Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen
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Читать онлайн книгу Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen страница 41
Die Knaben brachten ihn in eine höchst elegante Stube; eine dicke, lächelnde Dame empfing sie. Aber sie war durchaus nicht darüber erfreut, daß der gemeine Feldvogel, wie sie die Lerche nannte, mit herein kam. Nur für heute wollte sie es sich gefallen lassen, doch mußten sie den Vogel in den leeren Käfig setzen, her am Fenster stand. »Das wird vielleicht dem Papchen Freude machen!« fügte sie hinzu und lachte einem großen, grünen Papagei zu, der sich vornehm in seinem Ringe in dem prächtigen Messingkäsige schaukelte. »Es ist Papchens Geburtstag!« sagte sie einfältig; »deshalb will der kleine Feldvogel gratuliren!«
Papchen erwiderte nicht ein einziges Wort, sondern schaukelte sich vornehm hin und her; dagegen begann ein hübscher Kanarienvogel, der im letzten Sommer aus seinem warmen, duftenden Vaterlande hierher gebracht war, laut zu schlagen.
»Schreihals!« sagte die Dame und warf ein weißes Taschentuch über den Käfig.
»Piep-piep!« seufzte er. »Das ist ein schreckliches Schneewetter!« Und mit diesen Seufzer schwieg er.
Der Copist, oder wie die Dame sagte, der Feldvogel kam in einen kleinen Käsig, dicht neben den Kanarienvogel, nicht weit vom Papagei. Die einzige menschliche Tirade, welche Papchen plaudern konnte und die oft recht komisch klang, war die: »Nein, laßt uns nun Menschen sein!« Alles Uebrige, was er schrie, war eben so unverständlich, wie das Schlagen des Kanarienvogels, nur nicht für den Copisten, der nun selbst ein Vogel war; er verstand seine Kameraden sehr gut.
»Ich flog unter der grünen Palme und dem blühenden Mandelbaume!« sang der Kanarienvogel. »Ich flog mit meinen Brüdern und Schwestern über die prächtigen Blumen und über den spiegelklaren See, wo die Pflanzen sich auf dem Boden wiegten. Ich erblickte auch viel schöne Papageien, welche die lustigsten Geschichten erzählten!«
»Das waren wilde Vögel,« erwiderte der Papagei; »die besaßen keine Bildung. Nein, laßt uns nun Menschen sein! – Weshalb lachst Du nicht? Wenn die Dame und alle Fremden darüber lachen, so kannst Du es auch. Es ist ein großer Fehler, das Ergötzliche nicht goutiren zu können. Nein, laßt uns nun Menschen sein!« »O, entsinnst Du Dich der hübschen Mädchen, die unter dem ausgespannten Zelte bei den blühenden Bäumen tanzten? Entsinnst Du Dich der süßen Früchte und des kühlenden Saftes in den wild wachsenden Kräutern?«
»O ja,« sagte der Papagei; »aber hier habe ich es besser! Ich habe gutes Essen und eine feine Behandlung; ich weiß, ich bin ein guter Kopf, und mehr verlange ich nicht. »Laßt uns nun Menschen sein!« Du bist eine Dichterseele, wie die es nennen. Ich habe gründliche Kenntnisse und Witz; Du hast Genie, aber keine Besonnenheit, Du steigst in diese hohen Naturtöne hinauf, und deshalb wirst Du zugedeckt. Das bietet man mir nicht; nein, denn ich habe ihnen etwas mehr gekostet! Ich imponire mit meinem Schnabel und kann mit »Witz« um mich werfen. »Nein, laßt uns Nun Menschen sein!«
»O mein armes, blühendes Vaterland!« sang der Kanarienvogel; »ich will Deine dunkelgrünen Bäume und Deine stillen Meerbusen besingen, wo die Zweige die klare Wasserfläche küssen; singen von dem Jubel aller meiner schimmernden Brüder und Schwestern, wo »der Wüste Quellenpflanzen wachsen!«
»Laß doch nur diese elegischen Töne!« sagte der Papagei. »Singe Etwas, worüber man lachen kann! das Lachen ist das Zeichen des höchsten geistigen Standpunktes. Sieh, ob ein Hund oder Pferd lacht! Nein, weinen können sie, aber lachen – das ist allein dem Menschen gegeben. Ho, ho, ho!« lachte das Papchcn und fügte seinen Witz: »Laßt uns nun Menschen sein!« hinzu.
»Du kleiner, grauer, nordischer Vogel,« sagte der Karnarienvogel; »Du bist auch Gefangener geworden! Es ist sicher kalt in Deinen Wäldern, aber da ist doch die Freiheit. Fliege hinaus! Man hat vergessen Deinen Käsig zu schließen; das oberste Fenster steht auf. Fliege, fliege!«
Instinctmäßig gehorchte der Copist und war aus dem Käfige; in demselben Augenblicke knarrte die halbgeöffnete, Thür zum nächsten Zimmer, und geschmeidig, mit grünen, funkelnden Augen, schlich die Hauskatze herein und machte Jagd auf ihn. Der Kanarienvogel flatterte im Käfige, der Papagei schlug mit den Flügeln und rief: »Laßt uns nun Menschen sein!« Der Copist fühlte den tödtlichen Schreck und flog durch das Fenster, über die Häuser und Straßen davon; zuletzt mußte er etwas ausruhen.
Das gegenüberliegende Haus hatte etwas Heimisches. Ein Fenster stand offen; er flog hinein; es war sein eigenes Zimmer; er setzte sich auf den Tisch.
»Laßt uns nun Menschen sein!« sprach er unwillkürlich dem Papagei nach, und in demselben Augenblicke war er der Copist; aber er saß auf dem Tische.
»Gott bewahre mich!« sagte er. »Wie bin ich hier herauf gekommen und so in Schlaf verfallen! Das war auch ein unruhiger Traum, den ich hatte. Dummes Zeug war doch die ganze Geschichte.«
VI. Das Beste, was die Gallochen brachten.
Am darauf folgenden Tage, in der frühen Morgenstunde, als der Copist noch im Bette lag, klopfte es an seine Thür; es war sein Nachbar in derselben Etage, ein junger Theologe; er trat herein.
»Leihe mir deine Gallochen,« sagte er; »es ist sehr naß im Garten, aber die Sonne scheint herrlich: ich möchte wohl eine Pfeife dort unten rauchen.«
Die Gallochen zog er an und bald war er unten im Garten, welcher einen Pflaumen- und einen Apfelbaum enthielt. Selbst ein so kleiner Garten, wie dieser, gilt im Innern großer Städte für eine Herrlichkeit.
Der Theologe wanderte im Garten auf und nieder, die Uhr war erst Sechs; draußen auf der Straße ertönte ein Posthorn.
»O, Reisen! Reisen!« rief er aus; »das ist doch das größte Glück in der Welt! Das ist meiner Wünsche höchstes Ziel! Da würde diese Unruhe, die ich fühle, gestillt werden. Aber weit fort müßte es sein! Ich möchte die herrliche Schweiz sehen, Italien bereisen und –«
Ja, gut war es, daß die Gallochen sogleich wirkten, sonst wäre er gar zu weit, sowohl für sich selbst, wie für uns Andere herumgekommen. Er reiste. Er war mitten in der Schweiz, aber mit acht Andern in das Innere einer Diligence gepackt. Er hatte Kopfschmerzen, fühlte sich müde im Nacken, und das Blut war ihm in die Füße getreten, die angeschwollen waren und von den Stiefeln gedrückt wurden. Er schwebte in einem Zustande zwischen Schlafen und Wachen. In seiner Tasche zur Rechten hatte er das Accreditiv, in seiner Tasche zur Linken den Paß und in einem kleinen Lederbeutel auf der Brust einige eingenähte Louisd'or. Jeder Traum verkündete, daß er die eine oder die andere von diesen Kostbarkeiten verloren habe, und deshalb fuhr er fieberartig empor, und die erste Bewegung, welche die Hand machte, war ein Dreieck von der Rechten zur Linken und gegen die Brust hinauf, um zu fühlen, ob er seine Sachen noch habe, oder nicht. Schirme, Stöcke und Hüte schaukelten im Netze über ihm und benahmen so ziemlich die Aussicht, die höchst imponirend war; er schielte darnach, während das Herz sang, was wenigstens schon ein Dichter, den wir kennen, in der Schweiz gesungen, bis jetzt aber noch nicht hat drucken lassen:
Hier ist's so schön, wie das Herz nur will,
Montblanc seh ich, den steilen
Wenn nur das Geld ausreichen will,
Ach, dann ist hier gut weilen.
Groß, ernst und dunkel war die Natur rings um ihn her. Die Tannewälder erschienen wie Haidekraut auf den hohen Felsen, deren Gipfel im Wolkennebel verborgen waren; nun begann es zu schneien, der Wind blies kalt.
»Uh!« seufzte er; »wären wir doch auf der andern Seite der Alpen, dann wäre es Sommer, und