probiert!« Im Zimmer ist es bis auf das geringe Mondlicht, das bleich durchs Fenster hereinscheint, dunkel. »Solus! Solus! SOLUS!«, versucht das Mädchen, eine Lichtkugel aufzurufen. Es möchte die Freundin besser erkennen, die als dunkler Schemen zu sehen ist, der auf der Rückenlehne des Schreibtischstuhls hockt. Annas dritter Ausspruch ist lauter als geplant.
»Mach nicht so einen Lärm!«, fordert die Elfe, die Freundin imitierend. »Denk an deine Zimmernachbarn. Du weckst sie sonst noch. Solus!« Dieses Mal erscheint ein Licht, das als Kugel zu Zimmerdecke schwebt.
»Hat mein Spruch jetzt eine verzögerte Wirkung?«
»Davon habe ich nie gehört. Nein, das Licht habe ich aufgerufen!« Ainoa plustert das Gefieder und klappert mit den Augendeckeln. »Bist du krank oder warum scheinen deine magischen Fähigkeiten plötzlich so schwach zu sein?«
»Wäre das eine mögliche Erklärung?« Anna schaut skeptisch zu dem schwarzen Vogel. »Ich fühle mich aber kein bisschen krank. Ich bin nicht fiebrig und habe keine Kopfschmerzen. – Halt. Aber etwas finde ich komisch. Noch im Sommer habe ich mehrfach Migräneattacken gehabt, seitdem jedoch nicht mehr. Sind meine magischen Kräfte dafür die Ursache? Dann muss ich damit rechnen, schon bald wieder unter diesen fürchterlichen Kopfschmerzen leiden zu müssen.« Der Kolkrabe legt den Kopf schräg.
»Ich kenne einen Grund, warum du keine weiteren Migräneanfälle hattest. Du hast sie erst seit wenigen Jahren gehabt, richtig? Also erst, seit du zehn bist? Das ist gut, dann wird meine Vermutung passen.«
»Jetzt spann mich nicht auf die Folter! Wie lautet deine Erklärung?«
»Du erinnerst dich doch bestimmt an das erste Mal, als ich dich mit in die Anderswelt genommen habe.«
»Natürlich. Das war das Aufregendste, das ich bis dahin erlebt hatte. Das vergesse ich sicher nie. – Aber ich dachte, die Besuche in eurer Welt seien die Ursache für meine wachsenden Zauberfähigkeiten.«
»Das meinte ich damit nicht. – Wie ging es dir nach dem ersten Wechsel dorthin?«
»Sau schlecht. Ich war sehr benommen und konnte mich nicht vom Lager aufrichten, zuerst nicht einmal sprechen oder die Augen öffnen. Du hast mir schließlich geholfen.«
»Genau. Und jetzt kommen wir zur Erklärung. Ich habe dir mit »Beatha« etwas von meiner Lebensenergie übertragen …«
»Du meinst?«
»Nein, oder, vielleicht doch, aber eher nur minimal.«
»Kannst du dich weniger verworren ausdrücken?«
»Hey, ich versuche das doch. Die übertragene Lebensenergie kann dir möglicherweise auch etwas geholfen haben, aber ich vermute eher, dass eigentlich »Renovo« dafür verantwortlich ist, der Erneuerungszauber. Den hatte ich abwechselnd mit der Übertragung von Lebensenergie über dich gesprochen.«
»Davon habe ich damals nichts mitbekommen. Ich erinnere mich aber, dass du diesen Spruch nutztest, nachdem du mich aus dem Stamm der Weide befreit hast, du weißt schon, im Tal des eiligen Wassers.«
»Daran erinnere ich mich. Aber worauf ich hinauswill, der »Renovo«-Zauber hat die Migräne vertrieben, soweit ich das beurteilen kann, für immer!«
»Hey, das ist dann ja ein Spruch, der in vielen Situationen von Vorteil ist.«
»Richtig. Er hilft, wenn ein erster magischer Sprung daneben gegangen ist, setzt Gegenstände und Lebewesen in einen vorherigen, unbeschädigten Zustand zurück …«
»… und richtet zerzauste oder verbrannte Federn …«
»…, wenn mir ein Feuerdrache zu nahe gekommen ist. Stimmt!« Die Freundinnen lachen leise, dann sendet Ainoa eine Korrektur. »Das könnte aber auch »Salvus« bewirkt haben, der Heilungszauber. Den hatte ich im Tal der Weiden zusätzlich auf dich angewandt. Wenn du nach deinem ersten Besuch in meiner Welt noch einen Migräneanfall hattest, dann habe ich dich unbewusst erst später geheilt.«
»Ich bin mir nicht sicher – aber das ist letztlich egal. Wichtiger scheint mir, herauszufinden, warum unsere Verbindung so schwierig zustande kommt. Liegt es an den schwindenden Zauberkräften auf meiner Seite? Denk nur an den misslungenen Versuch, eine Lichtkugel aufzurufen!« Die Freundinnen schweigen, grübeln über dieses Problem, kommen aber auf keine Lösung.
»Du