Morgentod. Ole R. Börgdahl
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Читать онлайн книгу Morgentod - Ole R. Börgdahl страница 4
»Eine Hütte?«, fragte ich.
»Ein Haus, eine Villa«, klärte Bruckner mich auf und deutete auf das Grundstück gegenüber.
»Ach, eine Hütte!«, wiederholte ich. »Ich sondiere nur. Mein Schwiegervater hat einen Interessenten und ich suche ein geeignetes Grundstück, Elbnähe, unbebaut, zum Glück spielt Geld keine Rolle.«
»Das hört man gern.« Bruckner schnalzte mit der Zunge. »Dann laufen die Geschäfte gut?«
»Das klingt ja, als wenn Sie mit einem Drogendealer sprechen«, sagte ich.
»Oh, das sollte es aber nicht.« Bruckner ließ seine Stimme geknickt klingen. »Ich kann halt nicht aus meiner Haut heraus. Meine Frau beschwert sich auch schon immer.« Er schwieg noch einmal kurz. »Ich hatte eigentlich gehofft, dass Sie sich mal melden würden.«
Ich überlegte. Bruckner hatte natürlich recht. Er hatte mir drei oder vier Mails geschickt, das letzte noch Ende Juni. Er hatte vom Ausgang unseres gemeinsamen Falles berichtet. Es hatte zwei Monate gedauert, bis alle Opfer identifiziert waren. Achtzehn Personen, vier Frauen und vierzehn Männer. Zwei der Männer waren bereits verstorben, wobei die Todesursachen nicht mit den Experimenten in Verbindung gebracht werden konnten, die der Täter, an seinen Opfern vorgenommen hatte.
»Und wie geht es Dr. Dr. Strass?«, fragte ich. »Ist abzusehen, dass er sich bald für seine Verbrechen verantworten kann.«
»Überhaupt nicht«, sagte Bruckner. »Er liegt weiterhin im Koma. Ein Spezialist aus Bremen hat sogar attestiert, dass Strass praktisch Hirntod sei.«
»Das ist immer bitter«, meinte ich. »Was haben die Opfer denn sonst noch, wenn nicht die Bestrafung des Täters.«
»Bestrafung!«, erwiderte Bruckner. »Ich denke, Sie können aus Ihrer Praxis Dutzende Fälle aufzählen, bei denen der Täter davongekommen ist oder sich nie verantworten musste, sich der Justiz auf die eine oder die andere Weise entzogen hat.«
Ich nickte. »Mag sein. Strass hat sich der Justiz entzogen, das kommt schon hin, auch wenn es nicht ganz freiwillig war.«
»Ich hoffe Sie fühlen sich nicht mehr schuldig?«, sagte Bruckner überrascht.
»Mich schuldig fühlen, weil ich ihm sein eigenes Zeugs gespritzt habe«, sagte ich abwehrend. »Sie haben das nicht verstanden. Ich habe mich nie schuldig gefühlt. Ich bedauere seinen heutigen Zustand, das ist nicht schön und hätte auch nicht sein müssen, aber schuldig fühle ich mich ganz sicher nicht. Es war Notwehr und fertig.«
Bruckner nickte. »Ich dachte nur, aber auch egal. Sie hätten sich trotzdem mal melden können.«
»Stimmt, entschuldigen Sie!«
»Schon gut, entschuldigen brauchen Sie sich nicht«, meinte Bruckner. »Ich hätte mich vielleicht auch von der Sache ferngehalten, Sie haben ja schließlich einen ganz anderen Job.«
»Und Sie?«, fragte ich. »Was ist ihr neuster Job, was machen Sie hier in der Gegend? Gab es einen Mord? Es würde mich interessieren, wir wollen in Nienstedten schließlich einen guten Kunden ansiedeln.«
»Es interessiert Sie?«, fragte Bruckner nachdenklich.
»Nein, ich wollte nur höflich sein«, antwortete ich.
Bruckner zögerte. »Ich bin auf dem Weg zu einer Toten.«
»Also doch ein Mord?«, stellte ich fest.
»Wenn das so einfach wäre«, sagte Bruckner.
»Jetzt wollen Sie mich neugierig machen. Sie sind gar nicht an einem Fall dran.«
»Doch, doch!«, sagte Bruckner schnell. Er griff sich in die Jackentasche, holte sein Notizbuch hervor, blätterte und hielt mir die aufgeschlagene Seite hin. »Zu dieser Adresse muss ich.«
Ich beugte mich vor und las die Anschrift. »Das liegt direkt an der Elbe, eines der Elbgrundstücke. Sebastian von Treibnitz! Kenn ich nicht. Geht es um Frau von Treibnitz?«
Bruckner schüttelte den Kopf. »Eine Angestellte.« Er blätterte eine Seite um und las mir den Namen vor. »Upp, Caroline. Es soll ein Unfall gewesen sein, mit einem Jagdgewehr.«
»Wer sagt das?«, fragte ich.
»Unsere Leute vom Kriminaldauerdienst. Es sind bereits Beamte Vorort. Mich hat man vor einer halben Stunde informiert. Ich habe Hartmann vorgeschickt. Sie kennen doch noch Florian Hartmann?«
»Wenn ich Nein sage, lassen Sie mich dann in Ruhe?«
»Sie haben doch gefragt, wohin ich des Weges bin«, sagte Bruckner beinahe empört, »ob ich an einem Fall dran sei.«
»Nein, nein, Sie haben angehalten«, erwiderte ich. »Ein netter Gruß im Vorbeifahren hätte es doch auch getan.«
Bruckner lachte kurz auf, dann wurde er gleich wieder ernst. »Es sieht nach Selbstmord aus.«
»Ein Jagdgewehr!«, sagte ich. »Eine Frau hat sich mit einem Jagdgewehr erschossen. So im Stile von Hemingway?«
»Ich wusste gar nicht, dass sich Hemingway erschossen hat.« Bruckner überlegte. »Doch stimmt, hat er. Ich verwechsele Hemingway immer mit Spencer Tracy.« Bruckner stutzte. »Was meinten Sie.«
»Das Jagdgewehr!«, antwortete ich. »Wenn Frauen sich erschießen, dann mit einer Pistole, wenn überhaupt. Selbstmord mit einer Schusswaffe ist nicht gerade typisch für eine Frau.«
»Interessanter Gedanke«, sagte Bruckner. »Dann sind Sie ja schon mitten im Fall.«
Er blätterte noch eine Seite in seinem Notizbuch um und begann sich etwas zu notieren.
»Schreiben Sie das auf?«, fragte ich.
»Ja, warum nicht? Mir wäre das nicht eingefallen, zumindest nicht sofort.«
»Sie wollen mich ködern«, rief ich. »Sie wollen mein Interesse wecken.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich muss jetzt arbeiten, ins Büro und heute Abend fahre ich nach Travemünde, Urlaub mit meiner Familie, man erwartet mich dort.«
»Sie machen Urlaub in Travemünde?«
»Nur ein paar Tage. Meine Frau und die Kinder sind schon dort.«
»Oh, wie geht es Ihrer Familie?«
»Danke, gut. Aber lenken Sie nicht ab«, erwiderte ich.
»Ich lenke gar nicht ab, ich bin nur höflich.« Bruckner ließ ein paar Sekunden verstreichen, bis er weitersprach. »Caroline Upp ist die Haushälterin derer von Treibnitz. Sie ist fünfunddreißig ...«
»Ich dachte sie sei tot?«, warf ich ein.
»Gut, sie war fünfunddreißig«, korrigierte sich Bruckner, »ledig, ja, mehr weiß ich noch nicht.«
»Mich würde das Anwesen interessieren«, sagte ich. »Wie heißen die Leute, von Treibnitz?«
*
Ich