Die Entführung der MS Hansa Stavanger. Frederik Euskirchen

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Die Entführung der MS Hansa Stavanger - Frederik Euskirchen

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dem sechsstündigen Kampf mit dem Feuer gönnen uns die Piraten etwas Ruhe.

      Sie machen uns verständlich, dass wir etwas essen sollen.

      Der Koch macht seinen samstäglichen Eintopf, wir sitzen zusammen und ich bekomme die ersten Meldungen über den Gesundheitszustand der Leute. Manche haben Brandwunden, nichts Schlimmes. Ein paar Europäer haben auch einen Sonnenbrand. Hier und da gibt es Kopfschmerzen, Husten und leichte Atemprobleme. Ich verteile Salben, Salztabletten, Kopfschmerzmittel und Beclometasonspray, aber zum Glück gibt es keinen ernsthaft Verletzten. Ab und zu hört man ein Husten und Schniefen, Jack war heute nicht der Einzige mit verrutschter Maske, auch mir und vielen anderen ist es passiert. Das kommt durch die Enge, die auch in Form von ein paar blauen Flecken ihre Spuren hinterlässt.

      Nach der kurzen Entspannung sollen wir auf die Brücke, die Piraten verlangen zunächst unsere Mobiltelefone und unser Bargeld.

      Sie zählen mit großen Augen, packen es schnell in Plastiktüten ein und inspizieren dann unsere Handys.

      Im Laufe der folgenden Zeit fangen unsere Leute an aufzuräumen, die Maschine versucht unten wieder alles in Gang zu bekommen und wir, Kapitän und Offiziere sind oben auf der Brücke, versuchen dort erstmal die Spuren der Brandbekämpfung zu entfernen und unsere Systeme neu zu starten.

      Unsere Reparaturen dauern bis in die Abendstunden. Einige Systeme behalten einen Schaden und bleiben deaktiviert, aber im Grunde sind wir mit Anbruch der Nacht wieder fahrbereit.

      Die ganze Zeit beobachten die Piraten uns mit Argusaugen. Zwei von ihnen sind immer oben auf dem Peildeck, zwei andere sind auf der Brücke und sitzen dort mit ihren AKs vor der Brust.

      Ein anderer bewacht das Boot, das wir mittlerweile achtern vertäut haben. Für ihr Boot fragen sie häufiger nach Benzin, wir haben nur eine kleine Menge von unserem Bereitschaftsboot, dass der 3. Ing. ihnen auch gibt.

      Als der Kapitän das mit bekommt, erzählt er uns sie wollen nur unser Geld, dann fahren sie wieder. Es sind somalische Piraten … Vermutlich hat ihm einer von denen gesagt, dass sie nur Geld wollen - ja Lösegeld, nicht unser bisschen Bargeld, dafür lässt man sich nicht 400 sm vor der Küste absetzen.

      Kurze Zeit später wird dies auch klar, sie zeigen uns ein mitgebrachtes GPS und darin eingespeicherte Koordinaten.

      Dort wollen sie hin, Slava und ich tragen die Position jeweils in die Papierseekarte und in die elektronische Seekarte ein. Es ist Baraawe, südlich von Mogadishu.

      Es beginnt eine Diskussion innerhalb der Schiffsführung, teilweise in keiner mir verständlichen Sprache. Aber so wie ich mitbekomme, will man den Piraten vorspielen, man könne nicht weiterfahren, die Maschine sei kaputt. Gemeinsam versuchen wir, den Piraten klar zu machen, dass nichts mehr geht, sie hätten uns manövrierunfähig geschossen. Sie können das nicht ganz begreifen, haben sie doch in die Aufbauten geschossen. Trotz ihres absoluten Nichtwissens über die Funktion eines Schiffes durchschauen sie unser Spiel zu schnell und drohen uns, die verbleibende RPG in den Bug zu schießen, wenn wir nicht weiterführen.

      Letztendlich nehmen wir kurze Zeit später Kurs auf Baraawe.

      Es ist in der Nacht, während meiner Wache, als ich ein Ziel auf dem Radar wahrnehme. Vielleicht ein anderes gekapertes Schiff. Es kommt näher, ich blicke kurz auf AIS: EUNAVOR sehe ich dort auf dem Display. Marine. Ich schalte das Radar auf eine kleinere Reichweite und damit es nicht so auffällt, verschiebe ich entsprechend unseren Mittelpunkt, also unser eigenes Schiff auf dem Bildschirm - das Fahrzeug ist nicht mehr zu sehen.

      Dann kann ich aber auch schon die Seitenlichter sehen, wir werden gerufen. Die Piraten bedeuten, dass ich antworten kann.

      Es sind unsere Leute, die Deutschen. Ich erkenne es sofort an der klaren Betonung der englischen Sprache.

      Schnell wechseln wir in die deutsche Sprache, dann tauschen wir Informationen aus. Wie viele Piraten? Welche Waffen und wie viele? Ich gebe unser Ziel durch.

      Was ich der Fregatte sage, verstehen die Piraten nicht, weder auf Deutsch noch auf Englisch.

      Aber sie stehen dabei und versuchen, mit ihrer Mimik so zu tun. Würde ich nicht sowieso schon deutsch sprechen, hätten sie sich dadurch verraten, dass sie zum falschen Zeitpunkt nicken.

      Jetzt kommt die Frage auf, ob die Piraten arabisch sprechen - das können sie leider nicht.

      Können wir aufstoppen? Ich gebe an den Kapitän weiter.

      Er versucht zu verständigen, dass wir alle gesund sind, aber die Piraten haben uns unter Kontrolle. Wir sind alle auf der Brücke und sozusagen in ihrem Schussfeld. Wobei ich anmerken muss, dass die Piraten zu keiner Zeit ihre Waffenmündungen auf uns gehalten haben. Sie haben zwar klar deutlich gemacht, dass das Marineschiff fernbleiben soll und sie kämpfen würden (angeblich), aber ihre einzige Drohgebärde war, dass sie ihre Waffen höher vor die Brust gehalten und sie uns gezeigt haben.

      Ob sie wirklich gekämpft hätten und es zu einem Showdown wie auf der Maersk Alabama gekommen wäre, ich weiß es nicht. Sie hätten zumindest an uns festgehalten, dass glaube ich, aber ob sie wirklich mit Vorsatz einen von uns getötet hätten? Generell habe ich, außer bei den Scheinhinrichtungen, nur einmal selbst gesehen, dass ein Pirat die Mündung auf jemanden von uns gehalten hat, er wurde sofort zurückgerufen. Ich denke, sie wissen, dass die vorsätzliche Tötung einer Geisel die Lage grundlegend ändern würde.

      Auch in der Situation vor Ort hatte ich nicht den Eindruck. Ich habe eher ein Chaos in einem möglichen Kampf befürchtet, oder einen Angstschießer bei den Piraten, ein Schuss, der sich im Stress löst.

      Der Kapitän versucht, diese Bedenken weiterzuleiten.

      Herr Kotiuk spricht neben Polnisch noch Russisch, Deutsch und Englisch. Leider reicht es bei den beiden Letzteren nicht immer für einen flüssigen Sprachgebrauch, außerdem scheint er einen Hang zur Hysterie zu entwickeln, die ich vorher nicht kannte.

      Auf der Fregatte kommt man nicht zu Wort und kann auch nicht ganz mitbekommen, was hier los ist, habe ich den Eindruck.

      Außerdem sorgt mich, wie der Kapitän die deutsche Grammatik anwendet, wenn es darum geht, dass die Piraten vielleicht auf uns schießen, wenn die Fregatte näher kommt. Bei ihm hört es sich teilweise so an, als würden die Piraten dies schon tun!

      Ich bekomme wieder den Hörer. Der Marinesoldat, mit dem ich spreche, stellt mir noch mal ein paar Fragen über die Situation an Bord. Kurze Zeit später stellen wir aber auch schon fest, dass die Fregatte sich zurückfallen lässt.

      Die Piraten unterbinden wenig später jeglichen Kontakt zur Fregatte, ich melde mich ab. Der stellvertretende Anführer sagt: “Finish!”

      Was für ein Schlusswort, ich weiß nicht, ob es die Art ist, wie er es sagt oder wie er dabei guckt, aber mir wird jetzt richtig bewusst, dass es tatsächlich so ist - wir sind Geiseln von somalischen Piraten.

      Wir halten Kurs auf Baraawe, begleitet von der deutschen Fregatte.

      Diese Begleitung werden wir die ganzen vier Monate über haben, stets haben wir in mindestens 20 Seemeilen Entfernung eines unserer Schiffe. Das gibt uns Mut, das Gefühl, dass man uns noch nicht vergessen hat. Außerdem sind sie eine Art Lebensversicherung für uns. Die Somalis sind sich sicher, wenn jemand an Bord stirbt - dann kommen die Deutschen.

      Wann genau, das kann ich nicht sagen,

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