HORIZONTE ÖFFNEN. Markus Orians
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Seit November 2011 sind auf der Erde 7 Milliarden Menschen zu „Hause“. Bis zur ersten Milliarde dauerte es je nach Sicht zwischen 3 und 4 Millionen Jahre. Dies war 1804. Die zweite Milliarde wurde dann nach 123 Jahren erreicht. Von der 6. zur 7. Milliarde brauchten wir gerade mal „11“ Jahre. Wie viel von diesen 7 Milliarden Menschen lebt eher ein unwürdiges Leben? Spinoza sagte mal, dass er nur das für sich fordern kann, was er für alle Menschen fordert. Es ist gar nicht möglich, dass diese 7 Milliarden Menschen in einem vergleichbaren Wohlstand leben können, wie jetzt noch die Europäer. Die Ressourcen der Erde geben dies nicht her. Aber nicht nur viele Menschen leben an der Grenze des Hungers. Seit der Mensch sich immer mehr auf der Erde breit macht, schwindet die Arten-vielfalt. Zwischen 1850 und 1950 verschwand im Schnitt noch eine Artenvielfalt im Jahr. Heute nimmt man an, dass Tag für Tag etwa 70 Arten aussterben. Wenn eine Pflanze oder ein Tier ausstirbt wird es diese Art nie mehr geben. Ein Viertel aller Säugetiere sind bedroht, gefährdet oder sehr gefährdet. Wir brauchen aber diese Artenvielfalt. Je weniger Artenvielfalt, umso bedrohter sind wir selbst.
Nahezu 40 % der Menschen sind ohne Zugang zu sanitären Einrichtungen. Es gibt z.B. mitten in Bombay ein Slum mit ca. 1 Million Menschen, der täglich wächst. 1,2 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, keine Kanalisation, keine Abfallentsorgung. Die meisten Krankheiten dieser Menschen hängen mit sanitären Defiziten zusammen.
In den Entwicklungsländern führt die große Armut der Bevölkerung dazu, dass sie die natürlichen Ressourcen über ihre Regenerationszeit hinaus nutzen. Ackerboden, Weiden, Süßwasser, Holz. Fehlende Kläranlagen und Kanalisation, führen bei der Abfallentsorgung zur Kontamination (Verseuchung) der Böden und des Trinkwassers. Die Weltbank hat festgestellt, dass in 70 der bevölkerungs-reichsten Ländern das brauchbare Wasser, um 30 Prozent zurückging. Die näch-sten Milliarden Menschen kommen aber aus diesen Ländern. Es gibt Gegenden in Afrika und Südamerika, da ist Wasser jetzt schon wertvoller als Öl.
Nehmen wir nur ein Beispiel über die Ressource Wasser. Der Mekong ist einer der größten Flüsse der Erde. Da Energiegewinnung eine der wichtigsten Aufgaben in einer marktorientierten Gesellschaft ist, wird sie sogar über die Existenzberechtigung von Menschen gestellt. Die Energiegewinnung durch Was-serkraftwerke führt zur existenziellen Bedrohung von Millionen von Fischern und Reisanbauern. Die Dammbauten am Mekong von China und Laos sollen Strom liefern. Der Fluss fließt aber noch durch: Thailand, Kambodscha und Vietnam. Durch die Dämme wird die Fließgeschwindigkeit des Flusses stark verlang-samt. Das führt dazu, dass hunderte Fischarten nicht mehr zu ihren Laichgründen gelangen. Die Hälfte des Reisbedarfs der 84 Millionen Vietnamesen wird bisher durch die Felder des Deltas vom Mekong abgedeckt. Durch die verlangsamte Fließgeschwindigkeit bringt der Mekong schon jetzt weniger Flusssedimente mit. Der fruchtbare Schlamm ließ bisher drei Ernten im Jahr zu. Weil der Mekong we-niger Wasser mit sich führt, dringt das Salzwasser des Meeres immer weiter vor, so dass die Reisernte schon jetzt, obwohl bisher erst drei chinesische Kraftwerke gebaut worden sind, viel geringer ausfiel. Es sollen noch „17“ Kraftwerke gebaut werden!
1.3.11 Schulden
Der Staat blutet aus, während Konzerne Milliardengewinne machen und an ihre Besitzer, die Aktienbesitzer auszahlen. Solange für uns Wachstum das höchste Ziel bleibt, macht sich der Staat abhängig vom Markt und damit erpressbar. In der Regel möchten Reiche und Superreiche und Betriebe so wenig Steuern wie möglich zahlen. Zur Systemimmanenz gehört, dass sie mit allen Mitteln wie: Lügen, betrügen, Zahlen fälschen, Korruption den Staat und damit unser Rechts-system betrügen, wo immer es möglich ist. Sie identifizieren sich nicht mit unserer demokratischen Struktur. Sie machen es ähnlich wie so mancher Politiker, die ihrem Volk nicht in erster Linie dienen, sondern sich von ihm bedienen lassen. Aber eine ähnliche Einstellung haben nicht wenige Menschen zu unserem System. Wenn es möglich ist, lassen sie schwarzarbeiten, stellen Putzfrauen oder Pflegepersonal an, ohne irgendwelche Abgaben zu zahlen. Alles ohne jede Skrupel. Der Staat steht ihnen eher als fremd gegenüber, dem man so wenig wie nur möglich zukommen lassen will. Die Demokratie ist für viele Menschen keine Herzensangelegenheit, sondern ein notwendiges Übel. Die Staa-ten bluten aus, sind Bittsteller bei den Banken, beziehungsweise die Banken leben von den Zinsen der Staaten. Im Haushalt 2012 hat Deutschland 38 Milliarden Euro reserviert, nur um die Zinsen für die 2 Billionen Euro Schulden zahlen zu können. Kein Euro, um die Schulden abzuzahlen. Im Gegenteil, man macht noch einmal über 20 Milliarden neue Schulden, obwohl man davon aus-gehen kann, dass die Konjunktur die nächsten Jahre nicht so gut wie 2011 sein wird. Wann wird durch die Krise die EU auseinanderbrechen? Um diese Wahnsinns Summe von gut 2 Billionen Euro Schulden etwas fassbarer zu machen ein Beispiel: Wenn wir jeden Tag etwa 3 Millionen Euro von diesen Schulden tilgen würden, müssten wir dies etwa 2000 Jahre durchhalten, um diese Summe auf null zu bringen.
1.4 Wann begann die große Verschwendung?
In den 60er Jahren habe ich das Buch „Die große Verschwendung“ gelesen. Dort wurde unter anderem beschrieben, wie eine große Firma den Verkauf von Kartoffelmesser vervielfachte. Kartoffeln waren mit Getreide (Brot) damals das wichtigste Nahrungsmittel. Man legte ein Zeitungspapier aus, sodass die Schalen vom Papier aufgenommen werden konnten. Bevor man die Kartoffeln auf den Herd stellte, fiel das Schälmesser in der Regel auf die Schalen. Die Firma hatte nun die Idee den Griff des Schälmessers der Farbe der Kartoffelschalen anzupassen. Man packte in der Regel die Schalen in das Papier ein und weil da jetzt ein fast unsichtbares Schälmesser lag, wurde es mit den Schalen häufig weggeschmissen. Damals fand ich diese Dreistigkeit auch interessant. Schon mehr ärgerte mich, dass in dem Buch auch festgestellt wurde, dass viele Produkte und Güter schon damals hätten länger haltbar hergestellt werden können. Z. B. Reifen und Mäntel bei Fahrräder und Autos wurden so hergestellt, dass man bald wieder welche kaufen musste. Spätestens hier begann die Zeit der Profitmaximierung nach dem Zweiten Weltkrieg.
Anfang der 60er Jahre hätte man vielleicht noch einen anderen Weg einschlagen können. Zu dieser Zeit machte ich eine Lehre in Konstanz als Zimmermann. Ich konnte mindestens zwischen vier Ausbildungsplätzen wählen. Es war auch die Zeit, in der die Gewerkschaften immer mächtiger wurden. Nach Tarif verdiente ein Geselle damals 3,50 DM in der Stunde. Kein Geselle, den ich kannte, arbeitete aber nach Tariflohn. Mindestens 4,20 DM war der tatsächliche Lohn. Quasi automatisch bekam man jedes Jahr 20 Pfennig oder knapp 5 % hinzu. Bei Überstunden verdiente man gut 6,00 DM pro Stunde.
Es war auch die Zeit, in der man langsam aber sicher tarifmäßig immer weniger arbeiten musste. Von 42 Stunden sank die Arbeitszeit in wenigen Jahren auf 38 und in manchen Branchen auf 36 Stunden. Herbert Marcuse war nicht der Ein-zige, der in die Zukunft blickend glaubte, dass wir bald nur noch 20 Stunden in der Woche arbeiten müssen. Das hieß die Freizeit wird immer mehr zunehmen und auf das Paradies braucht man nicht mehr bis nach dem Tod zu warten, denn das schaffen wir uns jetzt schon in der irdischen Welt selbst.
Dies war auch die Zeit, in der wir nach Umfragen am glücklichsten waren. Der Güterbedarf war gedeckt, materiell ging es allen ganz gut. Ich habe damals die Volksschule besucht und kann mich nicht erinnern, dass auch nur ein Schüler keine Ausbildung gemacht hat. Jeder hatte einen Arbeitsplatz. Größere Firmen hatten immer ein oder zwei Plätze für geistig behinderte Menschen, die aber mit zur Firma gehörten und auch gar nicht so schlecht bezahlt wurden. Ich will hier diese Zeit aber nicht verklären. Die Arbeit war hart und nicht viele können sich heute noch vorstellen, wie hart wir gearbeitet haben. Der Ton war rau und es gab auch eine klare Hierarchie an der niemand rütteln konnte. Das Geld bekam man wöchentlich in einer Lohntüte direkt vom Chef überreicht und selbst ich als Stift (jüngster Lehrling) verdiente richtig gutes Geld. Es war noch die Zeit, in der Menschen, die auf dem Bau arbeiteten, selten das 70ste Lebensjahr erreichten. Trotzdem, wir fühlten uns nicht ausgebeutet, sondern hatten das Empfinden für harte Arbeit gut bezahlt zu werden. Der Chef verdiente und ließ seine An-gestellten auch mitverdienen.