Die Entführung der MS Hansa Stavanger. Frederik Euskirchen
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Dies lag unter anderem an dem Training der Mannschaft, was nach wie vor einer der wichtigsten Punkte in der Vorbereitung ist.
1.5 Training der Mannschaft
Dies beinhaltet regelmäßige Besprechungen über die derzeitige Gefahrenlage sowie die bordseitigen Maßnahmen, diesen entgegenzutreten.
Der Ablauf der Notfallprozeduren muss besprochen werden, die Mannschaft hat sich im Einzelnen über ihre Aufgaben im Klaren zu sein. Dies soll anhand praktischer Übungen entsprechend des Notfallplans trainiert werden. Neben diesen Übungen soll nicht nur die Abwehr von Angriffen besprochen werden, sondern auch das Verhalten nach einer Kaperung, der Umgang mit den Piraten und das Verhalten bei einer Militäraktion.
HS: Die Mannschaft der Hansa Stavanger hatte aufgrund wöchentlicher und ausführlicher Trainings, welche nicht nur in Form von großen Übungen das Zusammenspiel der Mannschaft übten, sondern auch in Form von Unterricht in kleinen Gruppen das Wissen und die Fähigkeiten einzelner Person stärkten, einen hohen Standard an Sicherheitsbewusstsein und Einsatzbereitschaft. Daher konnten wir unsere Belehrung und Übung zur Piratengefahr auf eine professionelle Mannschaft zurechtschneiden und uns auf das Wesentliche konzentrieren.
Wie bereits erwähnt, lief die Umsetzung des Notfallplans während des Angriffes gut und war durchaus effektiv, doch es gab ein paar Rahmenbedingungen, die es zu verbessern gegeben hätte - dazu mehr im folgenden Punkt.
1.6 Abwehrmaßnahmen
Grundsätzlich sollte man zwischen passiven und aktiven Maßnahmen unterscheiden.
Unter passiver Abwehr kann jegliche Art von Hindernissen verstanden werden, welche es den Piraten erschweren, an Bord und an die Mannschaft zu gelangen. Passive Maßnahmen sind meist festinstalliert und benötigen keine direkte Bedienung durch die Mannschaft. An Bord der HS:
- Stacheldraht um die Reling
- Ausbringen von Feuerschläuchen
- Verriegeln der Schotten der Aufbauten
Da diese Maßnahmen bekanntlich wenig Erfolg hatten (es sei daran erinnert, dass ein Schiff wie die HS bisher außerhalb der gefährdeten Schiffstypen lag), sollten diese Vorbereitungen verstärkt werden.
Anmerkung: Um Verwechselungen zu vermeiden: Im folgenden Punkt schreibe ich über Verbesserungen, u. a. basierend auf meinen Erfahrungen mit den somalischen Piraten, näherer Beschäftigung mit der Materie und der Möglichkeit, meine neu gewonnenen Einschätzungen während des Einsatzes nach der „Hansa Stavanger“ in der Praxis anzuwenden. Es geht im Folgenden NICHT um die Absicherung der Hansa Stavanger.
In der Zeit einer meiner letzten Einsätze und einer damit verbundenen Passage durch den Golf von Aden haben wir vor allem die Aufbauten komplett abgeriegelt. Zum einen mit Stacheldraht, zum anderen mit fest geschweißten Gittern. Sollten Piraten tatsächlich boarden, werden sie es nicht schaffen, zur Brücke zu kommen bzw. in die Aufbauten und an die Mannschaft zu gelangen. Generell kann man sich darauf einstellen, dass der erste Weg der Piraten hoch zur Brücke führt. Von dort zwingen sie das Brückenteam zum Aufstoppen und fordern den Rest der Mannschaft auf die Brücke.
Es ist daher sinnvoll, eine sichere Zitadelle zu schaffen, in welche sich die Brückenbesatzung zurückziehen kann. Von dieser Zitadelle aus kann dann Kontakt zu den entsprechenden Behörden aufgenommen werden, welche daraufhin veranlassen, dass Marinekräfte das Schiff gewaltsam befreien.
Um einen sicheren Weg des Teams auf der Brücke zu gewährleisten, soll es den Piraten so schwer wie möglich gemacht werden, hoch zur Brücke zu kommen. Alle Schotten zu verriegeln sollte die geringste Maßnahme sein, sinnvoller ist es, eher die Aufbauten zu verbarrikadieren, wenn möglich noch so, dass Sicherheitsaspekte wie Brandabwehr etc. nicht beeinträchtigt werden.
Erstellen Sie mindestens drei Sicherheitsbereiche auf Ihrem Schiff.
Der erst stellt die Bordwand des Schiffes dar. Sorgen Sie hier für den größtmöglichen Freibord. Außenbords sollten die Feuerlöschschläuche, welche nur zur zusätzlichen Störung der Piraten dienen, sie aber nicht aufhalten werden, so angebracht sein, dass sie einander abdecken und eng an der Bordwand anliegen. Die Reling sollte mit Stacheldraht abgesichert sein. Das Sinnvollste ist es, eine Rolle Stacheldraht, besser Natodraht, entlang der Reling zu ziehen, gegebenenfalls auf Stellagen, die außenbords zeigen.
Der äußerste Sicherheitsbereich, den Sie absichern müssen, ist also das Deck, der zweite Bereich sind die Aufbauten, zu welchen Sie den Zugang durch Piraten verhindern müssen. Dies hängt selbstverständlich von der Konstruktion des Schiffes ab, daher kann ich hier keinen Standardplan geben, lediglich ein paar Hinweise.
Der erste Tipp ist, die Somalis niemals zu unterschätzen, wenn Sie meinen „da würde ich nie durchkommen“, vergesse Sie nicht, dass Sie vermutlich mehr als 50 kg wiegen … Die somalischen Piraten sind unheimlich dünn, die meisten haben Oberschenkel wie unsereins Oberarme hat (Bodybuilder ausgenommen). Sie sind sehr gelenkig und vor allem während des Angriffs gehen sie sehr entschlossen vor. Beobachtet man sie allein schon, wenn sie in den Containerbuchten rumklettern, um in einen aufgebrochenen Container zu gelangen, hat man den Eindruck, dass sie nicht besonders zögerlich und sehr geschwind sind im Klettern.
Sie sind leicht, beweglich und durch ihre dünnen Körper und Gliedmaßen passen sie überall durch, dabei sind sie in der Regel recht groß, wodurch sie beim Klettern eine größere Reichweite haben.
Möchte man also verhindern, dass diese Leute auf schnellem Wege in die Aufbauten kommen, muss man sich davon lossagen, mit dem eigenen Ermessen die Lage abzuschätzen. Geben Sie vor allem auf Ecken und Kanten acht, die leicht umklettert werden können, an denen man sich lang hangeln und so schließlich eventuelle Absperrungen umgehen kann. Verschätzen Sie sich nicht in der Größe der Abstände zwischen den Stacheldrahtlagen oder den Gittern. Bei den Gittern sollten es nicht mehr als 20 cm sein und beim Stacheldraht ist zu beachten, dass er auch verschoben werden kann, wenn er nicht fest genug sitzt.
Während meines letzten Einsatzes haben wir die schnell erreichbaren Bereiche, durch welche man an bzw. in die Aufbauten gelangen kann, sowie Niedergänge durch eigens an Bord hergestellte Gitter verriegelt, welche entweder festgeschweißt wurden oder um das schnelle Durchkommen während einer eventuellen Brandbekämpfung nicht zu verhindern mit Vorhängeschlössern und an Schrauben festgezogenen Muttern verriegelt wurden. Bereiche an den Aufbauten, die von außenbords erklettert werden können, wurden durch eng gezogenen Stacheldraht verriegelt. Der Aufbau dieser Barrieren hätte uns nicht in einer möglichen Brandbekämpfung oder beim Verlassen des Schiffes behindert, da sie durch Schlüssel oder entsprechendes (gut verstautes) Werkzeug schnell von uns geöffnet hätte werden können.
Piraten haben meines Wissens weder Seitenschneider, Brecheisen oder Schraubenschlüssel dabei. Selbst wenn, müssen sie das Zeug erst mal an Bord holen und zum Boarden können sie maximal ihre Waffe mitnehmen. Weiterhin müsste das Werkzeug passen und man muss es bedienen können. Selbst wenn die Piraten eine Barriere öffnen können, haben sie immer noch die Schotten der Aufbauten vor sich, welche es sich empfiehlt, auch von innen zusätzlich zu verriegeln und mit Stahlplatten zu verstärken.
Sollten sie es doch irgendwie und irgendwann nach innen schaffen, haben wir bis dahin genügend Zeit gehabt, uns in die dritte Sicherheitszone zurückzuziehen, in die Zitadelle. Dort angekommen würde der leitende Ing. einen Blackout erzeugen und auch ein Starten der Notdiesel verhindern. Bereiten Sie dies gründlich mit ihrem gesamten technischen und nautischen Offiziersstab vor.