Anarchistische Analysen zur Gegenwart. Jörg Djuren

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Anarchistische Analysen zur Gegenwart - Jörg Djuren

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um finanzielle Zuwendungen, daß die Grenzen zwischen Zivilgesellschaft und Konzernen, die notwendig für eine funktionierende Demokratie und Kontrolle sind, verwischt werden, und Ressourcen von Initiativen, die strukturelle Veränderungen anstreben, abgezogen werden zu Gunsten sozialer und ökologischer Serviceageturen. Außerdem sieht er die Gefahr einer zunehmenden Ungleichheit zwischen hochgeförderten und nicht geförderten zivilgesellschaftlichen Gruppen und die Gefahr der Spaltung. Die Menschen werden darüber hinaus in die Haltung von passiven KonsumentInnen gedrängt, anstatt sie zur aktiven Partizipation zu motivieren. Letztendlich werden notwendige zivilgesellschaftliche Reformprozesse unterbunden.

      Ausgangspunkt für Edwards Kritik ist dabei die Erfahrung der alten liberalen Stiftungen. Es waren die wenig organisierten diffusen Strukturen der Bürgerrechtsbewegung in den USA, die in Folge von 68 die Gesellschaft tiefgehend veränderten. Und Edward zitiert auch eine aktuelle sozialwissenschaftliche Untersuchung über die Wirksamkeit von 12.000 Umwelt-NGO über den Zeitraum 1999 bis 2006. Am erfolgreichsten waren die Gruppen, die am weitesten entfernt von den Vorstellungen der Philanthrokapitalisten waren: "Social movements are most effective when they are purest, most radical, and most disorganized."51 Die pragmatisch orientierten Gruppen waren die ineffizientesten.

      Dazu kommt, daß Philanthrokapitalisten zum Teil auch ihr philanthropischen Engagement direkt mit Firminteressen vermischen. So fördert die Gatesstiftung, die Verbreitung von Computern mit Microsoft-Software in Konkurrenz zum 'philanthropischen' Engagement von Google, die gezielt mit der 'philanthropischen' Förderung von Open Source dagegen halten. Und die Stiftungsmittel der Gates-Foundation werden auch schon mal genutzt um strategische Übernahmen im us-amerikanischen Mediensektor zu finanzieren52 .

      Diese Investitionen weisen auch auf einen zweiten Sektor des Philanthrokapitalismus, auf das zunehmende 'philanthropische' Engagement von Firmen. Hier geht es nicht mehr primär um Spenden um den eigenen Ruf aufzubessern, sondern um strategische 'Philanthropie'. So investieren in Afrika engagierte US-Firmen inzwischen im Schnitt 4% ihrer Gewinne in 'philanthropische' Projekte, die genauer aber wohl als Investition in regionale biopolitische Infrastrukturmaßnahmen bezeichnet werden sollten53 . Eine regionale funktionierende Basisgesundheitsversorgung ist z.B. Voraussetzung für eine effiziente Vernutzung von qualifizierten Arbeitskräften.

      Aus Sicht einer radikalen Kritik geht es beim Philanthrokapitalismus um die Instrumentalisierung zivilgesellschaftlicher Institutionen für die Ausweitung von Märkten und die biopolitische Formierung der Subjekte zu Marktsubjekten.

      Das dies nicht eine verschwörungstheoretische Phantasie ist, sondern eine realistische Einschätzung der Intentionen der Philanthrokapitalisten ist, ist exemplarisch an der Rede "A New Approach to Capitalism in the 21st Century"54 von Bill Gates im Januar 2008 in Davos auf dem World Economic Forum (WEF) ersichtlich.

      Gates nennt seinen Ansatz "Creative Capitalism", es handelt sich dabei aber nur um einen neuen Begriff für Philanthrokapitalismus.

      Für Gates liegt das Allheilmittel in der Ausweitung der Märkte, so daß auch die Armen zu interessanten Marktsubjekten für das Kapital werden;

      "The challenge here is to design a system where market incentives, including profits and recognition, drive those principles to do more for the poor.

      I like to call this idea creative capitalism, an approach where governments, businesses, and nonprofits work together to stretch the reach of market forces so that more people can make a profit, or gain recognition, doing work that eases the world's inequities.

      [..]

      My thinking on this subject has been influenced by many different experiences, including the work Microsoft does to address inequity.

      For the past 20 years, Microsoft has used corporate philanthropy as a way to bring technology to people who don't have access. We've donated more than US$3 billion in cash and software to try to bridge the digital divide.

      But our greatest impact is not just free or inexpensive software by itself, but rather when we show how to use technology to create solutions.

      [..]

      In one case, we're developing an interface that will enable illiterate or semi-literate people to use a PC instantly, with minimal training or assistance. In another we're looking at how wireless, together with software, can avoid the expensive connectivity costs that far more than the cost of software or hardware is what stands in the way of computing access in rural areas.

      [..]

      This kind of creative capitalism matches business expertise with needs in the developing world to find markets that are already there, but are untapped.

      [..]

      Another approach to creative capitalism includes a direct role for governments. Of course, governments already do a great deal to help the poor in ways that go far beyond just nurturing markets: They fund aid research, healthcare; they've done great things. But I believe the highest-leverage work that governments can do is to set policy to create market incentives for business activity that improves the lives of the poor.

      [..]

      I'd like to ask everyone here, whether you're in business, government or the non-profit world, to take on a project of creative capitalism in the coming year, and see where you can stretch the reach of market forces to help push things forward. Whether it's foreign aid or charitable gifts or new products, can you find a way to apply this so that the power of the marketplace helps the poor?"55

      Für Bill Gates sind die erfolgreichen Konzernmanager DIE Fachleute zur Lösung der sozialen und ökologischen Probleme in ihrem Bereich. Klaus Schwab als Konferenzleiter des WEF ergänzte diese Aussage von Bill Gates mit dem Hinweis auf zwei Manager von Nestle und Coca Cola, die er als Beispiele für Management-Kompetenz zur Lösung der Weltwasserproblematik anpries56 .

      Keine Satire!

      Damit handelt es sich hier auch nicht um eine Verschwörung, sondern die neoliberale Ideologie ist zum die Wirklichkeitswahrnehmung strukturierenden Raster dieser 'Eliten' geworden, so daß sie den Neoliberalismus quasi automatisch auf Grund dieser Art die Wirklichkeit wahrzunehmen reproduzieren und alles immer nur als Bestätigung ihres Glaubens lesen57 . Und dann auch entsprechend, das neoliberale System stabilisierend, handeln.

      Gates selbst sieht seinen Ansatz übrigens in direkten Bezug und in Übereinstimmung zu den Charity-Veranstaltungen von Bono, den er persönlich kennt. Die Band Chumbawumba hat schon vor Jahren recht treffend diese Charityveranstaltungen karikiert, trotzdem sieht mensch sich die Veranstaltungen zum G8-Gipfel in Deutschland an, überkommt einen unter diesem Gesichtspunkt noch einmal stärker das kalte Grausen, ob der Zusammenarbeit mit der Charitybewegung.

      Um zu begreifen, was Philanthrokapitalismus konkret bedeutet, ist es sinnvoll sich konkrete Projekte der Bill-und-Melinda-Gates-Foundation anzuschauen.

      Dazu soll ein kritischer Blick auf das Projekt AGRA (Initiative für eine 'neue' grüne Revolution in Afrika) und die gesundheitspolitischen Projekte der Bill-und-Melinda-Gates-Foundation in Afrika geworfen werden.

      AGRA

      Zur klassischen Biopolitik großer Industriekonglomerate der Gründerzeit im 19ten Jahrhundert gehörte nicht nur die Versorgung der ArbeiterInnen mit Wohnungen sondern auch ihre Lebensmittelversorgung über firmeneigene Läden. Ausgebildete ArbeiterInnen mußten an den Betrieb gebunden und arbeitsfähig erhalten werden. Seuchen, die den Betriebsablauf

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