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zu bringen. Das ist nicht so einfach, da ich dadurch in den Bereich des Königs komme.« Alexanders nachdenkliche Stimme beweist, dass er diese Konzentrationsübung gut beherrscht.

      »Vergiss aber nicht, das muss immer wieder geübt werden, damit du nicht die Übersicht verlierst. Nur einen Stein im Blick zu halten kann schnell gefährlich sein.« Anna weiß, wovon sie spricht. Sie musste mehrfach mit Ainoa üben, bis sie durch die geänderte Perspektive beim Spiel nicht in einen Nachteil geriet.

      Der dritte Tag verläuft wie befürchtet. Obwohl sich Finn größte Mühe gibt und die Bedenkzeiten jeweils vollständig ausreizt, verliert er seine Partie. Ciana ist bereits lange vorher geschlagen. Somit ist ein erneutes Unentschieden gegen das örtliche Team ausgeschlossen. Trotzdem fiebern alle vom CC mit ihrer letzten Spielerin mit. Caitlin schlägt sich gekonnt. Manchmal schließt sie die Augen, offenbar, um sich besser konzentrieren zu können. Anna weiß, in dem Moment wird die Vertrauensschülerin zu einer ihrer Spielfiguren. Ob es an dieser besonderen Art der Konzentration liegt, weiß Caitlin hinterher nicht zu sagen. Sie ist völlig fertig, als sie schließlich den gegnerischen König mattsetzt.

      »Danke für deinen Hinweis, Anna. Ich denke, nur dadurch konnte ich den heimtückischen Fallen entgehen. Trotzdem fühle ich mich völlig erschlagen. Das mag daran liegen, dass ich einmal unvorsichtigerweise einen Turm auswählte, auf den ich mich konzentrierte. Du magst es glauben oder auch nicht. Als der von der gegnerischen Dame vom Feld gefegt wurde, drehte sich alles um mich. Ich flog in dem Moment quasi selbst durch die Luft.«

      »Das ist aber nicht möglich!« Anna versucht, Caitlin zu beruhigen, was völlig unnötig ist.

      »Das weiß ich natürlich«, bestätigt sie, »trotzdem hatte ich dieses überwältigende Gefühl.«

      Die Rückfahrt verläuft ruhiger als im Herbst. Viele der Spieler denken daran wie Innocent Green das Endergebnis verkündet hat. Es klang zwar zufrieden, aber ohne einen höhnischen Unterton.

      »Der Endstand lautet vier Siege für das Gastteam und acht für uns, bei drei Unentschieden.«

      »Wir danken für die freundliche Aufnahme und die fairen Spiele«, fasste Morwenna zusammen. »Und wir freuen uns auf den nächsten Wettstreit zwischen unseren Teams.« Besonders der letzte Satz baute die Spieler etwas auf, die keinen Punkt für das Team holen konnten. Sie nehmen sich vor, noch härter zu trainieren. Beim neuen Vergleichswettkampf soll es nicht an ihnen liegen, wenn der Gesamtsieg nicht für das CC verbucht werden kann.

      Anna versucht, während der Heimfahrt von Morwenna zu erfahren, was sie am ersten Wettkampftag zusammen mit Innocent unternommen hatte. Sie verlässt ihren Platz neben Robin und wechselt zur Teamleiterin. Darauf hat Roya offenbar nur gewartet. Bevor Anna sitzt, hat sie sich auf den verlassenen und noch warmen Platz gesetzt.

      »Morwenna, du hast mit Innocent dem eisigen Wetter in der Universitätsstadt getrotzt. Verzeih mir bitte, falls das neugierig klingt. Seid ihr nur ausgegangen oder verfolgtet ihr eine bisher unbekannte Spur von Siegfried Back?«

      Hellgraue Augen blicken wohlwollend durch große Brillengläser. Die hagere und kerzengerade gehaltene Gestalt ist nicht wie sonst in einen dunkelblauen Umhang gekleidet. Sie trägt wie vor Monaten auf den Inseln des Nordens einen grauen Tweedmantel, der mit einem feinen blauen Muster durchsetzt ist und mehr wärmt als der dünnere Umhang.

      »Du hast richtig vermutet, es ging um Siegfried Back. Aber davon berichte ich, wenn wir bei Iain Raven im Wohnzimmer oder Büro sitzen. Einverstanden?« Das Mädchen nickt und will zu seinem Platz neben Robin zurückkehren, als sie bemerkt, wer die Gunst des Augenblicks genutzt und ihn besetzt hat.

      »Aufgestanden, Platz vergangen!«, geht ihr durch den Kopf. Laut fragt sie: »Darf ich hier sitzen bleiben?« Die Bibliothekarin zieht erstaunt die Augenbrauen hoch.

      »Warum willst du nicht …?« Sie unterbricht sich, als sie den Grund mit eigenen Augen sieht. »Ich verstehe. Du darfst gern bei mir sitzen. Wenn du magst, können wir eine Partie Schach spielen. Ich möchte dabei zu gern versuchen, wie die geänderte Perspektive durch das Versenken in einen Spielstein die Auseinandersetzung beim Spiel beeinflusst.« Das Ergebnis ist offenbar zufriedenstellend, denn Morwenna ist begeistert. »Wow! Das ist eine geniale Vorgehensweise. Das müssen alle Teammitglieder zumindest versuchen!«

      Den Rest der Fahrt versucht Anna, möglichst viel von der Landschaft zu sehen. Überall liegt eine dicke Schneedecke. Bäume biegen sich unter der schweren Last oder sind bereits zu Schaden gekommen. Kurz vor dem Erreichen des Heimatbahnhofs versucht Anna, Ainoa zu kontaktieren. Sie konzentriert sich derart heftig, dass sie sogar die Fäuste ballt. Trotzdem gelingt ihr die Verbindung erst beim vierten Versuch.

      »Ich verstehe … schlecht«, vernimmt sie die krächzende Stimme der Elfe, die in der hiesigen Welt immer die Gestalt eines Kolkraben annimmt. »… ist seltsam. Bist … wieder zurück?«

      »Ich werde voraussichtlich in einer Stunde in meinem Zimmer sein. Komm bitte dorthin.«

      »… in deinem … komme.«

      Die Verbindung ist bereits wieder unterbrochen und trotz weiterer Versuche nicht erneut herstellbar. Schließlich gibt Anna auf. Sie hofft, dass die Elfe sie trotzdem verstanden hat. In Kürze wird sie wissen, ob das so ist. Sonst wird sie es erneut versuchen.

      Auch dieses Mal holt Iain Raven das Team vom Bahnhof ab. Er ist über das Ergebnis zwar etwas enttäuscht, freut sich aber trotzdem über die erzielten Punkte. Er weiß, für ein Team, dass sich erst vor wenigen Monaten gebildet hat, ist das Resultat gegen eine Mannschaft mit langer Tradition schon ein Riesenerfolg. Als Anerkennung gibt es heute ein gemeinsames Abendessen mit besonderen Leckereien.

      Die kleine Feier findet gegen achtzehn Uhr in einem abgetrennten Bereich des Speisesaals statt. Alle Teammitglieder sind eingeladen, unabhängig davon, ob sie gespielt oder moralische Unterstützung geleistet haben. Die Schüler haben bis dahin genug Zeit, sich angemessen umzukleiden. Morwenna wechselt ihre Tweetkleidung gegen die übliche Kluft mit Umhang, da der Tweet in den geheizten Räumen zu sehr wärmt.

      Anna wartet bis zum maximal möglichen Zeitpunkt in ihrem Zimmer auf die Elfe, die aber offenbar nicht alles gehört hat, was die Freundin ihr sendete. Sie könnte aber möglicherweise auch verhindert sein, so dass längeres Warten keinen Sinn macht. Um nicht zu spät zu kommen, hastet das Mädchen aus ihrem Zimmer, die Treppen nach unten und durch die Kälte draußen hinüber zum Internatsgebäude.

      Nach der kleinen Feier folgt Anna Morwenna und Iain in dessen Büro. Dort setzt sich das Mädchen neben die Bibliothekarin und lauscht wie der Schulleiter ihren Erläuterungen.

      »Innocent hatte den Hausmeister des Gebäudes ermittelt, in dem sich die Wohnung Siegfried Backs befindet. Außerdem schaffte sie es, ihn zu überzeugen, dass ich dessen besorgte Cousine sei. Unser Täuschungsmanöver gelang ausgezeichnet. Er war erleichtert, dass wir den Besitzer der Wohnung dort nicht tot vorfanden. Das hatte ich auch nicht erwartet. Ich wollte die Räume ein wenig genauer unter die Lupe nehmen. Der Mann zögerte, uns allein zu lassen, wurde jedoch nach einigen Minuten zu einem dringenden Fall gerufen. Es gab zu meinem Glück in einer der Wohnungen einen Wasserrohrbruch oder Ähnliches, was sein sofortiges Eingreifen erforderte. Wir ließen uns davon nicht aus dem Konzept bringen und versprachen, uns nur noch kurz umzusehen, ob Siegfried irgendeine Nachricht für seine liebe Cousine hinterlassen habe. Dann wollten wir die Tür hinter uns zuziehen, die der Hausmeister später verschließen sollte.« Morwenna beschrieb, dass die Wohnung äußerst sparsam eingerichtet

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