Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen
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Und es verstrichen Jahre, nicht gerade viele, aber lange Jahre, so schien es dem Ib; die alten Krügersleute starben, Eins nach dem Andern; der ganze Nachlaß, viele tausend Thaler, vererbte auf den Sohn. Ja, jetzt konnte Christinchen die goldene Carosse und seine Kleider genug bekommen.
Zwei lange Jahre, welche darauf folgten, lief kein Brief von Christinchen ein, und als dann endlich der Vater einen bekam, war derselbe durchaus nicht in Wohlstand und Freuden geschrieben. Das arme Christinchen! weder sie noch ihr Mann hatten es verstanden, den Reichthum zu Rathe zu halten, es war kein Segen an ihm, – weil sie es selbst nicht so wollten.
Die Haideblumen prangten und das Haidekraut verdorrte wieder; der Schnee strich schon viele Winter über die Haide, über den Landrücken dahin, unter welchem Ib in Schutz gegen die rauhen Winde wohnte; die Frühlingssonne schien, und Ib ließ den Pflug durch seinen Acker schneiden, da schnitt derselbe, wie er wähnte, über einen Feuerstein dahin, es kam ein großer, schwarzer Hobelspan aus dem Boden heraus, und als Ib ihn erfaßte, war es ein Metall, und die Stelle, wo der Pflug in dasselbe eineingeschnitten hatte, flimmerte ihm entgegen. Es war eine große, schwere goldene Armspange aus dem Alterthume; das Hünengrab war hier geschleift, und jetzt war sein köstlicher Schmuck gefunden. Ib zeigte es dem Pfarrer, der ihm nun den Werth des Fundes auseinander setzte, und darauf begab sich Ib zum Landrichter, welcher den Vorsteher des Museums von seinem Funde benachrichtigte, und Ib den Rath ertheilte, persönlich den Schatz zu überbringen.
»Du hast in der Erde das Beste gefunden, was Du finden konntest,« sagte der Landrichter.
»Das Beste!« dachte Ib. »Das Allerbeste für mich, und in der Erde! nun, wenn das das Beste ist, so hatte die Zigeunerin Recht in dem, was sie mir wahrsagte.«
Ib ging mit der Fähre von Aarhus nach Kopenhagen; ihm, der nur einige Male über den heimathlichen Strom hinübergesetzt war, schien dies eine Reise über das Weltmeer zu sein. Er langte in Kopenhagen an.
Der Werth des gefundenen Geldes wurde ihm ausgezahlt, es war eine große Summe; sechshundert Thaler. In der großen Stadt ging Ib von der Haide umher.
Gerade am Abende vor seiner auf den nächsten Morgen mit dem Schiffer bestimmten Abreise, verirrte Ib sich mit den Straßen, und schlug eine andere Richtung ein, als er wollte; er hatte sich in die Nebenstadt, Christianshafen, in eine ärmliche Gasse verlaufen. Kein Mensch war zu sehen. Da trat endlich ein ganz kleines Mädchen aus einem der armseligen Häuser heraus; Ib fragte die Kleine nach der Straße, die er suchte; sie blickte ihn aber schüchtern an und weinte heftig. Nun fragte er sie, was ihr fehle, sie gab jedoch eine ihm unverständliche Antwort; aber indem sie die Straße entlang schritten und sich Beide unter einer Laterne befanden, deren Schein dem Mädchen gerade ins Gesicht siel, wurde ihm wunderbar zu Muthe, denn es war leibhaftig Christinchen, welches vor ihm stand, ganz wie er sich ihrer aus der Kindheit erinnerte.
Er trat mit dem kleinen Mädchen in das ärmliche Haus, stieg die enge, wacklige Treppe hinauf, welche zu einer kleinen schrägen Kammer hoch oben unter dem Dache führte. Drinnen war die Luft schwer und fast erstickend, kein Licht brannte, in einem Winkel seufzte und athmete es schwer auf. Ib machte Licht durch Hilfe eines Streichhölzchens. Es war die Mutter des Kindes, welche seufzend auf dem ärmlichen Lager ruhte.
»Kann ich Euch mit Etwas unterstützen?« fragte Ib. »Die Kleine hat mich heraufgeführt, allein ich bin fremd in der Stadt. Sind hier keine Nachbarn oder sonst Jemand, den ich rufen könnte?« Er richtete den Kopf der Kranken auf und schob ihr das Kissen zurecht.
Es war Christinchen von der Haide.
Seit Jahren war drüben ihr Name nicht genannt, das würde den stillen Sinn unsers Ib gestört haben, und was das Gerücht und die Wahrheit erzählte, war auch nichts Gutes: das viele Geld, welches ihr Mann von seinen Eltern geerbt, hatte ihn beirrt und übermüthig gemacht; er hatte seine feste Stellung aufgegeben, war ein halbes Jahr in fremden Ländern umhergereist, und hatte, zurückgekehrt, Schulden gemacht und doch auf einem großen Fuße gelebt; der Wagen neigte sich immer mehr und mehr, und zuletzt schlug er um. Die vielen lustigen Freunde und Tischgenossen sagten von ihm, er habe es so verdient, er habe ja wie ein Toller gewirthschaftet! – Eines Morgens habe man seine Leiche im Canal gefunden.
Christinchen trug schon den Tod im Herzen, ihr jüngstes Kind, nur wenige Wochen alt, in Wohlstand getragen, in Elend geboren, lag bereits im Grabe, und jetzt war es so weit mit Christinchen selbst gekommen, daß sie todtkrank, verlassen in einer elenden Kammer lag; so dürftig wie sie es in ihren jüngern Jahren wohl hätte verschmerzen können, jetzt aber, besser gewöhnt, recht schmerzlich empfand. Es war ihr ältestes Kind auch sein kleines Christinchen, welches mit ihr Noth und Hunger litt, und welches Ib zu ihr hinaufgeführt hatte.
»Ich ängstige mich, daß ich sterbe und das arme Kind hier zurücklasse,« seufzte sie, »ach wo soll denn das arme Kind hin!« – mehr vermochte sie nicht zu sagen.
Ib zog nochmals ein Streichhölzchen hervor, zündete ein Stückchen Licht an, welches er in der Kammer fand, und die Flamme erhellte die elende Wohnung.
Dann betrachtete er das kleine Mädchen und dachte an Christinchen als sie jung war, ihretwillen könne er dieses Kind, das er nicht kannte, lieb haben. Die Sterbende blickte ihn an, ihre Augen wurden immer größer – erkannte sie ihn? Er wußte es nicht, kein Wort ging über ihre Lippen.
Und es war im Walde an dem Strome Gudenau, in der Haidegegend; die Luft war dick und finster, das Haidekraut trug keine Blüthen zu Schau, herbstliche Stürme trieben das gelbe Laub vom Walde in den Strom hinaus über die Haide dahin, wo die Hütte des Kahnführers stand, in welcher jetzt fremde Leute hausten; aber unter dem Landrücken, schön im Schutze hoher Bäume stand das Bauernhäuschen geweißt und angestrichen, drinnen flammte der Haidetorf im Kamin, drinnen war Sonnenschein, der leuchtende Schein zweier Kinderaugen, des Lenzes Lerchentöne klangen in der Rede von des Kindes rothen, lächelnden Lippen; Leben und Freude herrschte drinnen, Christinchen war dort; sie saß auf Ib's Knieen. Ib war ihr Vater und Mutter, diese waren ihr entschwunden, wie das Traumbild dem Kinde und dem Erwachsenen entschwindet, Ib saß drinnen in dem hübschen, geputzten Hause, er war ein wohlhabender Mann, die Mutter des kleinen Mädchens ruhte auf dem Friedhofe bei Kopenhagen – in Elend gestorben.
Ib hatte Geld, hatte sein Schäfchen ins Trockne gebracht, und – er hatte ja auch Christinchen.
Der Schatten.
In den heißen Ländern brennt die Sonne sehr stark; dort werden die Leute mahagonibraun; ja in den heißesten Ländern werden sie sogar zu Negern gebrannt. Dieses Mal war es jedoch nur bis nach den heißen Ländern, wohin ein gelehrter Mann aus den kalten Gegenden gekommen war. Der glaubte nun, daß er da ebenso umherlaufen konnte, wie zu Hause; aber von der Meinung kam er bald ab. Er und alle vernünftigen Leute mußten zu Hause bleiben; die Fensterladen und Thüren wurden den ganzen Tag geschlossen; es sah aus als ob Alle im Hause schliefen oder ausgegangen wären. Die schmale Straße mit den hohen Häusern, in der er wohnte, war aber auch so gebaut, daß die Sonne vom