Anarchistische Analysen zur Gegenwart. Jörg Djuren

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Anarchistische Analysen zur Gegenwart - Jörg Djuren

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mal sinngemäß.

      Und auch hier ist dies eng mit der Arbeitsideologie verknüpft, nur kurz danach hetzte Müntefering in einem Interview mit dem ZDF vom 24.07.2005 gegen Arbeitslose:

      „Es gab einen ganz alten Spruch in der Sozialdemokratie: "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen". Das traut man sich heute gar nicht mehr zu sagen. Aber das war sozialdemokratisches Denken. Die haben gewusst: Jeder muss sich anstrengen, jeder muss seinen Teil dazu beitragen.“

      Aber auch dieser Satz Münteferings ist das Zitat eines Zitates, die Sozialdemokratie hat sich im 19ten Jahrhundert mit diesem Zitat auf die protestantische Ethik bezogen und auf ältere gleichlautende Aussagen von protestantischen Theologen und der Satz geht letztendlich auf die protestantische Interpretation der Bibel (Paulus) zurück.

      Und er findet sich bei protestantischen Sekten in unterschiedlichen Versionen wieder;

      "Man arbeitet nicht allein, daß man lebt, sondern man lebt um der Arbeit willen, und wenn man nichts mehr zu arbeiten hat, so leidet man oder entschläft."

      (Zinzendorf (18tes Jahrhundert) zitiert nach Max Weber - „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“)

      "Aber ein Träger oder Fauler kann kein Christ sein und selig werden. Er ist bestimmt, totgestochen und aus dem Bienenkorb hinausgeworfen zu werden."

      (Eine Aussage von Seiten der Mormonen zitiert nach Max Weber - „Die protestantische Ethik und der Geist es Kapitalismus“)

      Dies alles gilt historisch für die Phase der Durchsetzung des Kapitalismus in Europa und insbesondere, als einem Staat, der in wesentlichen Teilen von protestantischen SektiererInnen begründet wurde, in den USA. Und dieser Prozeß wurde im 19ten Jahrhundert weitestgehend abgeschlossen.

      Heute wirken zweifelsfrei primär andere ideologische Formationen und doch mäandern Versatzstücke dieser Ideologie, siehe Franz Müntefering oder George W. Busch, auch heute noch durch die Diskurse.

      Gegen Ende des 19ten Jahrhunderts gab es allerdings noch einmal mit der Missionsarbeit ein neues Aufgabengebiet der Kirchen bei der Durchsetzung einer 'zeitgemäßen' Arbeitsmoral.

      Mission und Arbeit

      Die Kirche ist als Vermittler der Arbeitsideologie in ihrer Gesamtheit zu sehen. Und nachdem diese Ideologie in Europa im 19ten Jahrhundert weitestgehend durchgesetzt war, kam die Religion erneut zum Einsatz, zur Durchsetzung 'europäischer' Arbeitsmoral in Afrika.

      Es waren die Missionsschulen, die die Menschen in Afrika für die Kolonisation zurichteten. Dieser Prozeß lief zwar nicht immer widerspruchsfrei, grundsätzlich lief aber die Bildung zumindest in der deutschen Missionsarbeit meist entlang des protestantischen Arbeitsideals. Als Ziel der deutschen Missionsarbeit galt die Vermittlung von Zucht, Ordnung, Pünktlichkeit, Gehorsam, Reinlichkeit und Disziplin. Die Mission in Afrika war insofern nicht zuletzt ein biopolitisches Projekt.

      "Wenn neben dem selbstverständlichen Religionsunterricht, Lesen schreiben und die Elemente des Rechnens beigebracht werden und zugleich die Sanglust der Jugend befriedigt wird, so ist damit erreicht was billigerweise verlangt werden kann. Die Hauptsache wird auch bei diesem in einfacher Form gehaltenem Unterricht sein, daß die Zöglinge an Zucht und Ordnung, an Pünktlichkeit und Gehorsam, an Reinlichkeit und Disziplin gewöhnt werden."74

      Und die Missionare scheuten kein Mittel um ihr Ziel zu erreichen. Die Kinder wurden durch Geschenke, aber auch durch Drohungen und Polizeigewalt in die Schule gezwungen. Die Missionsschulen waren damit ein Eckpfeiler der Ausbeutung in den deutschen Kolonien. Und die Missionsschulen trugen wesentlich zur langfristigen Kulturzerstörung in den Kolonien bei.75

      Dies gilt auch trotz des Scheitern vieler 'Erziehungs'bemühungen und obwohl die angeeignete Bildung und Religion76 auch ein Ansatz für Widerstand waren.

      2. Teil

      Arbeitsideologie 2007

      Historisch sind die Zusammenhänge von Arbeitswahn, Antisemitismus und Protestantismus unbestreitbar, vor allem die protestantischen Sekten waren der Schlüssel zur Durchsetzung einer kapitalismusdienlichen Arbeitsmoral. Dies führte soweit, daß es von Seiten organisierter ArbeiterInnen in Großbritannien bis ins 19te Jahrhundert gewalttätige Ausschreitungen gegen Mitglieder bestimmter protestantischer Sekten gab.

      Aber hat das für die Reproduktion der Arbeitsideologie heute in Deutschland, ich sage hier bewußt nicht USA, Indien, Japan,.., für die anderes gelten mag, noch eine Bedeutung?

      Als Thesen würde ich hier aufstellen:

      - Die Arbeitsideologie, Arbeit als Notwendigkeit für ein sittliches Leben, für die Selbstbestätigung, .. ist längst hegemonial.

      Die historische Herausbildung durch die protestantische Ethik ist heute nicht mehr von Belang. Der Protestantismus war für die Arbeitsideologie relevant nur zu ihrer Durchsetzung gegen eine alte hegemoniale kulturelle Ordnung.

      Als hegemoniale Ideologie reproduziert sie sich heute in der Alltagswahrnehmung, Familie, Film, öffentliche Debatten, .. . Zusätzlich wird sie, einschließlich Zeitorganisation, Disziplin, .. durch DIE moralische Anstalt der Neuzeit schon Kindern inkorporiert (in den Körper eingeschrieben), durch DIE SCHULE, die modernisierte Mischform aus Kloster und Kaserne.

      Krisen der Arbeitsideologie - Massenarbeitslosigkeit - sind damit notwendiger Weise auch Krisen der schulischen Ausbildung.

      Die Schule als Ablösung, bzw. als Instanz, der protestantischen Erziehung hat eine Tradition, die bereits in den Anfängen des Protestantismus angelegt ist, geht es doch darum die Bibel selbst zu LESEN. Die Geschichte der Schule ist also auch ein Teil der Geschichte des Protestantismus bezogen auf Deutschland.

      Im Kolonialismus steht dieser Zusammenhang mit den Missionsschulen noch einmal plastisch vor Augen.

      - Abgeleitet wird die Arbeitsideologie heute nicht mehr unter Bezug auf 'Gott', sondern unter Bezug auf Naturwissenschaften, Soziobiologie, und ein damit verknüpftes naturalisiertes Kapitalismusverständnis der 'naturalisierten' (Standort-)Konkurrenz. Sie wird als Arbeits-Leistungs-Konkurrenz-Ideologie verbreitet. Leistung, und ein daraufhin optimiertes Arbeitsverhalten, wird hier als Notwendigkeit um in der Konkurrenz, Standort bzw. zwischenmenschlich, bestehen zu können, definiert.

      Religionen spielen für die ideologische Produktion 'der Wahrheit über den Menschen' nur noch eine nachgeordnete Rolle in Deutschland.

      Die soziobiologistische Ideologieproduktion, die Naturalisierung gesellschaftlicher Verhältnisse, Kapitalismus, Sexismus, Sozialrassismus, findet heute vor allem in der Genetik und der Neurologie statt. Diese beiden Wissenschaften dienen zum erheblichen Teil neoliberaler Ideologieproduktion, und werden unter anderem aus diesem Grund finanziert. Die 'wissenschaftlichen Standards' dieser 'Wissenschaften', der soziobiologistischen Bereiche der Neurologie und Genetik, sind dann auch in vielen Aussagen und 'Belegen' eher vergleichbar mit Rassenbiologie, Physiognomik und anderen älteren 'Scheinwissenschaften'.77

      Die Verbreitung dieser Ideologie findet aber über vielfältige Kanäle statt,

      - über Tierfilme, die mit menschlichen Begriffen hantieren,

      - durch Berichte zur 'Überbevölkerung' und 'asiatische' Ökonomien,

      -

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