HORIZONTE ÖFFNEN. Markus Orians
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Aber zu dieser Zeit kam auch der „Sündenfall“. Für mich ist diese Erfahrung im Nachhinein ein Symbol, zu der maßlosen Gier, die wir durch die Globalisierung erfahren. Es war bei einem Richtfest. Der Chef war leicht angetrunken und er-zählte voller Stolz, wie er den Bauherrn betrogen hat. Wir mussten mehrere Hundert Gesimse aus Teak-Holz herstellen und einbauen. Ein Gesims war gut 30 cm breit. Der Preis der Gesimse sollte pro Quadratmeter berechnet werden. Mein Chef rechnete jetzt aber nicht pro Quadratmeter sondern pro laufenden Meter ab. Dies bedeutete, dass er dadurch den Gewinn verdreifachen konnte. Ich war knapp 15 Jahre damals und mir war Betrug in dieser Art fremd. Die meisten Arbeiter lachten mit dem Chef aber nicht alle. Ich weiß noch, wie „komisch“ ich mich danach fühlte.
Der Chef machte wohl öfter ähnliche Geschäfte, denn jedes Jahr wurde das Auto ein größerer Mercedes. Aber nicht nur das Auto wurde größer, sondern auch sein Bauch wuchs, seine Hängebacken wurden immer länger und das Kinn wurde zum Doppel und dann zu einem Dreifach Kinn.
Damals war es in Konstanz üblich, dass man in der Firma, in der man die Lehre absolvierte, bis zur Rente blieb. Man baute sich ein kleines Häuschen, das man kurz vor der Rente abbezahlt hatte und hinterließ zwei oder drei Kinder. Weil dies nicht mein Weg war, suchte ich nach anderen, begehbaren Wegen für mich.
Es wurde nichts aus dem Paradies. Die Chefs verdienten immer mehr, die Arbeiter im Verhältnis immer weniger und heute gibt es die Mini- und Midijobs. Es wird nicht mal mehr nach Tariflohn bezahlt, weil es nicht einmal mehr einen Mindestlohn gibt. Die Hälfte aller neuen Arbeitsplätze, die heute entstehen, sind zeitlich befristet. Im Einzelhandel hat man 2011 fast 62 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Davon 2000 festangestellte Arbeitsplätze. Etwas mehr als 3 % oder anders formuliert heißt das, dass 97 % dieser neuen Arbeitsplätze Mini-Jobs sind. Für diese Menschen bedeutet dies Unsicherheit, Ängste und im Zweifelsfall macht man dann unbezahlte Überstunden und passt sich dem Chef in einer Form an, bei der die Würde verlorengehen kann. Alles nur, um zu den Wenigen zu gehören, denen ein neuer wiederum befristeter Vertrag winkt. In den 70er und 80er Jahren konnte man diese Entwicklung nicht vorhersehen. Das Lebensniveau ist in den letzten 50 Jahren sicher gestiegen, aber die Lebensqualität hat bedenklich nachgelassen. Die stabilen Arbeits-Verhältnisse der 50er und der 60er Jahre sind wie schon die Zahlen zeigen, deutlich zurückgegangen. Dafür stiegen zu dieser Entwicklung passend, psychische Krankheiten wie Depression deutlich an.
In Demokratien geht es nicht um Glück oder Sinn, es geht um Sicherheit oder anders ausgedrückt, um die Ängste der Besitzenden. Sicherheit für die Grund, Boden, Güter und Geld besitzenden Menschen. Ein großer Teil der Polizei ist weltweit dafür da, diese Sicherheit zu gewährleisten. Polizisten werden zu-nehmend gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden, um die „Sicherheit“ der Produktionsmittel, um die Ungerechtigkeit in unserer sogenannten Demokra-tie weiterhin zu erhalten, um die Reichen selbst und ihre Kinder in den soge-nannten Demokratien zu beschützen. Die Polizei nicht der Freund und Helfer für alle Menschen, sondern in erster Linie für die „Mächtigen.“ Der Wert, das per-sönliche Glück, das die meisten Menschen als ihren höchsten Wert ansehen, spielt in der Demokratie bisher kaum eine Rolle! Wert im Sinne von Guardini der sagt, dass der Wert der „Kostbarkeitscharakter der Dinge“ ist. Am Kostbarsten im Kapitalismus ist die Sicherheit der Produktionsmittel? Kann ein System, das sich schützen lassen muss, gerecht sein? Gerecht kommt von richtig. Ist das, was in der ökonomischen Welt geschieht richtig? Sollten wir nicht versuchen das gesellschaftliche System so gerecht, so richtig wie möglich machen? Müssten wir dann nicht überlegen, was in einem solchen System nicht richtig ist und deshalb geändert werden müsste?
1.5 Wachstum wie bisher – ist nicht zukunftsfähig
Holger Rogall sagt, dass unter den Vertretern nachhaltiger Ökonomie Einigkeit besteht, dass das bisherige Wachstum- Paradigma nicht zukunftsfähig ist:
bis heute haben weder die Konsumenten, die Unternehmer noch die Politiker diese Brisanz verstanden. Man könne noch nicht erkennen, welchen Weg wir ge-hen werden. Entweder wird das 21. Jahrhundert das Jahrhundert der Nachhal-tigkeit oder ein Jahrhundert der Verteilungskonflikte, der Klima und der Ressour-cen Kriege. Die Kämpfe haben bereits begonnen.
Die jetzigen Industriestaaten müssen aufgrund des intragenerativen G-rechtig-keitsprinzip ihren Ressourcenverbrauch bis zu „90 %“ in den nächsten 50 Jahren mindern.
Das Leitbild der Nachhaltigkeit ist ethisch begründet. Es basiert auf den ethischen Grundwerten der Gerechtigkeit und der Verantwortung. Alle Nachhal-tigkeitskonzepte auf ökonomischer Ebene sind auf Verteilungsgerechtigkeit und Zukunftsverantwortung angelegt.
Das größte Marktversagen ist die Klimaerwärmung. Soll der Treibhausgehalt und der Temperaturanstieg auf 22,4 Grad Celsius am Ende dieses Jahrhunderts gegenüber dem vorindustriellen Wert begrenzt bleiben, dann muss das Wachs-tum der Emissionen in den nächsten 15 Jahren gestoppt werden und bis 2050 um mindestens 60 % gegenüber heute sinken. Wird dieses Ziel nicht erreicht, werden wir die Folgen nicht mehr bezahlen können! Wir können es uns auch nicht aus ethischen Gründen erlauben! Wir entfernen uns zurzeit immer weiter von diesem Ziel, denn nach heutigen Berechnungen werden wir um die 3,2 Grad erreichen. Die polare Eisfläche schmilzt zurzeit zwei bis dreimal schneller als man dies bisher berechnet hatte. Aber nicht nur die polare Eismasse schmilzt. Am 23. Januar kam auf 3sat ein Film über die Alpen unter der Überschrift: „ Die Hölle ist die Summe unserer Versäumnisse.“ Wissenschaftler sprachen davon, dass die Gletscher viel schneller zurückgehen, als sie bisher annahmen. Schon heute kann ohne künstlichen Schnee durch die Schneekanonen kein regelmäßiger Skitourismus mehr stattfinden. In 15 Jahren sagen sie wird es keinen Skisport mehr geben, weil es selbst für die Schnee-kanonen zu warm ist. Die Gefahren für die Dörfer und Städte durch Muren, Gerölllawinen, Hochwasser und Felsen-abbrüchen können heute noch gar nicht ermessen werden. Sie bemerkten aber auch, dass dies, wie bei fast allen Katastrophen, die erst in absehbarer Zukunft kommen werden, die Menschen und vor allem die politisch Verantwortlichen bisher nicht wirklich wahrnehmen. Sie wollen nicht wahrhaben, dass es in Bayern, Italien, Schweiz, Österreich und Frankreich bald keinen Skitourismus mehr geben wird und damit eine der wichtigsten Geldquellen dort versiegen wird. Aber nicht nur in den Alpen schmelzen die Gletscher weg. Im Himalaya geschieht dies genauso, wie auch in den Anden, mit Auswirkungen auf den Wasserhaushalt von vielen, wenn nicht gar hunderten Millionen Menschen. (China, Bangladesch, Indien, Tibet, Nepal, Peru...)
Einerseits wird es dann Millionen Menschen geben, die vom Wasser akut bedroht sind, weil dies heißt, dass der Meeresspiegel steigen wird, andererseits kann es 2025 gut sein, das 2/3 aller Menschen in Gegenden leben, die von Wassermangel bedroht sind. Dies heißt Abnahme der Ernteerträge und Zunahme des Hungers. Besonders Asien ist gefährdet. Man rechnet mit 40 Millionen Städten und wo die Menschen hin sollen, die jetzt noch am Ufer des Meeres zum Beispiel in China leben, das Land, das dann vom Meer bedeckt sein wird, weiß auch niemand. Der Umweltschutzverband WWF gab bekannt, dass es zwischen 2000- 2011 fünfzig bewaffnete Konflikte nur wegen des Wassers gegeben hat.
Wir müssen uns sobald wie möglich vom fossilen Zeitalter verabschieden und in das Solarzeitalter wechseln. Bis Ende des 18. Jahrhundert benutzten die Men-schen fast nur erneuerbare Energien. In Europa waren etwa 600 000 Wasser-mühlen in Betrieb. Noch 1895 gab es 18 000 Windmotoren und 55 000 Wasser-motoren und nur 59 000 Dampfmaschinen und 21 000 Verbrennungs-kraft-maschinen. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Kohle Hauptenergieträger. Öl und Gas wurde erst nach dem 2. Weltkrieg genutzt. An-fang des 20 Jahrhundert galten die erneuerbaren Energien als unmodern. Dieses Denken hielt sich bis zur ersten Erdölkrise 1970. Die fossilen und atomaren Ener-gieträger liefern uns gerade mal 0,6 % des Energieaufkommens von der Sonne in Deutschland.
Heute weisen fast