Johannes Christian Lenz. Группа авторов

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und wohin er sollte, von Menschen!

      »Das ist er, der Bösewicht«, rief eine betagte Frau, »O pfui, du allerwelter schlechter Kerl!«, und spie aus.

      »Nu, nu«, erwiederte eine junge Dirne, welche Lenz sehr in das Gesicht gefaßt hatte, »er bleibt doch immer ein hübscher Kerl! Er ist so rothbäckicht, so voll, so fleischicht, schade für ihn!«

      Der Wagen mußte sehr langsam fahren, weil die Menschen ihn umringt hatten. Viele begleiteten ihn bis nach der Hausvoigtei. Hier wurde Lenz abgesetzt und nach seinem bestimmten Gefängnisse gebracht.

      Den folgenden Tag konnte man ihn für zwei Groschen sehen. Natürlich wurde manches zwei Groschen Stück geopfert. Daß es Unrecht war, einen solchen verdächtigen Menschen und noch dazu für Geld zu zeigen, bleibt ausgemacht. Denn bei solchen wichtigen und bis jetzt noch so kritischen Gegenständen muß das allerstrengste Inkognito herrschen.

      Kaum erfuhren die Obern, daß man Lenz wie ein ausländisches Wunderthier für das Geld sehen ließe, so wurde es auf der Stelle und zwar mit allem Rechte verboten. Ob nun gleich diese Volks-Neugierde auf einmahl gelegt wurde, so erlosch sie doch bei vielen noch nicht ganz. Jetzt begaben sich mehrere erst nach der Hausvoigtei und sahen - wenigstens das Gebäude an. Ebendasselbe geschah die folgenden Tage. Ein Hausvater ging mit seinem schon etwas erwachsenen Sohne auch vorbei:

      »Ach Papa«, rief der angehende Mitbürger. »Warum stehen denn hier so viele Leute?«

      »Da haben sie den Christian Lenz eingesperrt.«

      »Gewiß den Mörder Papa?«

      »Ja mein Sohn! Fürchte Gott, folge deinem Vater und Mutter, so kannst Du kein so Bösewicht werden!«

      Ich freute mich über diese väterliche Lehre. Wohl, wohl dachte ich: Ihr andern Väter thut ein gleiches!

      Montags, den 30ten September, erscholl gegen Mittag das Gerücht:

      »Christian Lenz hat endlich gestanden!«,

      »Wirklich?«

      »Ganz gewiß!«

      »Und was?«

      ...Davon werdet ihr jetzt erfahren!.......

      Erklärungen

      Die eingeschickten Nachrichten wegen des Schlächter-Knechtes, Straßen-Räubers und Mörders Lenz können für das Volksblatt nach der gegebenen Vorschrift nicht abgedruckt werden. Denn theils sind sie zu unrichtig, theils wirklich zusammengerafftes Zeug. Dafür aber werde ich künftige Woche mit einer andern Nachricht, welche den Christian Lenz betrifft, aufwarten, und zwar mit einer solchen Nachricht, welche sich nur auf Wahrheit gründet.

      Bei dieser Gelegenheit muss ich auch einige Worte über die während dieser Zeit erschienenen „Wische“ sagen; mit welchen Augen sie zu betrachten sind, wie z.B.:

      Monsieur Nebenstaub

      Die böse Konkurrenz

      Leider ist es gar nichts neues, daß sich, wenn Straßen-Räubereien, Mord und Todschlag entstehen, man die Thäter bekömmt und sie nach den Gesetzen von dem Leben zu dem Tode gebracht werden, daß sich einer oder der andere im Publico findet, welcher nicht nur die Mord-Geschichten drucken läßt sondern auch solche Sachelchen auf das Tapet bringt, aus welcher keine Seele klug werden kann. Berlin hat jetzt eben dasselbe Schicksal. Der berüchtigte Schlächter-Knecht, Straßen-Räuber und Mörder Christian Lenz gab dazu die erwünschteste Gelegenheit.

      Kaum war er in Verwahrung, so erschien seine Gefangennehmung und Lebensbeschreibung nebst Bildnisse in dem Drucke. Nicht das ich so etwas mißbillige, nur bin ich der Meinung, daß ein solches fliegendes Blatt in einer guten fließenden Schreibart dem Volke vorgelegt und mit einer guten Morale geschlossen werden soll. Geschieht dieses nicht, so wird der Haupt-Endzweck verfehlt. Außer mehreren Wischen, welche diese Zeit her mit vielen Geburts-Schmerzen des Tageslicht erblickten, kam vor etlichen Wochen vorzüglich eine heraus, welche sondergestalt betitelt war:

      „Schauderndes Selbst-Bekenntniß und warnendes Gespräch des mit schweren Raube und Blute befleckten Standes Christian Lenz, gegen seinen um ihn herum und vorüber wandernden Nebenstaube, wie er in Fesseln und Banden durch Seelen müsse und Zeitraum in eine stille Selbstbetrachtung gerathen.“ - ein gemeinnütziges Blatt. Herausgegeben von dem Verfasser der Gefangennehmung und Lebensbeschreibung. Berlin 1789.

      Jeder, welcher einen hohen Gedanken von Berlin und das mit allem Rechte hat, und nur den Titel dieser Broschüre lieset, wird in der That ganz sonderbare Begriffe bekommen. Überwindet er sich, gar sie zu lesen, so ist es ihm nicht zu verdenken, wenn er ausruft:

      »O, Jerusalem! O, Jerusalem! - O, Berlin! O, Berlin!«

      Ich habe in meinem Leben viel elendes Geschmier gelesen, aber wirklich noch kein elenderes als eben dieses schaudernde Selbst-Bekenntniß:

      »Nebenstaub! Erbebe! - Erstaune! - Erzittre!«

      Ein fieberhaftes Krampfen und Schauer durchwalle deine Adern und durchzucke deine Nerven, da dich ein Lenz anredet - So beginnt der Verfasser seine Schrift. In solchem Tone fährt sie fort, und wechselt mit Versen ab. Erbärmliche Prose, noch erbärmlichere Verse! Ein wahres Gemengsel von Unsinne! Wahrlich muß der Verfasser sein Selbst-Bekenntniß in einem Anfalle von hitzigen Fieber niedergekleckset haben. Denn ein Mensch mit gesunder Vernunft kann unmöglich solche Tollheiten träumen, noch weit weniger niederschreiben.

      Dessen ungeachtet gab es einige und zwar solche, welche sogar auch gelehrt seyn wollen, und fanden das Selbst-Bekenntniß recht erbaulich und wunderschön:

      Ubi est judicium? (lat., im Sinne - Wo ist das Bekenntniß?)

      O, heilige Vernunft behaupte doch deine Rechte! Lasse nicht deine Fackel erlöschen, damit wir nicht wieder so in Finsterniß herumtappen müssen, wie wir vor Jahrhunderten herumgetappt haben! Amen! -

      Ob ich denn gar nichts vom Lenz schreiben werde? — Ich hab ja schon etwas geschrieben. — Freilich wohl, aber habe ich nicht doch noch mehr versprochen und bis jetzt nichts weiter geliefert. Nur Geduld, lieben Bürger? Ich soll euch alles erklären. So bald eine solche scheußliche Mord-Geschichte vorfällt, so muß sie allerdings in dem Volksblatte, (es versteht sich von selbst, daß während dieser Zeit eines geschrieben wird) berührt werden. Des Volks-Schreibers, also meine Pflicht aber ist, daß ich nichts als wirkliche wahrheitsvolle Begebenheiten aufzeichne. Weiter vorn wurde über Lenz dasjenige geschrieben, was damahls mit Gewißheit angegeben werden konnte. Ich versprach zwar mehr von dieser Catastrophe anzuzeigen. Es unterblieb, nicht das Publicum vergeblich aufmerksam gemacht zu haben, sondern erst abzuwarten, ob ich auch wirkelich etwas, welches sich nur auf die reinste Wahrheit gründet, mittheilen kann.

      Traiteur Ollmütz

      Kneipengespräche

      Das Publicum wird sich noch zu erinnern wissen, daß in den letzten Tagen des vergangenen Monathes August auf einmahl das Gerücht sich verbreitete: Lenz hätte gestanden! Es wird sich noch ferner erinnern, daß man theils in größeren Gesellschaften, theils in andern Tabagien erzählte, der Traiteur Ollmütz wäre die Ursache, daß Christian Lenz bekannt hätte.

      (Traiteur ist ein traditioneller französischer Kochberuf. Früher bekochte er Großbürgertum

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