Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen
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Читать онлайн книгу Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen страница 49
Es schadet nichts, in einem Entenhofe geboren zu sein, wenn man nur in einem Schwanenei gelegen hat!
Es fühlte sich erfreut über all' die Noth und das Drangsal, welche es erduldet. Nun erkannte es erst recht sein Glück an der Herrlichkeit, die es begrüßte. – Und die großen Schwäne umschwammen es und streichelten es mit, den Schnäbeln.
In den Garten kamen einige kleine Kinder, die warfen Brot und Korn in das Wasser: und das kleinste rief: »Da ist ein neuer!« Und die andern Kinder jubelten mit: »Ja es ist ein neuer angekommen!« Und sie klatschten mit den Händen und tanzten umher, liefen zu dem Vater und der Mutter, und es wurde Brot und Kuchen in das Wasser geworfen, und sie sagten Alle: »Der neue ist der schönste! So jung und prächtig!« Und die alten Schwäne neigten sich vor ihm.
Da fühlte er sich ganz beschämt und steckte den Kopf unter seine Flügel; er wußte selbst nicht, was er beginnen sollte; er war allzuglücklich, aber durchaus nicht stolz! Er dachte daran, wie er verfolgt und verhöhnt worden war, und hörte nun Alle sagen, daß er der schönste aller schönen Vögel sei. Selbst der Flieder bog sich mit den Zweigen zu ihm in das Wasser hinunter, und die Sonne schien warm und mild! Da brausten seine Federn; der schlanke Hals hob sich, und aus vollem Herzen jubelte er: »So viel Glück habe ich mir nicht träumen lassen, als ich noch das häßliche Entlein war!«
Unter dem Weidenbaume.
Die Gegend um das kleine seeländische Städtchen Kjöge ist sehr kahl; es liegt zwar am Meeresstrande, was immer schön ist, aber dort könnte es doch schöner sein als es eben ist: – rings umher sind ebene Felder und ein gar weiter Weg ist nach dem Walde. Doch wenn man in einem Orte recht zu Hause ist, so findet man dort immer irgend etwas Schönes, nach dem man später an dem reizendsten Orte der Welt Sehnsucht empfindet. Und das müssen wir freilich gestehen, daß es am äußersten Weichbilde des Städtchens, woselbst einige kleine ärmliche Gärten sich längs des Baches, der dort ins Meer fällt, hinstrecken, im Sommer ganz anmuthig sein konnte, was auch namentlich die beiden Nachbarskinder fanden, die hier spielten und durch die Stachelbeersträucher sich wanden, um zu einander zu gelangen. In dem einen Garten stand ein Fliederbaum, in dem andern ein alter Weidenbaum, und namentlich unter diesem letzteren spielten die Kinder gar gern: das war ihnen erlaubt, obgleich der Weidenbaum in der Nähe des Baches stand, und sie leicht ins Wasser hätten fallen können; aber das Auge Gottes ruht ja auf den Kleinen – würde es doch sonst gar schlimm um sie aussehen! Sie waren aber auch sehr vorsichtig in Betreff des Wassers, ja, der Knabe war dermaßen wasserscheu, daß es nicht möglich, war, ihn im Sommer ins Meer hinaus zu locken, in dem doch die anderen, Kinder gar gern umherplantschten; er wurde deshalb auch gehörig geneckt und verhöhnt, und er mußte es geduldig ertragen. Einmal träumte es der Johanna, dem kleinen Mädchen des Nachbars: sie segle in einem Kahne und Kanut wate zu ihr hinaus, so daß das Wasser ihm erst bis an den Hals, später bis über den Kopf stiege und endlich ganz verschwinde. Von dem Augenblicke an, wo der kleine Kanut diesen Traum erfuhr, duldete er nicht mehr die Verhöhnungen der anderen Knaben; durfte er doch jetzt ins Wasser gehen; habe es Johanna doch geträumt! – Selbst that er es freilich nie, aber jener Traum war immerhin sein Stolz.
Die armen Eltern kamen oft zusammen, und Kanut und Johanna spielten in den Gärten und auf der Landstraße, welche längs der Gräben mit einer Reihe von Weidenbäumen besetzt war, die zwar mit ihren verstutzten Kronen nicht schön sahen, aber auch dort nicht zum Staat standen, sondern des Nutzens wegen; schöner war der alte Weidenbaum im Garten, und unter demselben saßen die beiden Kinder. – In dem Städtchen selbst ist ein großer Marktplatz, und zur Zeit des Jahrmarktes standen dort ganze Straßen von Zelten und Buden mit seidenen Bändern, Stiefeln und allem, was man sich wünscht; es war ein arges Gedränge und in der Regel Regenwetter, und dann spürte man den Dunst der Frieswämmse der Bauern, aber auch den schönsten Duft der Honig- oder Pfefferkuchen, von welchen eine Bude voll da stand, und was noch das herrlichste war: der Mann, der die Kuchen verkaufte, nahm immer während des Jahrmarktes seine Wohnung bei den Eltern des kleinen Kanut, und nun gab es dann und wann einen kleinen Pfefferkuchen, von welchem natürlich auch Johanna ihren Antheil erhielt. Aber was noch schöner war: – der Pfefferkuchenhändler wußte fast von allen möglichen Dingen Geschichten zu erzählen, selbst von seinen Pfefferkuchen; ja von diesen erzählte er eines Abends eine Geschichte, die einen so tiefen Eindruck auf die Kinder machte, daß sie dieselbe nie wieder vergaßen, und deshalb ist es wohl am besten, daß wir sie auch kennen lernen, um so mehr, da sie nur kurz ist.
»Auf dem Ladentische« – erzählte er – »lagen zwei Pfefferkuchen, der eine in Gestalt einer Mannsperson mit einem Hute, der andere in der einer Jungfrau ohne Hut; sie hatten ihre Gesichter auf der Seite, die nach oben gekehrt war, und von derselben sollte man sie auch besehen, nicht von der Kehrseite, von welcher man überhaupt nie einen Menschen betrachten darf. Der Mann trug auf der linken Seite eine bittere Mandel, das war sein Herz, die Jungfrau dagegen war lauter Honigkuchen, sie lagen Beide als Proben auf dem Ladentische, lagen dort sogar lange, und endlich liebten sie sich; aber keiner sagte es dem andern, und das muß doch geschehen, wenn etwas daraus werden soll.«
»»Er ist ein Mann, er muß das erste Wort sagen,«« dachte sie, wollte sich aber doch schon begnügen, wenn sie nur wüßte, daß ihre Liebe erwiedert würde.
»Seine Gedanken waren nun zwar weit ausschweifender, und das ist immer der Fall mit den Männern; ihm träumte er sei ein leibhaftiger Straßenjunge, im Besitze von vier Schillingen und kaufe die Jungfrau und verzehre sie.«
»Und so lagen sie Tage und Wochen lang auf dem Ladentische und vertrockneten, und die Gedanken der Jungfrau wurden immer zarter und weiblicher: »»es genügt mir schon, daß ich auf demselben Tische mit ihm zusammen gelegen habe!«« – dachte sie und knack! – brach sie mitten durch.«
»»Hätte sie nur meine Liebe gekannt, sie hätte wohl etwas länger gehalten!«« – dachte er.«
»Das ist die Geschichte, und hier sind sie alle Beide,« sagte der Kuchenbäcker. »Sie sind ihres Lebenslaufes und der stummen Liebe wegen, die nie zu etwas führt, merkwürdig; – da habt Ihr sie!« damit gab er Johanna die Mannsperson, die ganz war, und Kanut erhielt die geknickte Jungfrau; aber die Kinder waren dermaßen von der Geschichte ergriffen, daß sie es nicht übers Herz bringen konnten, die Liebesleute zu essen.
Am folgenden Tage gingen sie mit ihnen auf den Friedhof und ließen sich dort an der Kirchenmauer nieder, die mit dem üppigsten Epheu, Sommer und Winter, wie mit einem reichen Teppiche behangen ist; hier stellten sie die Pfefferkuchen zwischen die grünen Ranken in den Sonnenschein und erzählten nun einer Schaar anderer Kinder die Geschichte von der stummen Liebe, die nichts werth sei, das heißt die Liebe; denn die Geschichte sei allerliebst, der Meinung waren sie alle; aber als sie wieder einen Blick auf das Honigkuchenpaar warfen, ja, da hatte ein großer Knabe – und zwar aus Bosheit – die geknickte Jungfrau aufgegessen; die Kinder weinten darüber, und nachher – dies geschah wahrscheinlich, damit der arme Liebhaber nicht allein in der Welt stehen sollte – nachher aßen sie auch