Auf fremden Pfaden. Karl May
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»Wirst du ihn finden?« sagte er verwundert.
»Sicher!«
Ich untersuchte die beiden Fährten, glitt einer derselben nach und hielt vor einem schmalen Risse im Felsen.
»Hier war es!«
»Härra, du hast es wirklich erraten!« rief er. »In diesen Riß hatte ich die Beutel versteckt und ihn dann mit Schnee angefüllt.«
»Schau her! Hier hast du gekauert, als du das Geld betrachtetest, und hier hielt der Dieb, als er dir den Schlag versetzte.«
»Woher siehst du dies?«
»Das werde ich dir später erklären.«
Während der Fremde einige Augenblicke lang hinter Pent gehalten hatte, waren seine langen Schneeschuhe tiefer in den Schnee eingedrungen und hatten also sehr deutliche Eindrücke hinterlassen. Da sah ich denn, daß der eine Schuh an seiner Sohle eine recht bemerkbare Narbe zeigte, die von einem kräftigen Stoße an einen spitzen Stein herzurühren schien. Doch hielt ich es für besser, Pent von diesem wertvollen Erkennungszeichen jetzt noch nichts zu sagen.
»Wollen wir ihm folgen?« fragte er.
»Ja.«
Wir glitten weiter, aus dem Walde heraus wieder auf die freie Anhöhe und dann jenseits des Höhenzuges hinab in ein breites Querthal, welches wir zu verfolgen hatten, bis wir wieder heraus auf die freie Ebene gelangten. Hier war die Spur dem Schnee so leicht aufgedrückt, daß der Verfolgte im raschesten Laufe dahingeschossen sein mußte. Wir machten es ebenso und glitten mit der Schnelligkeit eines Bahnzuges über die mattschimmernde Fläche fort.
In dieser Weise und in dieser Richtung mußten wir in zwei Stunden den nächsten Nachbar Pents erreichen, den ich bereits zweimal mit besucht hatte. Auch er war wohlhabend, doch bestand seine Haushaltung nur aus ihm, seinem Weibe, einer Tochter und einem Teutnar, der mir nicht sehr vertrauenswürdig vorgekommen war. Sein Herr hatte mir erzählt, daß derselbe aus Norwegen herübergekommen sei und fast ein Jahr bei ihm im Dienste stehe. Wer sich so ganz allein über die wilden Berge wagt, hat gewöhnlich keinen lobenswerten Grund gehabt, sein Vaterland zu verlassen. Daher dachte ich jetzt unwillkürlich, daß er der Dieb gewesen sein könne. War diese Vermutung richtig, so stand zu erwarten, daß er, bevor er die Hütte seines Herrn erreichte, zur Seite gebogen sein würde, um sein Geld zu verbergen. Dies traf aber nicht ein, sondern die Spur führte in unveränderter Richtung weiter. Entweder war der Dieb sehr unvorsichtig oder sehr frech, daß er es gar nicht der Mühe wert erachtete, für seine Sicherheit bedacht zu sein.
So setzten wir unsern Weg schweigend fort, bis wir die Hütte des Nachbars erreichten. Seine Tochter befand sich außerhalb derselben und hatte ihn auf unser Kommen aufmerksam gemacht; daher kam er uns entgegen.
»Tuina litja atna – Friede sei mit dir!« grüßte ihn Pent.
»Tuina aj aj – mit dir ebenso!« antwortete er.
Sodann faßten sie sich beim Leibe, schoben die Wintermasken beiseite und rieben sehr freundschaftlich die Nasen aneinander. Ich als Fremder aber kam mit einem Händedrucke davon. Die beiden Frauen wurden auf gleiche Weise begrüßt, und dann fragte Pent:
»Wo ist Teutnar Pawek? Ich sehe ihn nicht.«
»Dort bei den Tieren kannst du ihn sehen.«
Wirklich sahen wir die Gestalt des Betreffenden bei den Rentieren, welche beschäftigt waren, Flechten unter dem Schnee hervorzuscharren.
»Hat er seine Ski an?« erkundigte ich mich.
»Nein, hier an der Hütte lehnen sie.«
Ich trat näher, um die Schuhe zu betrachten, und bemerkte an einem derselben sofort das angedeutete Zeichen.
»Rufe ihn herbei. Wir haben mit ihm zu sprechen,« sagte ich.
Auf einen grellen Pfiff und einen Wink mit der Hand kam der Knecht langsam herbei.
»Puorest ... guten Tag!« grüßte er mit der unschuldigsten Miene von der Welt.
»Sind diese Ski dein Eigentum?« fragte ich ihn.
»Ja, Härra,« antwortete er.
»Kommt in die Hütte! Ich habe mit diesem Manne zu reden.«
Der Knecht kroch ohne alles Widerstreben sogleich zuerst durch den Eingang, und seine Herrschaft folgte ihm neugierig. Der Besitzer der Hütte hieß Stalo, zu deutsch ›Riese, obgleich er mir nur bis an die Achseln reichte.
»Attje Stalo,« sagte ich zu ihm, »dieser Knecht wird sehr bald von dir gehen.«
»Wohin?« fragte er erstaunt.
An das Kittek.«
Er richtete sich erschrocken in die Höhe:
»Was sagest du, Härra?«
»Daß er in das Gefängnis gehen wird.«
»Warum?«
»Weil er ein Dieb ist.«
»Härra, willst du mich und mein Haus beschimpfen!«
»Nein. Warum sollte ich dich beleidigen wollen? Du bist ja unser Kweime! Ich habe mit dir gegessen und getrunken; ich habe dich und die Deinigen lieb gewonnen; ich bin nur auf dein Glück und deinen Frieden bedacht, und darum sage ich dir, daß dein Knecht ein Dieb ist.«
Der Knecht antwortete nicht und bewegte sich nicht; auch die beiden Frauen waren wortlos; Stalo aber rief:
»Härra, beweise es!«
»Sogleich! Dieser Mann war gestern entfernt von deiner Hütte?«
»Ja. Ich sandte ihn vorgestern über den Fjäll zu Arpen Rauna, welche ein Partnekuts erhalten hat, dem er als Zahngeschenk ein Ren hinüberschaffen mußte.«
»Wann kehrte er zurück?« »Sehr spät; es war heute zur Zeit des Melkens.«
»Attje Pent mag dir erzählen, weshalb der Knecht so viele Zeit verloren hat.«
Pent erzählte sein unglückliches Abenteuer. Der Knecht hörte es sehr ruhig an, ohne mit der Wimper zu zucken; die anderen aber gerieten in die höchste Aufregung. Als der Erzähler geendet hatte, fragte Stalo den Knecht:
»Was sagst du dazu?«
»Ich that es nicht.« antwortete er sehr ruhig.
»Du leugnest!«
»Ich schwöre, daß es ein anderer war. Ich bin gar nicht nach dem Spalteise gekommen.«
»Aber sie haben deine Spur verfolgt!« »Sie irren! Sucht, ob ihr das Silber bei mir findet!«
»Das werden wir thun,« sagte sein Herr.
Seine Kleidung und dann auch die Hütte wurde aufs genaueste