Anarchistische Analysen zur Gegenwart. Jörg Djuren

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Anarchistische Analysen zur Gegenwart - Jörg Djuren страница 12

Anarchistische Analysen zur Gegenwart - Jörg Djuren

Скачать книгу

an der geringen Ausstattung mit Finanzmitteln (1 Millionen $).

      Für die Gates-Foundation war es unter diesen Umständen einfach die bestehenden Strukturen zu schanghaien. Durch GAVI wurde die Entscheidungsfindung in diesem Bereich von Genf (WHO) nach Seattle verlagert (GAVI) und staatliche und internatonale Institutionen (WHO, UNICEF) mußten zu Gunsten von Konzernen erheblich an Entscheidungsmacht abgeben. In den Entscheidungsstrukturen von GAVI sind zwei Sitze für Konzerne (Pharmaindustrie) fest vorgeschrieben, die damit gleichgewichtig mit der WHO und UNICEF vertreten sind. Auf Grund der Ausrichtung der Gates-Foundation auf die Marktwirtschaft, als idealem Mittel zur Umsetzung 'philanthropischer' Ziele, und, der Förderung konzernartiger Organisationsformen auch im Bereich der, von ihr geförderten, Projekte, ist aber von einem starken Übergewicht der Konzerne in den Entscheidungsfindungen von GAVI auszugehen, da der Gates-Foundation als wichtigstem Geldgeber eine besondere Rolle zukommt und sie außerdem mit dieser Ideologie vom hegemonialen neoliberalen Diskurs unterstützt wird68 69 .

      GAVI steht damit in einem Gesamtkontext in dem die Bedeutung von Konzernen in der globalen Politik zunimmt, so daß inzwischen Konzernen auf internationaler Ebene eine mit Staaten gleichgewichtige Rolle in politischen Entscheidungsprozessen zukommt (51 der 100 größten Ökonomien sind inzwischen Konzerne). Die Bill und Melinda Gates Foundation kann als eine der, in diesem Sinn, treibenden Kräfte der 'Modernisierung' der politischen Entscheidungsprozesse auf internationaler Ebene im Bereich Public Health angesehen werden70 .

      This has meant that foundations have in some respects begun to operate as a proxy for the private sector and have advocated greater use of market mechanisms in development cooperation. In this reading there is an ideational fit between philanthropic foundations and the private sector and two should not be artificially separated in discussions of global governance. Indeed as noted above, Bull and McNeill (2007) have attempted to adopt a more nuanced definition of private actors so as distinguish foundations from other agents usually associated with civil society. In this reading, foundations, which often retain deep ties to the corporate sector and adopt a similar organisational culture should not necessarily be categorised with moral agents such as NGOs. Rather foundations, at least large-scale foundations which are more tightly intertwined in elite-level policy communities, are more appropriately grouped with other purveyors of market norms such as business associations and the corporate sector.71

      Dies steht im Zusammenhang mit der Ausrichtung von GAVI auf technokratische Lösungen, dem Fokus auf Impfraten, die von Außen den Empfängerländern 'nahegebracht' werden. Ausgehend von diesem Zusammenhang ist es auch nicht verwunderlich, wieso die Gates Foundation ihre Mittel auf diesen kurzsichtigen technokratischen Ansatz fokussiert.

      Obwohl das bekannte Wissen über Zusammenhänge von Gesundheit, sauberen Wasser, Wohnverhältnissen und Nahrung nahelegen würde lokal angepaßte komplexe Lösungen zu entwickeln, wirkt GAVI nicht nur nicht in diesem Sinn, sondern führt durch die Bindung von Finanzmitteln in Empfängerländern, die über die von GAVI vergebenen Mittel hinausgeht, sogar zum Gegenteil. Komplexe Ansätze müssen zu Gunsten der simplifizierten Impftechnokratie zurückstehen. Die von GAVI vergeben Mittel wirken wie ein Strudel der alles an sich zieht und die Gesundheitspolitik ganzer Staaten umstrukturiert. Dies wird noch fragwürdiger an Gesichts dessen, daß GAVI nicht auf altbekannte patentfreie billige Impfstoffe (ca 1$ pro Impfung), also auf angepaßte Technologie, die in afrikanischen Ländern selbst produziert werden kann, setzt, sondern auf die teils vierzig mal so teuren modernen Kombinationspräparate, eben der Pharmamulties, die wesentlich die Entscheidungsprozesse von GAVI mit bestimmen.

      Es ist zu einfach dies auf die Technophilie von Bill Gates zurückzuführen.

      Für GAVI gilt das selbe wie für AGRA, es geht eben nicht um Gesundheits-Souveränität, nicht um die Stärkung der Selbstbestimmung und Handlungsfähigkeit der Menschen, sondern um Verwaltung der Körper, ihre Einbindung in den globalisierten Verwertungsprozeß. Für Bill Gates liegt, wie am Anfang ausgeführt, das Glück der Menschen in ihrer Einbindung als globalisierte Marktsubjekte.

      GAVI kann als Teil einer medizinischen Produktion globalisierter Körper begriffen werden. Die bewußte Nichtanpassung der Impfkampagnen an regionale Verhältnisse72 produziert bis zu einem gewissem Grad erst das, was sie voraus setzt, die einheitlichen Verhältnisse. Dabei ist zu sehen, daß zur Impfung auch der Aufbau einer lokalen Infrastruktur und eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit gehören, die die zentralen Vorgaben von GAVI lokal realisieren. Wirksam wird dies natürlich nur in einem Gesamtprozeß der Globalisierung der Public Health Politik und der Lebensverhältnisse insgesamt. Die globalisierte AIDS Politik, auf die das Zitat am Anfang verweist, wäre für diese Biopolitik ein weiteres Beispiel.

      Und vergleichbar mit AGRA steht diese Politik diametral einer Stärkung regionaler Selbstbestimmung, einer Politik der Gesundheits-Souveränität, gegenüber und zerstört die Ansätze, die dafür bestehen.

      Dazu paßt auch, daß die Gates Foundation selbst einen Teil der Gesundheitsprobleme verursacht, die sie technokratisch zu 'lösen' versucht. Die Aktien der Gates Foundation sind zum Teil in Beteiligungen angelegt an Konzernen, die durch ihre afrikanischen Tochterunternehmen durch regionale Umweltvergiftung erheblich zu Gesundheitsproblemen in Afrika beitragen.73 In der globalisierten Verwaltungslogik ist dies kein grundsätzlicher Widerspruch sondern nur ein regulatorisches Problem.

      Als Ergänzung zum Gesagten ist aber auch zu berücksichtigen, daß die globalisierten Körper nicht einseitig von oben konstruiert werden. Vielmehr nutzen die Menschen die bestehenden Regulationssysteme um sich selbst als Individuen in einer Art und Weise zu konzipieren, die ihnen Überlebens- und Handlungsmöglichkeiten sichert. Auch darauf verweist das am Anfang dieses Absatzes aufgegriffenen Zitat von Vinh-Kim Nguyen. Nguyen beschreibt in diesem Text nicht so sehr die machtförmige Formierung der Subjekte, als vielmehr eine avancierte Selbstkonstruktion an AIDS-Erkrankter Menschen in Afrika mit der diese sich unter Rekurs auf den internationalen Diskurs eine Subjekt- und Handlungsposition schaffen, die ihnen erstens den Zugang zu Medikamenten und zweitens soziale Anerkennung sichert.

      Die globalisierten Körper werden in diesem Sinn nicht zentralistisch geschaffen, sie sind vielmehr ein Effekt der widersprüchlichen Interaktion der Menschen in der Globalisierung unter den machtförmig vorgegeben Bedingungen, nicht nur Fremdbestimmung sondern auch emanzipative Aneignung.

      Zum Schluß noch ein Rückverweis auf den Anfang. Die Gates Foundation ist nur eine unter vielen AkteurInnen. Für die BRD müßten insbesondere die Kirchen mit ihren 'Hilfsorganisationen', die großen Sozialverbände und die politischen Parteistiftungen ins Blickfeld genommen werden, um die internationale 'Entwicklungs'Politik / Biopolitik durch nichtstaatliche AkteurInnen zu analysieren. Dies ist überfällig!

      Der Text wurde als Diskussionspapier für eine Treffen des AK Biopolitik geschrieben. Falls Ihr mehr über unsere Diskussionen wissen wollt, schaut mal auf - http://www.lifekritik.de - nach.

      Jörg Djuren - Hannover, Juni 2008

      (Veröffentlichung - alaska - Bremen, 2009)

      FIN

      Wes Geistes Kind? Arbeit(s)-Religion

      1. Teil

      Von Luther zu Müntefering

      Das der protestantische Geist das ethische Rückrat bei der Herausbildung des Kapitalismus war, gilt seit 100 Jahren in der Soziologie als Allgemeinplatz. Vom Beten, zum Beten und Arbeiten, zur Arbeit als 'Gottesdienst' bzw. als Beweis der eigenen Ausgewähltheit durch 'Gott', führt der Weg des Protestantismus. Die Aufwertung der Arbeit zum Lebenssinn ist nicht begreifbar ohne ihre religiöse Überhöhung.

      Max

Скачать книгу