Der-beste-Mensch-der-Welt. Nehat Krasnici
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Abu Lahab erschien eines Tages bei ihm und bat Muhammad um die Ehre, seine Töchter Ruqayya und Umm Kulthum mit Abu Lahabs Söhnen Utba und Utayba zu verloben. Nach Beratungen mit seinen Töchtern und seiner Frau war Muhammad einverstanden. Bald fand die Verlobung statt - die Heirat sollte aber erst zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden.
Gabriel
W
ährend jener Zeit vollzogen sich bedeutsame Veränderungen in Muhammad. Ereignisse, die er im Traum sah, traten wirklich ein. Ihm wurde die Einsamkeit lieb, daher verbrachte er viele Nächte in einer einsamen Höhle auf dem Berg Hira.
Chadidscha und ihre Töchter machten sich große Sorgen, als Muhammad wieder einmal lange dort blieb. Sie schickten schließlich Boten auf den Berg, um ihn zu suchen. Doch vergeblich.
Während Chadidscha noch überlegte, wo er sein konnte, stand Muhammad plötzlich vor ihr - in einem verstörten, verängstigten Zustand. Was war mit ihm geschehen?
„Bedecke mich! Bedecke mich!“, bat er seine Frau, die ihn sogleich mit einem Gewand zudeckte. „Ich fürchte um mein Leben!“ fügte er hinzu.
Chadidscha beruhigte ihn. „Niemals wirst du in Gegenwart von Allah eine Schande erleben; denn du bist wahrlich jemand, der die Verwandtschaftsbande pflegt, den Schwachen hilft, den Mittellosen gibt, den Gast freundlich aufnimmt, nur Wahres spricht und dem Notleidenden unter die Arme greift!“53
Muhammad erzählte seiner Frau, was in jener Nacht in der einsamen Höhle geschehen war: Ihm war ein Engel erschienen! „Der Engel erschien und befahl mir: ‚Lies!’ Ich sagte: ‚Ich kann nicht lesen!’ Aber der Engel packte und drückte mich; sodass ich dachte, ich müsste sterben. Er ließ von mir ab und befahl noch einmal: ‚Lies!’ Ich antwortete erneut: ‚Ich kann nicht lesen.’ Der Engel packte mich wieder, bis ich es nicht mehr ertragen konnte. Erst dann ließ er mich los und befahl mir wieder: ‚Lies!’ Da rief ich: ‚Was soll ich denn lesen?’ Da begann der Engel mir vorzusprechen:
Lies, im Namen deines Herrn, der erschuf.
Er erschuf den Menschen aus einem Blutklumpen.
Lies; denn dein Herr ist Allgütig, der mit der Schreibfeder lehrt, lehrt den Menschen, was er nicht wusste. 54
„Es war, als ob die Worte in mein Herz geschrieben wurden“, erzählte Muhammad.55 Als er aufgeregt die Höhle verließ, erschien der Engel erneut und rief: „Muhammad, du bist der Gesandte Allahs, und ich bin
Gabriel!“
Muhammad sah den mächtigen Engel mit ausgebreiteten Flügeln am Horizont stehen; die gewaltige Gestalt füllte den ganzen Himmel aus. „In welche Richtung ich mich auch drehte, überall sah ich ihn! Im Norden, Süden, Osten und Westen!“
Chadidscha, die nicht an seinen Worten zweifelte, rannte eilig zu ihrem Cousin Waraqa und erzählte ihm, was Muhammad erlebt hatte.
„Heilig! Heilig!“, rief Waraqa. „Bei dem, der die Seele Waraqas in den Händen hält, es war der große Namus56, der Muhammad erschienen ist, derselbe Namus, der auch Moses erschien! Wahrlich, Muhammad ist der Prophet! Sage ihm, er möge beharrlich sein!“
Chadidscha erzählte Muhammad, was Waraqa gesagt hatte. Schließlich wollte Waraqa aber aus Muhammads Mund hören, was geschehen war. Muhammad berichtete ihm von dem Zusammentreffen mit Gabriel. Der blinde Waraqa wiederholte seine Bestätigung und schwor: „Beim Schöpfer, in dessen Hand meine Seele liegt, du bist der Prophet Allahs! Die Botschaft ist zu dir gekommen, wie sie zu Moses kam. Wenn ich doch nur ein junger Mann wäre! Wenn ich doch nur noch am Leben wäre, wenn dein Volk dich vertreibt!“
„Werden sie mich wirklich vertreiben?“, fragte Muhammad überrascht.
Er konnte sich nicht vorstellen, wie ein so beliebter und harmloser Mensch wie er von seinem Volk vertrieben werden sollte.
„Ja, niemand ist bisher mit dieser Botschaft gekommen, ohne verfolgt zu werden!“, antwortete Waraqa. Er ermutigte ihn dennoch, sich zu freuen und standhaft zu bleiben.57
Chadidscha bekannte sich als erste zum Islam. Sie war überzeugt davon, dass die Botschaften, die Muhammad erhielt, tatsächlich von Allah kamen. Von nun an besuchte Gabriel ihn häufig.
Als er ihm eine Zeit lang nicht erschien und keine Offenbarungen mehr brachte, wurde Muhammad bekümmert und traurig. Chadidscha aber bestärkte ihn, weiter zu warten, bis Gabriel ihm schließlich die berühmte Sure Die Morgenhelle überbrachte.58
Es folgten weitere himmlische Offenbarungen zur Bestätigung dessen, dass Muhammad „dank der Gnade seines Herrn nicht besessen, sondern“ der Prophet Allahs „von großartiger Wesensart“59 war.
Muhammad selbst hat die Art und Weise, wie ihm die göttlichen Offenbarungen zuteil wurden, so beschrieben: „Manchmal überkommt sie mich wie Glockengeläut, und das ist die schmerzhafteste Art. Sobald ich die Botschaft fassen kann, verklingt das Läuten. Manchmal erscheint der Engel vor mir in der Gestalt eines Menschen und spricht zu mir, und ich bewahre in meinem Gedächtnis, was er sagt.“65
Der Prophet Muhammad, wie er nun von den Muslimen genannt wurde, begann, denjenigen aus seiner Sippe, zu denen er Vertrauen hatte, im Geheimen von seiner Botschaft zu berichten.
Als das Gebet zur Pflicht wurde, erschien Gabriel auf der höchsten Stelle Mekkas in der Gestalt eines Mannes60 und schlug mit seinem Fuß ein Loch in die Erde, aus dem sogleich Wasser sprudelte.
Der Engel verrichtete die rituelle Waschung, während Muhammad ihn dabei beobachtete und anschließend das Gleiche tat. Dann stellte der Engel sich zum Gebet auf, und Muhammad stellte sich neben ihn und betete mit ihm.67
Der Prophet ging zu Chadidscha, wusch sich und betete mit ihr, wie Gabriel mit ihm gebetet hatte, damit auch sie es lernte.61
Er begann, den Menschen die klare monotheistische Botschaft des Einzigen Gottes zu predigen und ermutigte sie, nur noch Allah zu dienen. Ihm war bewusst, dass diese Botschaft Gefahren mit sich brachte, denn die Gleichheit, die Allah für die Menschen wollte, bedeutete für viele reiche Männer in Mekka und in der übrigen Welt das Ende der Tyrannei gegenüber den Schwachen - vor allem gegenüber den Frauen. Diejenigen, die hunderte Sklaven besaßen und sie wie Tiere behandelten, sollten sie nach der neuen Religion nämlich freilassen. Die Frau sollte ein Erbrecht erhalten und eigenen Besitz haben dürfen. Muhammad ermutigte die Menschen, Sklaven freizulassen. Männer durften nicht mehr eine unbegrenzte Anzahl von Frauen haben. Er bestand darauf, den Frauen Rechte, eine Aussteuer, Erbe und Eigentum zu geben. Er erklärte den zum Besten, der am freundlichsten zu seiner Frau ist.62
Die Mekkaner machten sich lustig über Muhammad, wenn er sich für die Rechte der Schwachen einsetzte und Tränen über Mädchen vergoss, die lebendig begraben wurden. Frauen wurden damals verachtet – nicht nur im vorislamischen Arabien, auch von den Römern und Persern. Der Koran verkündete offen, dass die Männer sich dafür einst verantworten werden müssen. „...und wenn das lebendig begrabene Mädchen gefragt wird: ‚Für welch ein Verbrechen wurdest du getötet?’“63
Eines