Anarchistische Analysen zur Gegenwart. Jörg Djuren
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Das Zusammenwirken der liberalen Stiftungen und ihrer reaktionären Gegenstücke ähnelt dabei, sowohl in den USA als auch in anderen Ländern, dem Schema von Good Cop und Bad Cop, Herrschaftssicherung, die Reproduktion der bestehenden Verhältnisse, ist ihr gemeinsames Anliegen, aber dort, wo die einen mit Partizipation (Brotkrumen) locken bieten die anderen Militär auf.
Die Big Three waren dabei außerdem von vornherein nicht nur auf die USA fokussiert, sie haben erheblich Einfluß auf die Außenpolitik der USA genommen und weltweit Politik betrieben. Sie waren eine entscheidende treibende Kraft hinter der 'grünen Revolution'43 , der Chemisierung der Landwirtschaft im Trikont in den 60er und 70er Jahren mit ihren katastrophalen ökologischen Folgen und der Ausweitung der Macht der Agro- & Chemieindustrie. Und sie waren in den 80er Jahren an der Entwicklung des Begriffs und Konzeptes 'Nachhaltigkeit' wesentlich mit beteiligt44 .
Ihr Einfluß reicht auf Grund fast eines Jahrhunderts Tätigkeit und vielfältiger Verbindungen weit über ihre finanziellen Möglichkeiten hinaus. Viele UN-Initiativen und UN-Gremien und Institutionen der US-Außenpolitik sind unter dem Einfluß dieser Stiftungen entstanden45 . Auch die Ideologie der 'Humanitären Intervention' stammt nicht zuletzt aus dem Umfeld dieser Stiftungen.
Zusammen mit der Sorros-Foundation, die sich in ihrer Praxis eng an den Big Three orientiert hat, haben sie, im Laufe der 70er, 80er und 90er Jahre durch die gezielte Unterstützung pro kapitalistischer zivilgesellschaftlicher Gruppen wesentlich dazu beigetragen den us-amerikanischen kulturellen Einfluß in Osteuropa zu sichern und den Systemwechsel voranzutreiben46 .
Zu all diesen Tätigkeiten gibt es differenzierte Kritiken von Seiten der radikalen Linken in den USA47 . Die Kritik ist dabei durchgehend von der Ambivalenz geprägt, daß viele auch radikale linke Projekte (z.B. World Sozial Forum) unter anderem durch diese Stiftungen finanziert werden.
Diese sozialliberalen alten Stiftungen, mit ihrem Wissensreservoir von nun fast 100 Jahren Stiftungstätigkeit (Gegründet Anfang des 20ten Jahrhunderts), werden seit einigen Jahrzehnten durch eine Reihe Neugründungen mit ähnlicher Zielsetzung aber modernisierten Methoden ergänzt. Die Sorros-Foundation wurde schon genannt.
Unter diesen Neugründungen ist auch die nun mit Abstand größte US-Stiftung, die Bill-und-Melinda-Gates-Foundation (die zukünftig über ein Einlagevermögen von über 60 Milliarden Dollar verfügen wird und ein Ausschüttungsvolumen von jährlich ca. 3 Milliarden Dollar48 ), eine Stiftung, die sich von ihren Zielsetzungen an den alten liberalen Stiftungen orientiert und z.B. 30.000 Stipendien für schwarze Studierende in den USA zur Verfügung gestellt hat, aber gleichzeitig für eine radikale Modernisierung der Stiftungspraxis steht.
Diese Modernisierung läßt sich am besten mit den in den USA geprägten Begriff des Philanthrocapitalism beschreiben.
Philanthrokapitalismus
Der Begriff des Philanthrokapitalismus wurde um die Jahrtausendwende zuerst unkritisch geprägt als Werbung für einen Kapitalismus bei dem Superreiche aus ethischen Erwägungen und auf Grund der sozialen Anerkennung, die sie dafür erhalten, der Gesellschaft einen wesentlichen Teil ihres Vermögens zur Verfügung stellen. Dies wurde als bessere Alternative zu erzwungenen Umverteilungen beworben. Real stellen sie den Reichtum aber nicht der Gesellschaft zur Verfügung sondern Stiftungen, die weiter unter ihrer Kontrolle bleiben.
Die philanthrokapitalistische Ideologie setzt dabei, daß der erfolgreiche Großkapitalist auch die ideale Person ist, um die Verwendung seines Vermögens im Sinne des gesellschaftlichen Ganzen zu organisieren. Dies basiert vor allem auf der Annahme, daß der erfolgreiche Großkapitalist auch im philanthropischen Bereich derjenige ist, der Geldmittel mit maximaler Effizienz einzusetzen weiß.
Dies ist ziemlich genau das Selbstbild von Bill Gates, der, nachdem er sich aus der aktiven Arbeit bei Microsoft zurückgezogen hat, nun sich ganz der Stiftungsarbeit widmen will und nun mit dem selben Denken, mit dem er Microsoft erfolgreich gemanagt hat, Hunger und Krankheit im Trikont bekämpfen will.
Der Philanthrokapitalismus unterscheidet sich von der alten Politik der liberalen Stiftungen vor allem dadurch, das Kapitalismus und Markt nun nicht mehr nur Ziele sind, sondern selbst zu den Mitteln der Stiftungen werden. Das heißt die Stiftungen selbst und die Mittelvergabe werden, wie bei einem Konzern, nach Effizienz und Erfolgskriterien, die in Zahlen und Geld gefaßt werden, organisiert.
Inzwischen gibt es aber eine differenzierte Kritik an diesem Ansatz von Seiten radikaler KritikerInnen49 und aus den Reihen der alten liberalen Stiftungen. So definiert Michael Edwards, ein CEO der Ford-Foundation, Philanthrocapitalism in seinem Buch "Just Another Emporer? The Myths and Realities of Philanthrocapitalism"50 , durch folgende Punkte;
- Philanthrokapitalisten verstehen sich selbst als stark engagiert, daß heißt übersetzt, sie wollen den Einsatz der Mittel stark kontrollieren und eigenständig intervenieren. Für die geförderten Projekte bedeutet dies starke Verluste an Selbstständigkeit und einen permanenten Kontrolldruck.
- Effektivität wird wie bei einem Großunternehmen gemessen durch Zahlen und Statistiken.
- Die Strategie setzt auf die aggressive kurzfristige Umsetzungen von Aktivitäten, die sich möglichst bald selbst tragen sollen. Es geht um die Ausweitung von Märkten und die Integration der Bedürftigen als Marktsubjekte als Ideallösung.
- Die Verwischung der Grenzen zwischen zivilgesellschaftlichen Institutionen und Konzernen durch die systematische Förderung von Initiativen in denen zivilgesellschaftliche Gruppen mit Konzernen zusammenarbeiten ist ein angestrebtes Ziel. Die philanthrokapitalistische Ideologie kennt keine grundlegenden Interessenwidersprüche, sondern nur mangelnde Marktintegration.
Als DAS erfolgreiche Beispiel für Philanthrokapitalismus gilt das Konzept der Microkredite.
Auf dieser Beschreibung des Philathrokapitalismus aufbauend formuliert Edwards seine Kritik;
- Der Hype um Philanthrokapitalismus, mit denen sich die Philanthrokapitalisten als die effiziente Lösung der Weltprobleme feiern, hat bisher keine nachweisbaren Ergebnisse vorzuweisen.
- Die Konzentration des Reichtums und der Macht in den Händen Weniger ist eine Gefahr für die Demokratie. Philanthrokapitalismus ist ein Symptom des Problem der Ungleichheit weltweit und nicht die Lösung.
- Die Übertragung des Konzern- und Effizienzdenkens auf die Zivilgesellschaft droht diese ernsthaft zu beschädigen.
Konkret sieht er die Gefahr, daß zivilgesellschaftliche Institutionen