EURO-Bankraub. Thomas Krause R.
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Abenteuerliche Finanzakrobatik
Aufgrund der begrenzten Mittel des EFSF wurde nach Möglichkeiten zu einer Hebelung der Rettungsmittel gesucht. Der US-Finanzminister, Timothy Geithner, verlangte von seinen EU-Kollegen, eine unbegrenzte Haftung des EFSF-Rettungsfonds einzuführen und eine Refinanzierung des EFSF bei der EZB mit einem zehnfachen Hebel zu erlauben53. So hätten den EURO-Rettern nicht 440 Milliarden, sondern durch den ungehinderten Zugriff auf die Notenpresse der EZB sogar 4,4 Billionen EURO zur Verfügung gestanden.
Eine noch abenteuerlichere Variante des findigen US-Amerikaners sah vor, mit einem Teil der EFSF-Finanzmittel in der Europäischen Union eine neue Zweckgesellschaft „Special Purpose Vehicle“ zu gründen, die eigene Anleihen begeben kann, um diese bei der EZB als Sicherheit zu hinterlegen54. Auch bei diesem Vorschlag könnte sich die Zweckgesellschaft wie eine Bank bei der EZB Geld leihen. Im Ergebnis wirken die Transaktionen so, als ob die der EZB angeschlossenen Notenbanken des EURO-Raums selbst den Krisenländern mit Hilfe der Notenpresse Geld bereitgestellt hätte. Es wäre nur die Zweckgesellschaft zwischengeschaltet worden.
Die Deutsche Bundesbank stemmte sich unter Führung von Jens Weidmann gegen diese Form der Kredithebelung, da sie einer verbotenen Staatsfinanzierung entsprochen hätte55. Eine Banklizenz hätte dem EFSF die Möglichkeit eingeräumt, aufgekaufte Staatsanleihen bei der EZB, bzw. bei den angeschlossenen Notenbanken, als Sicherheit für frisches Geld zu hinterlegen56. Herr Weidmann hat damit erfolgreich verhindert, dass Anleihen der Zweckgesellschaft von der Deutschen Bundesbank aufgekauft werden, denen innerhalb der Bilanz der Zweckgesellschaft nur Schrottanleihen der Krisenländer gegenüberstehen.
Die von Herrn Geithner vorgeschlagene Lösung mit Hebeln und Zweckgesellschaften ähnelt sehr stark den Mechanismen, die die Finanzrisiken in den USA lange Zeit verschleiert haben und die Immobilienkrise weltweit mit verursacht haben. Die Europäer haben jedoch bewiesen, dass sie diese Mechanismen mittlerweile durchschauen und nicht gewillt sind, diese fragwürdigen Ansätze zur Lösung der Staatsschulden- und Bankenschuldenkrise in Europa einzusetzen. Dieser Form abenteuerlicher Finanzakrobatik zur Rettung der Investoren wurde zunächst ein Riegel vorgeschoben.
Ohne Hebelung des EFSF-Fonds konnte jedoch eine Rettung von Spanien und Italien nicht gelingen. Zu groß waren die notwenigen Finanzbedarfe57. Allein 400 Milliarden EURO Kredite musste sich Italien im Jahr 2012 auf den Finanzmärkten beschaffen. Dieser enorme Finanzierungsbedarf allein in Italien hätte auch den dauerhaften ESM-Rettungsfonds überfordert, der seit seiner Ratifizierung in den Mitgliedsstaaten 500 Milliarden ausleihen kann. Nachdem sich abzeichnete, dass das Ausleihevolumen der EFSF- und ESM-Rettungsfonds nicht ausreicht und wegen der Vorbehalte in der Bevölkerung in den Geberländern auf demokratischem Weg nicht genügend weiteres Geld für die Rettung von Staaten und Banken beschafft werden kann, wurden andere Wege gesucht, die Forderungen der Investoren nach Rückzahlung der Kredite zu erfüllen. Dies waren allerdings ähnlich riskante Lösungsansätze, die sich außerhalb der demokratischen Grundordnung befanden, wie wir in den folgenden Kapiteln anhand konkreter Beispiele erkennen werden.
Das Öffnen des Tresors
Regierungen erliegen schnell der Versuchung, Fehlentwicklungen in ihren Ländern zu ignorieren oder die Schuld an diesen Entwicklungen anonymen Kräften, beispielsweise den Finanzmärkten anzulasten. In dieser politischen Logik der Realitätsverweigerung sollen die angeblich schädlichen Marktkräfte ausgeschaltet werden. Steigen die Zinsforderungen der Gläubiger, weil die Kredite an bestimmte Länder zunehmend als riskant eingestuft werden, müssen diese Zinsen nach dieser Ansicht um jeden Preis gesenkt werden. Der Transmissionsmechanismus für die Wirkung der Geldpolitik der EZB soll nach dieser Ansicht nicht durch das hohe Zinsniveau gestört werden58. Vorneweg hat sich der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, diese Ansicht zu Eigen gemacht.
Mit dieser blumigen Aussage der EZB wird versucht, die Höhe der Zinsen als Marktstörung zu interpretieren und damit die Argumentationsgrundlage für den Eingriff der EZB auf den Anleihemärkten zu liefern. Wenn wir uns überlegen, dass eine Notenbank quasi aus dem Nichts Geld schöpft und dieses an die Geschäftsbanken gibt, dann ist nicht zu erkennen, warum diese Aufgabe der Geldversorgung des Landes durch hohe Zinsen auf den Finanzmärkten gestört sein sollte. Die Banken nehmen bei hohen Zinssätzen auf den Finanzmärkten sogar deutlich lieber Geld von der Notenbank an und geben ihr dafür Wertpapiere als Sicherheit für das erhaltene Geld.
Bei genauerer Betrachtung war nicht der Transmissionsmechanismus der EZB zu den Geschäftsbanken gestört, dieser funktionierte weiterhin bestens, sondern die Banken haben sich untereinander kein Geld mehr geliehen. Der Grund für das Misstrauen der Geschäftsbanken untereinander waren die drohenden hohen Abschreibungen auf Immobilienwertpapiere, die aufgrund des Platzens der Immobilienblase tiefe Löcher in die Bilanzen gerissen hatten. Wenn die Abschreibungen einen zu hohen Umfang annehmen, wird das Eigenkapital der Geschäftsbanken reduziert, ohne dass sich die Schulden der Banken in gleichem Umfang reduzieren. Dadurch kann es zu einer Überschuldung der betreffenden Geschäftsbanken kommen. Da niemand genau weiß, wie hoch der Abschreibungsbedarf der anderen Banken ist, kommt der Geldtransfer der Geschäftsbanken untereinander zum Erliegen. Sie können sich Geld also nur noch von der EZB oder von privaten Investoren beschaffen.
Aufgrund des gestiegenen Risikos mussten die Banken mit risikobehafteten Immobilienvermögen ihren Investoren jedoch höhere Zinssätze zahlen, wenn sie weiterhin Anleihen auf den Finanzmärkten zur Refinanzierung ihrer Geschäfte platzieren wollten. Unabhängig von den Beziehungen zwischen den einzelnen Geschäftsbanken war auch hier der Transmissionsmechanismus der Geldpolitik nicht gestört, da die Geschäftsbanken weiterhin die Möglichkeit gehabt hätten, weiteres Zentralbankgeld gegen Wertpapiere zu erhalten. Den Geschäftsbanken gingen in den Krisenländern allerdings die Wertpapiere aus, die sie bei der EZB hätten hinterlegen können. Schrottpapiere und Schrottimmobilien sind nun einmal keine werthaltigen Sicherheiten, die eine Notenbank unter normalen Umständen annehmen würde.
Ähnlich sah es bei den Staatsanleihen aus. Da das Risiko der Krisenländer deutlich stieg, dass sie aufgrund von Überschuldung zahlungsunfähig werden, forderten die Investoren berechtigter Weise auch von den Staaten höhere Zinssätze, wenn sie in diese riskanten Staatsanleihen investieren wollten. Da zwischen der EZB und den Staaten gemäß des Verbots der Staatsfinanzierung jedoch keine Verbindung bestehen durfte und bis heute nicht bestehen darf, könnte es in Hinblick auf die Staatsanleihen keinen Transformationsmechanismus geben, der gestört hätte sein können. Das Gerede um den Transmissionsmechanismus seitens der EZB kann bei näherer Betrachtung als Ablenkungsmanöver interpretiert werden. Es ging hauptsächlich darum, überschuldete Banken und damit auch die überschuldeten Staaten mit Hilfsmaßnahmen seitens der EZB zu stützen, um eine Staatspleite und eine Pleite der Geschäftsbanken in den Krisenländern zu vermeiden.
Nachdem die Alarmanlage (Stabilitätskriterien des Maastricht-Vertrages) von Deutschland und Frankreich ausgeschaltet wurde, die Schutzleute (Hüter der Geldwertstabilität) medienwirksam beseitigt wurden, musste nur noch die Tresortür geöffnet werden, um die Vermögenstransfers zu starten. Auf den freien Finanzmärkten bestimmen Angebot und Nachfrage, wer zu welchem Preis (Zins) Zugang zu Krediten erhält. Die Marktkräfte haben somit die Funktion von Tresortüren, um den Zugang zu Kredit nur denjenigen Schuldnern zu erlauben, die entsprechend zahlungskräftig sind.
Die Ausschaltung der Marktkräfte funktioniert am einfachsten, wenn das Verhältnis von Angebot und Nachfrage gestört wird. Dies kann die Zentralbank dadurch erreichen, in dem sie zusätzliches Geld druckt und dieses im Rahmen der angeblichen EURO-Rettung an Not leidende Staaten und Banken in den Krisenländern ausgibt. Sind die Marktkräfte erst einmal durch eine bewusst ausgelöste Geldschwemme ausgeschaltet, steht der Tresor