Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen страница 51
Selbst der König lächelte der Johanna zu, als wenn er seine Freude an ihr habe. Gott, wie fühlte Kanut sich so klein, aber er liebte sie recht innig, und sie habe ja auch ihn lieb, – allein der Mann muß das erste Wort sagen, so dachte ja auch die Pfefferkuchen-Jungfrau: – in dieser Geschichte lag sehr Vieles.
Sobald der Sonntag kam, ging er wieder hin; er war in einer Stimmung als sollte er das heilige Abendmahl genießen; Johanna war allein und empfing ihn, das konnte nicht glücklicher treffen.
»Es ist gut, daß Du kommst!« sagte sie, »ich dachte schon daran, meinen Vater zu Dir zu senden, allein ich hatte eine Ahnung von Deinem Kommen heute Abend: – denn ich muß Dir sagen, daß ich auf den Freitag nach Frankreich reise; ich muß es, damit ich es zu etwas bringe!«
Aber Kanut schien es, als drehe sich die Stube um und um: ihm war zu Muthe, als wollte das Herz ihm zerspringen; zwar trat keine Thräne in seine Augen, aber es war deutlich zu sehen, wie betrübt er wurde. »Du ehrliche, treue Seele!« sprach sie, – und damit war nun die Zunge Kanut's gelöst, und er sagte ihr, wie innig lieb er sie habe und daß sie sein Frauchen werden müsse. Indem er dies sagte, sah er Johanna die Farbe wechseln und erblassen; sie ließ seine Hand fallen und erwiderte ernst und betrübt: »Mache nicht Dich selbst und mich unglücklich, Kanut! Ich werde Dir stets eine gute Schwester sein, auf die Du bauen kannst – aber auch nicht mehr!« und sie strich mit ihrer weichen Hand über seine heiße Stirn. »Gott giebt uns zu Vielem die Kraft, wenn wir nur selbst wollen!«
Da trat in demselben Augenblicke ihre Stiefmutter ins Zimmer.
»Kanut ist ganz außer sich, weil ich reise!« sagte Johanna. »Sei doch ein Mann!« und dabei legte sie ihre Hand auf seine Schulter; es war, als hatten sie nur von der Reise und sonst von nichts Anderem gesprochen. »Du bist ein Kind!« fuhr sie fort, »aber jetzt mußt Du gut und vernünftig sein, wie unter dem Weidenbaume, als wir noch Kinder waren!«
Aber Kanut war es, als sei die Welt aus ihren Fugen gegangen, sein Gedanke war wie ein loser Faden, der im Winde hin- und herflattert. Er blieb, er wußte nicht, ob sie ihn zu bleiben gebeten; aber sie waren freundlich und gut, und Johanna schenkte ihm den Thee ein und sang; es war nicht der alte Klang, und doch so unendlich schön, es war zum Herzzerspringen; darauf trennten sie sich. Kanut reichte ihr nicht die Hand, aber sie ergriff die seinige und sagte: »Du giebst doch Deiner Schwester die Hand zum Abschiede, mein alter Jugendgespiel!« sie lächelte durch Thränen, die ihr über die Wangen flossen, und sie wiederholte das Wort » Bruder«. Ja, das war ein schöner Trost! – So war der Abschied.
Sie segelte nach Frankreich, Kanut ging auf den schmutzigen Straßen Kopenhagens umher. – Die andern Gesellen in der Werkstätte fragten ihn, weshalb er so grübelnd umhergehe, er solle mit ihnen zusammen ein Vergnügen machen, er sei ja ein junges Blut.
Sie gingen miteinander auf den Tanzboden; dort waren viele schöne Mädchen, aber freilich keins wie Johanna, und hier, wo er gedacht, sie zu vergessen, hier gerade stand sie am lebhaftesten vor seinen Gedanken; »Gott giebt uns zu Vielem Kraft, wenn wir nur selbst wollen!« hatte sie gesagt, und eine Andacht kehrte in seinen Sinn ein; er faltete die Hände; die Violinen spielten auf und die Mädchen tanzten im Kreise umher; er erschrak förmlich, es schien ihm, als sei er an einem Orte, wohin er Johanna nicht hätte führen sollen, denn sie war doch mit ihm in seinem Herzen da; deshalb ging er hinaus, lief auf die Straßen und ging an dem Hause vorüber, wo sie gewohnt hatte; dort war es finster, überall war es finster, leer und einsam; die Welt ging ihren Weg und Kanut den seinigen.
Es wurde Winter und die Gewässer froren zu, es war, als wenn Alles sich auf Begräbniß einrichte.
Als aber der Frühling wiederkehrte und das erste Dampfschiff ging, da ergriff ihn eine Sehnsucht, weit, weit in die Welt zu wandern, aber nicht nach Frankreich.
Er schnürte sein Ränzel und wanderte weit, weit ins deutsche Land hinein, von Stadt zu Stadt, ohne Rast und Ruhe; erst als er die alte prächtige Stadt Nürnberg betrat, war es, als würde er wieder Herr seiner Füße; er gewann es über sich, dort zu bleiben.
Nürnberg ist eine wunderliche, alte Stadt, wie aus einer Bilderchronik herausgeschnitten. Die Straßen liegen, wie sie eben selbst wollen; die Häuser lieben es nicht, in Reih' und Glied zu stehen; Erker mit kleinen Thürmen, Schnörkeln und Bildsäulen springen hervor und über den Bürgerstieg hinaus, und hoch von den Dächern laufen Dachrinnen bis über die Mitte der Straße hinaus, geformt wie Drachen und langbeinige Hunde.
Auf dem Marktplatze hier stand Kanut mit dem Runzel auf dem Rücken; er stand an einem der alten Springbrunnen mit den herrlichen biblischen und historischen Figuren, die zwischen den springenden Wasserstrahlen stehen. Ein schönes Dienstmädchen schöpfte eben Wasser, es gab Kanut einen Labetrunk; und da es die Hand voll Rosen hatte, gab es ihm auch eine Rose, und das schien ihm ein guter Vorbote zu sein.
Von der nahen Kirche brausten Orgeltöne ihm entgegen, sie klangen ihm so heimathlich, als kämen sie aus der Kirche zu Kjöge, und er trat in den großen Dom; die Sonne schien durch die gemalten Scheiben hinein zwischen die hohen, schlanken Säulen; Andacht erfüllte seine Gedanken, und stiller Friede kehrte in seinen Sinn ein.
Er suchte und fand einen guten Meister in Nürnberg, bei diesem blieb er und erlernte die deutsche Sprache.
Die alten Gräber um die Stadt herum sind in kleine Gemüsegärten umgewandelt, aber die hohen Mauern stehen noch da mit ihren schweren Thürmen. Der Seiler dreht sein Seil aus dem von Balken erbauten Gange längs der Innenseite der Stadtmauer, und hier, ringsumher aus Ritzen und Spalten wächst der Flieder; er streckt seine Zweige über die kleinen niedrigen Häuser, die unten liegen, und in einem dieser wohnte der Meister, bei dem Kanut arbeitete; über das kleine Dachfenster, an welchem Kanut saß, senkte der Fliederbaum seine Zweige.
Hier wohnte er einen Sommer und einen Winter; aber als der Frühling kam, war's nicht mehr auszuhalten; der Flieder blühte und duftete so heimathlich, daß es ihm war, als sei er wieder in den Gärten von Kjöge, – alsdann zog Kanut von seinem Meister weg zu einem andern, weiter in die Stadt hinein, wo kein Flieder wuchs.
Seine Werkstätte war in der Nähe einer alten gemauerten Brücke, über einer immer brausenden, niedrigen Wassermühle; draußen floß nur der reißende Strom, eingezwängt von Häusern, die alle mit alten morschen Erkern gleichsam behangen waren; es sah aus, als wollten sie diese alle ins Wasser hinabschütteln. Hier wuchs kein Flieder, hier stand nicht einmal ein Blumentopf mit wenigem Grün, aber gerade der Werkstätte gegenüber wurzelte ein großer alter Weidenbaum, der sich gleichsam an dem Hause festhielt, um nicht vom Strome hinweggerissen zu werden; er streckte seine Zweige über den Fluß hinaus, wie der Weidenbaum im Garten bei Kjöge über den Bach.
Ja, er war freilich von Fliedermutter zum Weidenvater gezogen; der Baum hier, namentlich an Mondscheinabenden, hatte etwas, das ihm zu Herzen ging, aber es war durchaus nicht der Mondschein, sondern der alte Baum selbst.
Dessenungeachtet litt es ihn doch nicht. Weshalb? Frage den Weidenbaum, frage den blühenden Flieder! – und deshalb sagte er dem Meister von Nürnberg Lebewohl und zog weiter.
Zu Niemanden sprach er von Johanna, in seinem Innern verbarg er seinen Kummer – und eine tiefe Bedeutung legte er der Geschichte von den beiden Pfeffertuchen bei; jetzt begriff er, weshalb die Mannsperson dort eine bittere Mandel links hatte, er selbst hatte einen bitteren Geschmack davon; und Johanna, die stets so