Die Entführung der MS Hansa Stavanger. Frederik Euskirchen
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Die Wacheinteilung auf der Brücke hätte verstärkt sein sollen, doch, wer soll dann an Deck arbeiten - oder Räucheröfen bauen …?
Vor allem aber, und da waren sich alle Offiziere einig, hätten wir eine andere Route nehmen müssen.
Die Vorbereitung eines Schiffes für ein Piratengebiet ist nicht an einem Tag getan. Das letzte Schiff (nicht die Hansa Stavanger!) auf dem ich war, verbrachte lange Zeit im Linienverkehr im Mittelmeer und hatte daher vor seiner Passage durch den GoA noch keine Vorbereitungen an Bord.
Ich habe die Chance genutzt, eine Übersicht über die benötigte Zeit zu notieren, die Ihnen vielleicht bei einer kleinen Orientierung für Ihre eigene Arbeit an Bord gibt:
- Vorbereitung der Gitter:
30 Stunden, eine Person,
- Ausbringen des Stacheldrahtes:
8 Stunden, fünf Personen,
- Ausbringen und Justieren der Feuerschläuche:
6 Stunden, eine Person,
- Kontrolle, Bereitstellung sonstiger Verteidigungsmittel: 1 Stunde, eine Person,
- Instruktion der Mannschaft, Training:
1 Stunde (an mehreren Tagen),
- Vorbereitung der Zitadelle:
1 Stunde, zwei Personen,
- Verschließen aller Türen und Schotten:
30 min, eine Person,
- Verdunkeln aller Bullaugen:
4 Stunden, eine Person,
- Sichten von Informationsmaterial:
2 Stunden, eine Person.
2. Erzählung
2.1 Die letzten Tage vor der Kaperung
Schon als wir aus Mtwara, einem kleinen Hafen in Tansania kurz vor der Grenze zu Mosambik, ausgelaufen sind, fangen wir,
Vlad (1. Offizier), Slava (3. Offizier) und ich, an, von Tag zu Tag unruhiger zu werden.
Wir merken nichts von den unruhigen und nachdenklichen Nächten und Tagen des jeweils anderen. Erst vor Somalia, als die Stavanger bereits in Piratenhand ist, stellen wir die Parallelen fest.
Ob es einfach nur Zufall war oder wirklich eine Vorahnung weiß ich nicht, immerhin wäre es zu leicht zu behaupten „ich wusste, dass was passiert“. Doch merkten wir alle drei, dass mit Beginn der Entführung dieses stechende Gefühl im Hinterkopf, welches einen um den Schlaf bringt, weg ist, als hätte sich ein Knoten gelöst.
Vielleicht ist es eben dieses Gefühl, das uns schon vor Auslaufen aus Dubai, der letzte Hafen vor Mombasa und damit vor der Kaperung, unsere Sicherheitsvorkehrungen verstärken ließ.
Vorkehrungen, die den zu dieser Zeit herrschenden Umständen angemessen schienen, zumindest aber die Crew gut vorbereitet hat. Das zeigt das Verhalten der Mannschaft beim Angriff und der zügige Ablauf unserer Prozeduren. Warum es dennoch zur Kaperung kommt, wird im Kapitel „Der 04. April 2009“ deutlich.
Vlad, Slava und ich unterhalten uns häufig über das steigende Problem der Piraterie. Wir erhalten regelmäßige Warnungen über Telex mit den Positionsangaben der letzten Piratenvorfälle sowie Ratgeber und Hinweise rund um das Thema Piraterie, wie z. B. die "Best Management Practices".
Aus den Mitteilungen über erfolgte Angriffe oder sogar Entführungen entnehmen wir die Positionen und tragen sie in eine Übersichtskarte ein. Wir bekommen ein deutliches Bild über die Angriffe, das uns eins sagt: Die Piraten gehen immer weiter in den Indischen Ozean.
Mit unserer Größe und unserer Geschwindigkeit (bis zur Kaperung der HS ist noch kein erfolgreicher Angriff über 15 kn berichtet worden) sind wir zwar noch nicht außer Gefahr, gehören jedoch auch nicht zur Gruppe der besonders gefährdeten Fahrzeuge.
Trotzdem, wir drei sind uns einig, die üblichen 400 sm reichen uns nicht mehr und so solle jeder noch mal den Kapitän fragen, ob Slava, der als dritter Offizier die Routenplanung macht, die Route ändern kann.
Herr Kotiuk ist sich nicht sicher, er verweist auf den höheren Bunkerverbrauch und dass der Charterer, mit dessen Vertreter er, nach eigenen Angaben, kurz vor seinem Urlaub im November im Bur Al'Arab frühstücken war, dies wohl nicht akzeptieren würde.
In Herrn Kotiuks Auftrag und Namen verfasse ich eine E-Mail an die Reederei, ob sie uns bei dieser Entscheidung unterstützen würde.
Der Kapitän ist für das Schiff verantwortlich, weder Reeder noch Charterer können ihm Entscheidungen im Sinne der Schiffsicherheit streitig machen, so ungefähr auch die Antwort der Reederei.
Wir blieben bei unseren 400 sm.
Zeitweise müssen wir sogar befürchten, dass unser Kapitän noch näher an die somalische Küste möchte.
Die wunderliche Begründung für diese Idee, welche ihm von einem unserer Ingenieure souffliert wurde, ist, quasi hinter die "feindlichen Linien" zu fahren. Wir, die drei nautischen Offiziere, widersprechen dem und sind froh, dass es doch nicht zu dieser Entscheidung kommt, da sie eindeutig unsere Loyalität zu unserem Kapitän infrage gestellt hätte - bereits jetzt.
Eine andere Sache, die uns während der Reise beschäftigt, sind die ständigen Ermutigungen des Kapitäns während unserer Wache ggf. Wegpunkte abzuschneiden, sprich kleine Abkürzungen zu nehmen - die uns allerdings wiederum näher an Somalia gebracht hätten.
Vlad, Slava und ich unterhalten uns darüber und sind uns einig - sollten wir während unserer Wache dazu die Anordnung erhalten, dieser deutlich zu widersprechen und ggf. die Wache an den Kapitän abzutreten.
2.2 Der 04. April 2009
In der Nacht des 04. April stehe ich ab Mitternacht auf der Brücke. Ich habe selten so eine klare und ruhige Nacht gesehen. Der Sternenhimmel ist so deutlich, als wäre er zum Greifen nah, das spiegelglatte Meer reflektiert ihn und es wird schwer, sich durch diese Schönheit nicht ablenken zu lassen.
Wie mitten im Indischen Ozean üblich, ist kein Verkehr und nachts ist die Wahrscheinlichkeit eines Angriffes gering, aber das ändert nichts daran, dass wir aufmerksam sein müssen. Trotzdem, den Schein einer so herrlichen Nacht sollte man teilen und so rufe ich unseren technischen Offiziersassistenten Christian an.
Wir sind uns einig, das sind die Eindrücke und Momente, welche die Seefahrt trotz ihrer Entbehrungen schön machen können.
Auch wenn ich mich von meinen Pflichten auf der Brücke nicht ablenken lasse, kann ich doch für einen Moment das Gefühl vergessen, dass es hier im Indischen Ozean, irgendwo etwas Böses gibt, das auf uns lauert.
Zu Hause scheint man sich der Gefahren im Indischen Ozean wohl auch bewusst zu sein, kaum ist Christian wieder unten, bekomme ich ein Fax auf die Brücke, von einem anderen Christian, meinem Vater. Er schreibt,