Die Stille im Dorf. Karl Blaser

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Die Stille im Dorf - Karl Blaser Eifel-Saga

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mochte. Im Vorbeigehen stibitzte er ein paar rot leuchtende Kirschen und flegelte sich sodann breitbeinig mitten auf dem Platz auf die abgewetzten Basaltstufen des Marktbrunnens. Von da sah er dem Treiben zu und grinste ab und zu spöttisch. Wie sie feilschten und dabei ihre Hände an die Brust schlugen, mit Worten um sich warfen, lachten, schimpften, sich entrüsteten, die Stände verließen und wiederkamen, die schlauen Händler, die Besitzer, die vielen Käufer: zufrieden alle, Hauptsache die Geschäfte liefen, egal ob gut oder schlecht. Johann griff in die Hosentasche, zog seine Mundharmonika hervor und begann zu spielen. Er hatte die Musik im Blut. Unfähig zwar, Noten zu lesen, konnte er jedoch jede Melodie nachspielen, wenn sie sich einmal in seinem Kopf festgesetzt hatte, und darauf war er stolz.

       Die Töne hüpften wie spielende Kinder über den Platz.

       Was für ein Julitag!

       Nicht weit von Johann entfernt breitete Anna eine karierte Tischdecke aus und drapierte die geschlachteten Hühner akkurat auf dem Stoff. Es dauerte nicht lange, da trat Sarah, die junge Frau des hoch geachteten Amtsarztes, zu ihr an den Stand und erzählte, dass sie am Abend in ihrem Haus eine Gesellschaft gebe. Sarah handelte nicht lange, drückte nicht den Preis, den Anna von ihr verlangte, sie kaufte alle drei Hühner auf einen Streich. Anna faltete zufrieden ihre Decke wieder zusammen. Dann lief sie rasch zu Jakobs Laden hinüber. Sie musste noch Besorgungen machen. Draußen am Fenster stand ein feiner Schriftzug:

       JAKOB ROSENWASSER

      Kurzwaren.

      Anna öffnete die Tür: Dingididong. Sie zuckte leicht und trat ein. Schüchtern schritt sie durch das kleine Geschäft, vollgestopft mit allem möglichen Krimskrams. Vor den Halsketten, die an der Brust einer kopflosen Modepuppe baumelten, blieb sie stehen. Nein, keinen Klunker, sagte sie sich. Die Frauen im Dorf trugen keinen Schmuck, nur einen Goldring, wenn sie heirateten, das war alles. Sie waren nicht behängt wie die Christbäume, gerade das unterschied sie von den Weibern in der Stadt.

      »So ein Quatsch«, kommentiert Margarete. Sie lacht. »Unsinn! Das hast du wirklich gedacht?«

      »Ja, das schoss mir durch den Kopf. Und es stimmt ja auch. Heute noch mehr als damals. Oder kannst du mir eine Frau im Dorf nennen, die herumläuft wie ein geschmückter Weihnachtsbaum?«

       Margarete schweigt. Sie will das nicht kommentieren.

       Anna erzählt weiter: Auf der Theke stapelten sich Stoffe, Dosen mit Knöpfen in allen Größen, Farben und Formen, Garn und Zwirn, Socken und Strumpfbänder. Annas Blick fiel auf einen Hut.

       So einen hatte sie noch nie gesehen. Sie trat näher und fuhr mit ihren rauen Fingerkuppen darüber. Weich war er wie das Fell eines kleinen Kätzchens. Ein Hut, dachte sie, aus dunkelrotem Haarstoff. So einen Hut hatte im Dorf keine. Und wie gut er sich anfühlte! Aber die Frauen im Dorf banden sich Kopftücher um. Ihre Mutter hätte es niemals erlaubt, dass sie sich mit einem Hut auf der Straße zeigte. Und nur um die Kühe und die Hühner im Stall damit zu beeindrucken, dafür war er viel zu teuer. Anna war eine Bäuerin, die trugen keine Hüte. Schuster bleib bei deinen Leisten, fuhr es durch ihren Kopf.

       Hinter einem Kleiderständer lugte auf einmal das verschmitzte Gesicht des Juden hervor. Seine Haut glänzte. Er hatte ein einnehmendes Lächeln.

      »Der Jud‘ konnte einen glauben machen, dass alles, was er feilbot, wertvoll sei. Selbst ein billiger Hosenknopf. Sein Mund war sehr schmeichlerisch«, erzählt Anna.

      »Das junge Fräulein mal wieder in der Stadt«, fragte er.

      »Heut war ja Markt«, sagte Anna. »Ich muss mich beeilen, damit ich im Hellen zurück bin.«

      »Sucht das junge Fräulein was Bestimmtes?«, erkundigte sich Jakob, »vielleicht einen neuen Hut?«

      »Er nannte dich Fräulein?«, fragt Margarete.

      »Ja, er sagte Fräulein zu mir. Dieser Jud‘ musste mich beobachtet haben.«

      »Ich soll Priem für den Vater mitbringen«, sagte ich.

      »Sofort.«

       Er kramte eine Blechdose aus dem Regal hinter sich hervor. Er reihte die Kautabakrollen auf die gläserne Theke.

      »Pflaume ist jetzt ganz groß in Mode bei den Herren der Gesellschaft. Pflaume kann ich wärmstens empfehlen.«

      »Nein, bloß nicht! Lakritze muss es sein.«

      »Natürlich, Lakritze, mein Fräulein! Hier die Lakritze für den Vater. Darf es sonst noch etwas sein für das junge Fräulein?«

      »Ach, ja, und graues Stopfgarn«, erinnerte sich Anna.

       Das hätte sie beinahe vergessen. Er zog eine weitere Dose hervor und öffnete sie wie einen kostbaren Schatz.

      »Warum probiert das junge Fräulein den Hut nicht mal an?«, fragte er, sprang hinter der Theke hervor, nahm den Hut von der Puppe und hielt ihn Anna direkt vor die Nase.

      »Gefällt er dem jungen Fräulein etwa nicht? Ein schöner Stoff ist das. Aus kostbarem Biberhaar gefertigt.«

       Er griff nach Annas Hand, führte sie sanft über die Hutoberfläche.

      »Das Fräulein kann ihn ruhig einmal anprobieren. Probieren kostet nichts.«

      »Ja ... aber ... ich«, stammelte Anna.

       Jakob drückte ihr den Hut an die Brust und verschwand wieder hinter der Theke, die verunsicherte Kundin aus der Entfernung betrachtend.

      »Setzen Sie ihn auf, ich drehe mich um und zähle bis drei. Eins … zwei …«

       Ungelenk stülpte sich Anna den Hut über den Kopf.

      »… und drei!« Jakob drehte sich blitzschnell um seine Achse. »Voilà! Wunderwunderwunderschön!«

       Mit einem Spiegel in der Hand kam er wieder hinter der Theke hervor.

      »Erlauben Sie?«

       Er schob den Hut etwas in ihr kleines, rundes Gesicht.

      »Steht er mir?«

       Anna spürte, dass sie errötete.

      »Das fragt das Fräulein noch? Sehen’s nur! Spiegel lügen nicht!«

      »Weiß nicht«, murmelte Anna verlegen.

       Sie betrachtete sich eine Weile, drehte sich nach links, nach rechts. Noch nie hatte sie sich mit Hut gesehen. Er veränderte ihr Gesicht! Ob der Jude den Hut wohl gegen ein Suppenhuhn eintauschen würde? Ein Huhn weniger auf der Wiese würde sicher keinem auffallen.

      »Im Dorf tragen die Frauen aber keine Hüte«, sagte Anna.

       Sie nahm den Hut vom Kopf und drückte ihn Jakob in die Hand.

      »Ich lege ihn bis zum nächsten Markttag zurück. So ein Hutkauf will überlegt sein. Ein Hut ist schließlich was fürs Leben. Wie ein Ehemann. Schlafen Sie ruhig noch einmal drüber.«

       Das leuchtete Anna sofort ein. Sie nickte zögernd, fast kaum sichtbar, mit dem Kopf.

      »Einverstanden!

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