Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen

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Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen

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erröthete wie die junge Rose, meine Mutter küßte Aphtanides.

      Eine Stunde Wegs von unserer Hütte entfernt, dort, wo auf dem Felsen lockere Erde liegt und einzelne Bäume Schatten gewähren, lag die kleine Kirche; eine silberne Lampe hing vor dem Altare.

      Ich hatte meine besten Kleider angelegt, die weiße Fustanelle fiel in reichen Falten über die Hüften herab, das rothe Wamms saß eng und stramm, an der Quaste auf meinem Feß war Silber; in meinem Gürtel steckten Messer und Pistolen. Aphtanides hatte seine blaue Kleidung an, wie griechische Seeleute sie tragen, eine silberne Platte mit der Mutter Gottes hing an seiner Brust, seine Schärpe war kostbar, wie nur die reichen Herren sie tragen können. Jeder sah wohl, daß wir zu einer Feier wollten. Wir traten in die kleine einsame Kirche hinein, wo die Abendsonne durch die Thüre die brennende Lampe und die bunten Bilder auf goldenem Grunde bestrahlte. Wir knieten auf den Stufen des Altars nieder und Anastasia trat vor uns hin; ein langes, weißes Gewand hing lose und leicht um ihre schöne Form; ihr weißer Hals und ihre Brust waren mit einer Kette alter und neuer Münzen bedeckt, sie bildeten einen Kragen. Ihr schwarzes Haar auf dem Kopfe in einen einzigen Knoten geschlungen, welcher durch eine kleine Kopfbedeckung aus Silber- und Goldmünzen gehalten wurde, die in den alten Tempeln gefunden waren. Einen schöneren Schmuck hatte kein griechisches Mädchen. Ihr Gesicht leuchtete, ihre Augen waren wie zwei Sterne.

Illustration: Hutschenreuter/Petersen

      Still beteten wir alle Drei, darauf fragte sie uns; »Wollt Ihr Freunde sein im Leben und im Tode?« – »Ja!« antworteten wir. »Wollt Ihr, was auch geschehen möge, Euch erinnern: mein Bruder ist von mir ein Theil; mein Geheimniß, mein Glück ist das seine: Aufopferung, Ausdauer, Alles in mir gehört ihm wie mir?« Und wir wiederholten unser »ja!«

      Sie legte unsere Hände in einander, küßte uns auf die Stirn und wir beteten wieder leise. Da trat der Priester aus der Thüre zunächst dem Altare, segnete uns alle Drei, und ein Gesang von den andern allerheiligsten Herren ertönte hinter der Altarwand. Der Bund ewiger Freundschaft war geschlossen. Als wir uns erhoben, sah ich meine Mutter heftig weinend an der Thüre der Kirche.

      Wie war es heiter in unserer kleinen Hütte und an Delphi's Quellen! Den Abend vor Aphtanides Abreise saß er gedankenvoll wie ich auf dem Abhange des Felsens, sein Arm war um meinen Leib geschlungen, der meine um seinen Hals; wir sprachen von Griechenlands Noth, von den Männern, denen es vertrauen könnte. Jeder Gedanke unserer Seelen lag klar vor uns Beiden, da ergriff ich seine Hand.

      »– Eins sollst Du noch wissen, Eins, was bis zu dieser Stunde nur ich und Gott gewußt! Meine ganze Seele ist Liebe! Eine Liebe stärker als die zu meiner Mutter und zu Dir – –!«

      »Und wen liebst Du?« fragte Aphtanides, und sein Gesicht und Hals wurden roth.

      »Ich liebe Anastasia!« sagte ich – und seine Hand zitterte in meiner, er wurde blaß wie eine Leiche; ich sah es, ich begriff es und ich glaubte, daß auch meine Hand bebte, ich neigte mich zu ihm, küßte seine Stirn und flüsterte: »Ich habe es ihr nie gesagt, sie liebt mich vielleicht nicht! – Bruder denke daran, ich sah sie täglich; sie ist an meiner Seite aufgewachsen, Eins mit meiner Seele!« –

      »Und Dein soll sie sein!« sagte er, »Dein! – ich darf Dich nicht belügen und will es auch nicht. Auch ich liebe sie! – Aber morgen ziehe ich fort! in einem Jahre sehen wir uns wieder, dann seid Ihr verheirathet, nicht? – Ich besitze einiges Gold, es sei Dein, Du mußt, Du sollst es nehmen!« Still wandelten wir über die Felsen; es war später Abend, als wir an meiner Mutter Hütte standen.

      Anastasia hielt uns die Lampe entgegen, als wir hereintraten, meine Mutter war nicht dort. Sie blickte wunderbar wehmüthig auf Aphtanides.

      »Morgen gehst Du von uns!« sagte sie, »wie mich das betrübt!« –

      »Dich betrübt!« sagte er, und mir schien ein Schmerz darin zu liegen, groß wie mein eigener. Ich konnte nicht reden, er aber faßte ihre Hand und sagte: »Unser Bruder dort liebt Dich, er ist Dir theuer! Sein Schweigen beweist eben seine Liebe.« –

      Anastasia zitterte und brach in Thränen aus; da sah ich nur sie, dachte nur ihrer, schlang meinen Arm um ihren Leib und sagte: »Ja, ich liebe Dich!« Sie drückte ihren Mund auf meinen, legte ihre Hände um meinen Hals; aber die Lampe war auf den Fußboden gefallen, es war dunkel um uns her, wie in dem Herzen des armen Aphtanides.

      Vor Tagesanbruch stand er auf, küßte uns Alle zum Abschied und zog fort. Meiner Mutter hatte er sein Geld für uns gegeben. Anastasia war meine Braut und nach wenigen Tagen meine Gattin!

      Dort unten in der Straße stand ein altes, altes Haus. Es war fast dreihundert Jahre alt; so stand es auf dem Balken zu lesen, auf welchem in und mit Tulpen und Hopfenranken die Jahreszahl angebracht war. Da las man ganze Verse, in der Schreibart der alten Zeit, und über jedem Fenster war ein Gesicht in dem Balken ausgeschnitzt, das allerlei Grimassen machte. Die eine Etage ragte ein ganzes Stück über der andern hervor, und dicht unter dem Dach war eine bleierne Rinne mit einem Drachenkopf. Das Regenwasser sollte aus dem Rachen herauslaufen, es lief aber aus dem Bauche, denn die Rinne hatte ein Loch.

      Alle andern Häuser in der Straße waren noch neu und hübsch, mit großen Fensterscheiben und glatten Wänden. Man sah es ihnen deutlich an, daß sie nichts mit dem alten Hause zu thun haben wollten. Sie mochten wohl denken: »Wie lange soll das Gerumpel noch zum allgemeinen Skandal in der Straße stehen? Das Gesimse steht so weit vor, daß Niemand aus unsern Fenstern sehen kann, was auf jener Seite dort vorgeht! Die Treppe ist so breit, wie eine Schloßtreppe, und so hoch, als führe sie auf einen Kirchthurm. Das eiserne Geländer sieht ja aus, wie die Thür zu einem Erbbegräbnisse, und messingene Knöpfe sind darauf – es ist wirklich zu albern!«

      Gegenüber standen auch neue und nette Häuser, und die dachten wie die andern; aber am Fenster saß hier ein kleiner Knabe mit frischen, rothen Wangen; mit klaren, strahlenden Augen, und dem gefiel das alte Haus besonders gut und zwar sowohl im Sonnen- wie im Mondscheine. Und wenn er nach der Mauer hinüberblickte, wo der Kalk abgefallen war: dann konnte er die wunderbarsten Bilder herausfinden, gerade wie die Straße früher ausgesehen hatte, mit Freitreppen, Gesimsen und spitzen Giebeln; er konnte Soldaten sehen mit Hellebarden, und Dachrinnen, die wie Drachen und Lindwürmer umher liefen. – Das war so recht ein Haus zum Anschauen, und da drüben wohnte ein alter Mann, der in ledernen Kniehosen ging und einen Rock mit großen Messingknöpfen und eine Perücke trug, der man es ansah, daß sie eine wirkliche Perücke war. Jeden Morgen kam ein alter Mann zu ihm, der bei ihm rein machte und Gänge für ihn besorgte. Uebrigens war der Alte in den Kniehosen ganz allein in dem alten Hause. Zuweilen kam er an die Fensterscheiben und sah hinaus, und der kleine Knabe nickte ihm zu, und der alte Mann nickte wieder und so wurden sie bekannt, und so wurden sie Freunde, obgleich sie niemals mit einander gesprochen hatten. Aber das war ja auch gar nicht nöthig.

      Der kleine Knabe hörte seine Eltern sagen: »Der alte Mann da drüben hat es sehr gut; aber er ist allein!«

      Am nächsten Sonntage wickelte der kleine Knabe Etwas in ein Stück Papier, ging damit vor die Hausthür und sagte zu Dem, welcher die Gänge für den Alten besorgte: »Höre! Willst Du dem alten Mann da drüben Dieses von mir bringen? Ich habe zwei Zinnsoldaten; dieses ist der eine, er soll ihn haben, denn ich weiß, daß er ganz allein ist!«

      Und der alte Aufwärter sah vergnügt aus, nickte und trug den Zinnsoldaten in das alte Haus. Nachher wurde herübergeschickt, ob der kleine Knabe nicht Lust habe, selbst zu kommen und seinen Besuch zu machen. Und dazu gaben ihm seine Eltern Erlaubniß: und so kam er nach dem alten Hause.

      Und

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