Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen

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Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen

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      Christinchen brachte man zu ihrem Vater auf der Haide und Ib blieb in dem Bauernhäuschen am Saume des Waldes und des großen Landrückens. Das Erste, was er nun Abends that, war, die kleine schwarze Nuß aus seiner Tasche hervorzuholen, welche das »Allerbeste« in sich schließen sollte; – er legte sie vorsichtig zwischen Thür und Thürangel nieder, klemmte darauf die Thüre zu, und die Nuß knackte richtig auf, aber Kern war nicht viel darin zu sehen: sie war wie mit Schnupftabak oder schwarzer, fetter Erde gefüllt; sie war taub oder wurmstichig wie man sagt.

      »Ja, das dachte ich mir gleich!« sagte Ib, »wie sollte auch in der kleinen Nuß Platz sein für das Allerbeste! Christinchen wird eben so wenig herauskriegen aus ihren zwei Nüssen, weder feine Kleider, noch eine goldene Karosse!«

      Der Winter kam heran, und das neue Jahr trat ein; ja es verstrichen mehrere Jahre.

      Ib sollte endlich confirmirt und eingesegnet werden, und ging deshalb einen Winter zu dem Pfarrer weit im Dorfe drüben, um zu lernen. Um diese Zeit besuchte der Bootsmann eines Tages die Eltern Ib's und erzählte, daß Christinchen nun in Dienst zöge und daß es ein wahres Glück für sie sei, in solche Hände zu fallen und einen solchen Dienst bei solch' braven Leuten zu bekommen: denkt einmal! sie zieht zu den reichen Wirthsleuten in Herning-Krug, weit gen Westen, viele Meilen von Ib entfernt; dort soll sie der Krügerin zur Hand gehen und in der Wirtschaft beistehen, und später, wenn sie sich wohl anläßt und dort confirmirt und eingesegnet ist, wollen die Leute sie behalten als ihre Tochter.

      Und Ib und Christinchen nahmen Abschied von einander. »Die Brautleute« nannte man sie, und sie zeigte ihm beim Abschiede, daß sie noch die zwei Nüsse habe, die er ihr damals bei ihrer Irrfahrt im Walde gegeben, und sie sagte ferner, daß sie in ihrer Truhe die kleinen hölzernen Schuhe aufbewahre, die er als Knabe geschnitzelt und ihr geschenkt habe. Darauf trennten sie sich.

      Ib wurde eingesegnet; aber er blieb im Hause seiner Mutter, er war ein flinker Holzschuhmacher geworden; im Sommer bestellte er das Feld, seine Mutter hielt keinen Knecht mehr dazu, er that es allein, denn sein Vater war längst gestorben.

      Nur selten, und alsdann höchstens durch einen Postillon oder einen Aalbauern erfuhr man etwas über Christinchen. Es erging ihr jedoch wohl bei den reichen Krügersleuten, und als sie eingesegnet war, schrieb sie einen Brief an ihren Vater und darin auch einen Gruß an Ib und dessen Mutter; im Briefe stand geschrieben von sechs neuen Hemden und einem schönen Kleide, welches Alles Christinchen von ihrer Herrschaft zum Geschenke erhalten habe. Das waren freilich gute Nachrichten.

      Im nächsten Frühjahr klopfte es eines Tages an die Thüre der alten Mutter unseres Ib, und siehe da, der Kahnführer und Christinchen traten ein; sie war auf einen Tag zum Besuch angekommen, ein Wagen war vom Herning-Kruge nach dem nächsten Kirchdorfe abgeschickt, und die Gelegenheit hatte sie benutzt, um einmal wieder die Ihrigen zu sehen. Schön war sie wie ein feines Fräulein, und hübsche Kleider hatte sie an, die gut gearbeitet und zwar eigens für sie gemacht waren. Sie stand da im vollen Putze, und Ib war in seinen Alltagskleidern. Er konnte kein Wort hervorbringen; zwar ergriff er ihre Hand und hielt dieselbe fest in der seinigen und war recht innig erfreut, aber den Mund konnte er nicht in Gang bringen; das konnte aber Christinchen, sie sprach und erzählte immer fort, und küßte auch Ib ohne Weiteres gerade auf den Mund.

      »Kanntest Du mich gleich wieder, Ib?« sagte sie; aber selbst als sie später unter vier Augen waren, und er noch immer dastand und ihre Hand in der seinigen hielt, vermochte er nur zu sagen: »Du bist ganz wie eine feine Dame geworden, und ich sehe so zottig aus! Wie habe ich an Dich, Christinchen, und an die alten Zeiten gedacht!«

      Und Arm in Arm wanderten sie den großen Landrücken hinan und schauten über den Strom hinaus nach der Haide hinüber, nach den großen mit Ginster überwucherten Hügeln; aber Ib sagte nichts; doch als sie sich trennten, war es ihm klar geworden, daß Christinchen seine Frau werden müsse, hatte man sie doch von Kindesbeinen an die Brautleute genannt; sie seien, so schien es ihm, ein verlobtes Paar, wenn auch Keiner von Ihnen es jemals ausgesprochen hatte.

      Nur noch einige Stunden konnten sie beisammen bleiben, Christinnen mußte wieder ins Nachbardorf zurückkehren, von wo der Wagen am nächsten Morgen zeitig nach Herning abgehen sollte. Ihr Vater und Ib begleiteten sie bis ans Dorf, es war ein schöner, mondheller Abend, und als sie im Dorfe anlangten und Ib noch die Hand Christinchens in der seinigen hielt, konnte er sie nicht lassen, seine Augen leuchteten, aber die Worte flossen ihm spärlich über die Lippen; doch sie flossen aus seinem tiefinnersten Herzen, und er sagte: »Wenn Du nicht zu fein gewöhnt worden bist, Christinchen, und Du Dich darin finden kannst, im Hause der Mutter mit mir zusammen als meine Ehefrau zu leben, so werden wir Beide einmal Mann und Frau! – – aber wir können es noch ein wenig damit anstehen lassen.«

      »Ja, sehen wir es noch einige Zeit damit an, Ib!« sagte sie, dabei drückte sie seine Hand und er küßte sie auf den Mund. »Ich vertraue Dir, Ib!« sagte Christinchen »und ich glaube auch, daß ich Dich lieb habe, – aber ich will es mir beschlafen!«

      Darauf trennten sie sich. Auf dem Rückwege sagte Ib dem Kahnführer, daß er und Christinchen nun so gut wie verlobt seien, und der Kahnführer fand, daß das gerade so sei, wie er sich stets gedacht; er ging den Abend mit Ib nach Hause und blieb die Nacht über dort. Nun wurde nichts weiter von der Verlobung gesprochen.

      Ein Jahr verstrich, während dessen zwei Briefe zwischen Ib und Christinchen gewechselt wurden. »Treu bis in den Tod!« lautete die Unterschrift. – Eines Tages trat der Kahnführer zu Ib herein, er brachte ihm einen Gruß von Christinchen; was er sonst noch mehr zu sagen hatte, damit ging es nun allerdings etwas langsam von Statten, allein es lautete dahin, daß es Christinchen wohl, fast mehr denn wohl erginge, sie sei ja ein hübsches Mädchen, gefeiert und geliebt; der Sohn des Krügers sei auf Besuch zu Hause gewesen, er sei bei irgend einer großen Anstalt in einem Bureau in Kopenhagen angestellt, – und ihm gefiele Christinchen gar sehr, – sie fände ihn auch nach ihrem Sinne, seine Eltern seien zwar auch nicht unwillig, allein es läge nun doch Christinchen im Herzen, daß Ib wohl gar sehr ihrer gedenke, und so habe sie daran gedacht, sie wolle das Glück von sich stoßen, sagte der Kahnführer.

      Anfänglich sprach Ib kein Wort, aber er wurde so blaß wie die Wand, schüttelte den Kopf ein wenig, und darauf erst sagte er: »Christinchen darf das Glück nicht von sich stoßen!«

      »Nun, so schreibe ihr die paar Worte,« sagte der Kahnführer.

      Und Ib setzte sich zum Schreiben nieder, aber er vermochte es nicht, die Worte so zu stellen, wie er es wollte, und er strich aus und zerriß, – am folgenden Morgen jedoch lag ein Brief an Christinchen fertig da, und hier ist er:

      – »Den Brief, welchen Du Deinem Vater geschrieben hast, habe ich gelesen und sehe daraus, daß es Dir gut geht in allen Dingen und daß Du es noch besser bekommen kannst. Frage Dein Herz, Christinchen, und überlege es Dir genau, was Deiner wartet, wenn Du mich nimmst; was ich habe, ist nur wenig. Denke nicht an mich, oder an meinen Zustand, sondern denke an Dein ewiges Wohl! An mich bist Du durch kein Versprechen gebunden, und hast Du mir in Deinem Herzen ein solches gegeben, so entbinde ich Dich desselben. Die Freude schütte ihr Füllhorn über Dich aus, Christinchen! Der liebe Gott wird wohl Trost für mein Herz wissen.

      Immer Dein inniger Freund

      Jb.«

      Der Brief wurde abgesendet, Christinchen bekam ihn richtig.

      Im Verlaufe des Novembers wurde sie aufgeboten, in der Kirche auf der Haide und drüben in Kopenhagen, wo der Bräutigam wohnte, und nach Kopenhagen reiste sie in Begleitung ihrer Schwiegermutter ab, weil der Bräutigam seiner Geschäfte halber die weite Reise tief in Jütland hinein nicht unternehmen konnte. Christinchen traf in einem Dorfe auf der Reise mit ihrem Vater zusammen; hier nahmen die Beiden

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