Auf fremden Pfaden. Karl May
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»Härra, du irrst! dein Kopf ragt über alle Samelatjit hinweg und nie hat man hier solche Waffen gesehen, wie die deinigen sind. Ein jeder Dieb wird sich vor dir fürchten. Auch bist du in fernen, wilden Ländern gewesen, wo du gelernt hast, die Spur eines Flüchtlings so zu lesen, wie wir es nicht vermögen. Du selbst hast uns ja erzählt von den bösen Indatjit, denen ihr gefolgt seid über Berg und Thal, um ihnen die Felle wieder abzunehmen, die sie euch gestohlen hatten. Ich werde dich auf die Spur des Diebes führen und ich weiß, wenn du sie betrachtest, so kann er uns nicht entgehen.«
Hm! Ein solches Vertrauen hatte ich nicht erwartet. Ich war blamiert, wenn ich auf seinen Wunsch einging, ohne es rechtfertigen zu können; darum antwortete ich:
»Attjats, ich bin noch zu kurze Zeit im Samelanda; ich glaube wirklich nicht, daß ich dir helfen kann.«
Da blinzelte er mich mit seinem schlausten Lächeln an und sagte:
»Härra, du kannst, denn du hast ja gesagt, daß du ein Doktor bist!«
»Meinst du etwa, daß ein Doktor auch gelernt haben muß, Diebe zu fangen?«
»Willst du mit mir scherzen? Ein Doktor hat alles gelernt; ein Doktor kann alles, wenn er nur will!«
»Wer hat dir dies gesagt?«
»Das braucht mir niemand zu sagen, weil wir es ja alle wissen. Einem Doktor muß alles gelingen, denn er hat gelernt, sich ein Saiwa tjalem zu machen, und wer ein gutes Saiwa tjalem bei sich trägt, dem kann nichts mißglücken, so lange er dafür sorgt, daß es unverletzt bleibt.«
»Du irrst,« sagte ich unter mißbilligendem Kopfschütteln. »Es giebt kein Amulett und kein Saiwa tjalem, welches eine solche Kraft besitzt.«
»Härra, du willst es bloß nicht zugeben! Ich selbst habe ja eine solche Schrift gehabt.«
»Von wem?«
»Von einem Doktor, den ich in Luleå am Meere traf. Er war ein sehr kluger Mann; er gab mir Arznei für meine kranken Augen, und als ich ihn dann um ein Amulett bat, schrieb er es mir sogleich, ohne Geld dafür zu nehmen. Ich habe es viele Jahre lang auf der Brust getragen und in dieser Zeit niemals ein Unglück gehabt. Nun aber hat es der Schweiß zerfressen, und darum ist seine Wirkung fast ganz verloren gegangen. Wäre es nicht so zerrissen, so wäre ich sicher nicht in die Spalte geraten. Ich werde dich bitten, mir ein neues zu schreiben.«
»Wo hast du es?«
»Hier,« antwortete er, auf die Brust deutend.
»Darfst du es mir zeigen?«
»Der Doktor hat mir dies nicht verboten. Willst du es sehen?«
»Ja.« – Er langte unter seine Kleider und zog ein zusammengelegtes Stück Leder hervor, welches an einer Schnur hing und ein vielfach zusammengefaltetes Papier enthielt, welches er mir entgegenreichte.
»Hier,« meinte er. »Kennst du die Zeichen, welche darauf stehen?«
Die mit Bleistift geschriebenen Züge waren sehr verwischt; aber dennoch erkannte ich auf den ersten Blick, daß es deutsche Worte waren. Meine nicht geringe Überraschung ging bald in ein lustiges Lachen über, als ich folgende Worte enträtselte:
»Am Ganges duftet's und leuchtet's
Und Riesenbäume blühn,
Und schöne, stille Menschen
Vor Lotosblumen knien.
In Lappland sind schmutzige Leute,
Plattköpfig, breitmäulig und klein;
Sie kauern ums Feuer und backen
Sich Fische und quäken und schrein.
Ein Spaßvogel.«
Also diese bekannten Verse von Heinrich Heine hatte der gute Vater Pent jahrelang auf seinem Herzen getragen und ihnen wunderbare Kräfte zugetraut! Der neckische Kobold des Dichters hatte den letzteren überlebt, um nach dessen Tode sogar bis hinauf in die Lappmarken seinen Spuk zu treiben. Wer aber war der Schreiber dieser Zeilen gewesen? Wirklich ein Arzt? Sollte sich ein gebildeter Mann wirklich so weit vergessen können, einen abergläubischen Lappen in seinen Vorurteilen zu bestärken? Trotz meiner anfänglichen Belustigung ärgerte ich mich doch darüber; darum sagte ich:
»Attje Pent, das ist kein Saiwa tjalem, sondern ein Kaiwes tjalok und der, welcher es geschrieben hat, ist kein Doktor gewesen.«
»Härra, es hat ja geholfen!«
»Ich werde dir diese Schrift vorlesen, und dann magst du sehen, was du von ihr zu denken hast.«
Ich übersetzte ihm, so gut es ging, die Worte in das Lappländische; er aber sprang bei den letzten Worten zornig auf und rief:
»Willst du mich verhöhnen? Diese Worte stehen nicht hier!«
»Sie stehen hier!«
»Das ist nicht wahr, Härra!«
»Willst du mich einen Lügner nennen?«
Er besann sich.
»Härra, du bist stets ernst und gut mit uns gewesen, jetzt aber scherzest du. Dieses Saiwa tjalem hat mich aus mancher Not errettet; die Worte aber, welche du mir jetzt sagtest, sind böse; sie beleidigen mich; sie können keinen Menschen erretten; sie können mir auch mein Silber nicht wiederbringen!«
»Da hast du sehr richtig gesprochen. Ich habe dir ganz genau vorgelesen, was auf dem Papiere steht; ich habe kein Wort weggelassen und auch keins dazugethan! Wirf das Papier fort; es nützt dir nichts!«
»Sagtest du mir wirklich die Wahrheit?« fragte er zweifelnd.
»Ja.«
»Härra, ich werde dieses Papier prüfen.«
»Wie willst du dies anfangen?«
»Ich werde es wieder einstecken. Wenn wir den Dieb fangen, so ist es gut, fangen wir ihn aber nicht, so taugt es nichts.«
»Diese Probe ist nicht zuverlässig, denn du willst den Dieb ja durch mich fangen, nicht aber durch dieses Papier. Wenn du diese Probe wirklich machen willst, so mußt du allein gehen.«
Er besann sich, und dann sagte er:
»Du hast recht, und darum werden wir die Probe anders machen: Der Dieb wird das Geld bereits versteckt haben, wenn wir ihn finden, und er wird auch nichts eingestehen. Dann werde ich ihm diese Schrift geben. Beschützt sie ihn, so ist sie gut, finden wir aber das Geld, so ist das wahr, was du mir vorgelesen hast.«
Das war nun allerdings eine echt lappländische Kalkulation, aber gerade weil die Sache so abenteuerlich klang, ging ich darauf ein.
»Gut, du sollst deinen Willen haben. Zeige mir die Spur des Diebes!«
Wir brachen auf und drangen tiefer in den lichten Wald ein. Nach vielleicht