Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen

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Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen

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ich lasse die Wache rufen!«

      »Ich gehe geradeswegs zur Königstochter!« sagte der gelehrte Mann.

      »Aber ich gehe zuerst,« sagte der Schatten, »und Du gehst ins Gefängniß!« Und das geschah, denn die Schildwachen gehorchten Dem, von dem sie wußten, daß die Königstochter ihn heirathen wollte. –

      »Du zitterst?« sagte die Königstochter, als der Schatten bei ihr eintrat. »Ist etwas vorgefallen? Du darfst heute nicht krank werden, jetzt, da wir unsere Hochzeit feiern wollen!«

      »Ich habe das Fürchterlichste erlebt, was man erleben kann!« sagte der Schatten. »Denke Dir – ja, so ein armes Schattengehirn kann nicht viel vertragen! – Denke Dir, mein Schatten ist verrückt geworden; er bildet sich ein, daß er Mensch geworden ist und daß – denke Dir nur! daß ich sein Schatten bin!«

      »Dies ist ja schrecklich!« sagte die Prinzessin. »Er ist doch eingesperrt?«

      »Das versteht sich; ich fürchte, daß er sich nie wieder erholen wird.«

      »Der arme Schatten!« rief die Prinzessin. »Er ist sehr unglücklich; es wäre eine wahre Wohlthat, ihn von seinem Leben zu befreien, und wenn ich recht darüber nachdenke, wie in unserer Zeit das Volk nur allzu bereit ist, die Partie des Geringern gegen die Höheren zu nehmen, da scheint es mir nöthig zu sein, daß man ihn in aller Stille bei Seite schaffe.«

      »Das ist allerdings hart, denn er war ein treuer Diener,« sagte der Schatten, und er that, als wenn er seufzte.

      »Du bist ein edler Charakter!« sagte die Königstochter und verneigte sich vor ihm.

      Am Abend war die ganze Stadt illuminirt und Kanonen wurden abgefeuert: Bum! – Und die Soldaten präsentirten die Gewehre. Das war eine Hochzeit! Die Königstochter und der Schatten traten auf den Altan hinaus, um sich sehen zu lassen und noch einmal ein Hurrah zu bekommen.

      Der gelehrte Mann hörte nichts von all diesen Herrlichkeiten – denn er war schon hingerichtet.

      So eben haben wir eine kleine Reise gemacht und schon verlangt uns nach einer größern. Wohin? Nach Sparta, nach Mycene, nach Delphi! Es giebt hundert Orte, bei deren Namen das Herz von Reiselust pocht. Es geht zu Pferde die Bergpfade hinauf, durch Gestrüpp und Gesträuch; der einzelne Reisende erscheint wie eine ganze Karawane. Selbst reitet er mit seinem Agojat voraus, ein Packpferd trägt Koffer, Zelt und Proviant, ein paar Gensdarmen folgen zu seinem Schutze nach. Kein Wirthshaus mit weichen Betten erwartet ihn nach der ermüdenden Tagesreise, das Zelt ist oft sein Dach in der großen, wilden Natur, der Agojat kocht einen Pilau[18] zum Abendessen; tausend Mücken umschwärmen das kleine Zelt, es ist eine klägliche Nacht und morgen führt der Weg über stark angeschwollene Flüsse; sitze fest auf Deinem Pferde, daß Du nicht fortgespült wirst!

      Welcher Lohn wird Dir für diese Beschwerden? Der größte, reichste! Die Natur offenbart sich hier in ihrer ganzen Größe, jeder Fleck ist historisch, Augen und Gedanken schwelgen. Der Dichter kann es besingen, der Maler in reichen Bildern darstellen, aber den Duft der Wirklichkeit, der auf ewig hineindringt und in der Seele des Beschauers bleibt, vermögen sie nicht wiederzugeben.

      In vielen kleinen Skizzen habe ich versucht, eine kleine Strecke von Athen mit seiner Umgebung anschaulich zu machen, und dennoch, wie farblos steht das gegebene Bild, wie wenig zeigt es Griechenland, diesen trauernden Schönheitsgenius, dessen Größe und Kummer der Fremde nie vergißt!

      Der einsame Hirte droben auf dem Felsen würde durch eine einfache Erzählung einer seiner Lebensbegebenheiten vielleicht besser, als ich mit meinen Bildern, Demjenigen das Auge öffnen können, der in einigen Zügen das Land der Hellenen schauen will.

      Laß ihn denn reden! spricht meine Muse; wohlan! Eine Sitte, eine hübsche, eigenthümliche Sitte soll dem Hirten dort auf dem Berge Stoff für seine Erzählung bieten, nämlich:

      »Unser Haus war aus Lehm zusammengeklebt, aber die Thürpfosten bestanden aus gewürfelten Marmorsäulen, dort gefunden wo man das Haus erbaute. Das Dach reichte fast bis zur Erde herab, jetzt war es schwarzbraun und häßlich, aber als es gedeckt wurde, bestand es aus blühendem Oleander und frischen Lorbeerzweigen, hinter den Bergen hergeholt. Um unsere Wohnung war es eng, die Wände strebten schroff empor und zeigten eine kahle, schwarze Farbe, an ihren Gipfeln hingen oft Wolken, gleich weißen, lebenden Gestalten. Niemals hörte ich hier einen Singvogel, nie tanzten die Männer hier zu den Tönen der Sackpfeife, aber der Ort war geheiligt aus alten Zeiten, selbst der Name erinnert daran, er wird ja Delphi genannt! Die dunkeln, ernsten Berge lagen alle mit Schnee bedeckt, der höchste, der am längsten in der rothen Abendsonne schimmerte, war der Parnaß; der Bach nahe an unserm Hause schoß von ihm herab und war einst auch heilig, jetzt trübt der Esel ihn mit seinen Füßen, doch die Strömung wälzt sich fort und wird wieder klar. Wie entsinne ich mich jedes Flecks in seiner heiligen, tiefen Einsamkeit! Mitten in der Hütte wurde Feuer angezündet, und wenn die heiße Asche hoch und glühend da lag, das Brot darin gebacken. Wenn sich der Schnee so hoch um unsre Hütte thürmte, daß sie fast versteckt war, dann schien meine Mutter am fröhlichsten, dann hielt sie meinen Kopf zwischen ihren Händen, küßte meine Stirn und sang die Lieder, die sie sonst niemals sang; denn die Türken, unsere Herren litten es nicht, und sie sang:

      »Auf dem Gipfel des Olymp, in dem niedrigen Fichtenwalde war ein alter Hirsch, schwer waren seine Augen von Thränen; rothe, ja grüne und blaßblaue Thränen weinte er, und vorüber kam ein Rehbock: »Was ist Dir doch, daß Du so weinst, weinst rothe, grüne, ja blaßblaue Thränen?« »»Der Türke ist in unsre Stadt gekommen, hat wilde Hunde zu seiner Jagd, eine tüchtige Meute!«« »Ich jage sie über die Inseln,« sagte der junge Rehbock, »ich jage sie über die Inseln ins tiefe Meer! – Aber ehe der Abend herabsank, war der Rehbock erschlagen, und ehe die Nacht kam, war der Hirsch gehetzt und todt!« –

      Und wenn meine Mutter so sang, wurden ihre Augen naß, und in den langen Augenwimpern hing eine Thräne, aber sie verbarg sie und buk dann unser schwarzes Brot in der Asche. Dann ballte ich meine Hand und sagte: »Wir wollen die Türken todtschlagen!« aber sie wiederholte aus dem Liede: »Ich jage sie über die Inseln ins tiefe Meer! – Aber ehe der Abend herabsank, war der Rehbock erschlagen, und ehe die Nacht kam, war der Hirsch gehetzt und todt!«

      Mehrere Tage und Nächte waren wir einsam in unserer Hütte gewesen, da kam mein Vater; ich wußte, er würde mir Muschelschalen aus dem Golfe von Lepanto mitbringen, oder gar ein Messer, scharf und glänzend. Diesmal brachte er uns ein Kind, ein kleines, nacktes Mädchen, das er unter seinem Schlafpelze hielt; es war in ein Fell gewickelt, und Alles was die Kleine besaß, als sie ohne dieses in meiner Mutter Schoße lag, waren drei Silbermünzen, in ihrem schwarzen Haare befestigt. Der Vater erzählte von den Türken, die des Kindes Eltern erschlagen hatten, er erzählte uns so viel, daß ich die ganze Nacht davon träumte. – Mein Vater war selbst verwundet, die Mutter verband seinen Arm, die Wunde war tief, der dicke Schafpelz von Blut steif gefroren. Das kleine Mädchen sollte meine Schwester sein, wie strahlend schön war es! Meiner Mutter Augen waren nicht sanfter wie die seinigen. Anastasia, wie sie genannt wurde, sollte meine Schwester sein, denn ihr Vater war dem meinigen angetraut nach alter Sitte, wie wir sie noch halten. Sie hatten in der Jugend Brüderschaft geschlossen und das schönste und tugendhafteste Mädchen der ganzen Gegend erwählt, ihren Freundschaftsbund zu weihen, oft hörte ich von dem hübschen, seltsamen Gebrauche.

      Nun war die Kleine meine Schwester; sie saß auf meinem Schoße, ich brachte ihr Blumen und die Federn der Felsenvögel, wir tranken zusammen aus den Gewässern des Parnaß und schliefen Kopf an Kopf unter dem Lorbeerdache der Hütte, während meine Mutter noch manchen Winter von den rothen, grünen und blaßblauen

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