Stein. Sabine Korsukéwitz
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Im Gebiet der Shoshonen machten weiße Archäologen unserer Tage einen grausigen Fund: Massen von Menschenknochen, offenbar waren sie alle an dieser Stelle eines gewaltsamen Todes gestorben, Knochen waren gebrochen, Schädel zertrümmert, Pfeilspitzen lagen noch zwischen den gebleichten Rippen. Die Machart der Stoffe und Gegenstände, die bei den Skeletten erhalten geblieben waren, suggerierte, dass es sich um eine unglückliche Gruppe von Hopis gehandelt haben muss, die auf dem Heimweg von Shoshonen massakriert wurden.
Einige Minen wurden, nachdem sie soweit wie möglich ausgebeutet waren, einfach verlassen. Andere wurden wieder aufgefüllt, eine mühselige Arbeit. Ob das getan wurde, um den Fundort geheim zu halten, oder vielleicht doch um die Natur zu heilen und zu versöhnen, lässt sich heute nicht mehr feststellen.
Als die Spanier Mexiko unterworfen und reichbeladene Schiffe in ihre Heimat geschickt hatten, richtete sich ihr gieriger Blick nach Norden.
1536 tauchte ein halbverhungerter, völlig abgerissener Abenteurer in Ténochtitlan auf (Mexiko-Stadt ), ein gewisser Alvar Nunez Cabeza de Vaca. In seiner Begleitung war ein schwarzer Sklave mit Namen Estevan. Acht Jahre lang hatten sie sich durch Dschungel, Fels und Halbwüsten nach Florida gekämpft von Stamm zu Stamm. Manchmal gelang es ihnen, sich als Abgesandte von Göttern auszugeben und die Gastfreundschaft der Indianer zu genießen, manchmal trieben sie Handel und einige Male mussten sie monatelang Sklavenarbeit verrichten, um sich am Leben zu erhalten.
De Vaca war ein gewaltiger Aufschneider und Märchenerzähler. Die Reichtümer der westlichen Indianerstämme müssen bei jedem neuen Vortrag angeschwollen sein, bis der Vizekönig selbst, Don Antonio de Mendoza den Abenteurer an seinen Hof bringen ließ, um den Bericht mit eigenen Ohren zu hören. Und wieder schmückte de Vaca die Erzählung aus. So wurden mit der Zeit aus ein paar Zuni-Dörfern die Sieben Goldenen Städte von Cibola. Niemanden störte es offenbar, dass de Vaca für all seine Mühen nichts vorzuweisen hatte außer einer Handvoll von Türkisen. Er zeigte auch überhaupt kein Verlangen danach, die Reise zu wiederholen. Also schickte ihn Mendoza mit der nächsten Galeone nach Spanien, um seine Geschichte Karl V. zu erzählen.
Der Mohr Estevan dagegen, der als ‘Abgesandter von Göttern’ ein vergleichsweise gutes Leben geführt hatte, ließ sich gern einer Expedition von Fray Marcos de Niza als Übersetzer und Scout zuteilen. Und so wurde Estevan der Gruppe jeweils ein paar Tagereisen vorweg geschickt, mit dem Auftrag, durch indianische Kuriere Nachrichten zurückzuschicken. Waren die zu erwartenden Gewinne mittelmäßig, so sollte er dem Indianer ein Kreuz in Handteller-Größe mitgeben mit entsprechender Steigerung. Man kann sich denken, dass die Zeichen, die Estvan sandte, mehr als optimistisch waren. Weiter und weiter lockte er die spanische Truppe.
Inzwischen ließ sich Estvan überall feierlich empfangen und mit Türkisen und Frauen beschenken. Natürlich waren die Spanier an Türkisen nur mäßig interessiert. Was sie suchten, waren Gold, allenfalls Silber und Smaragde. Dennoch: Türkise waren besser als nichts und wurden eingesackt.
Als Estevan bei Cibola ankam, hatte sich wohl die Kunde von den grausamen Göttern schon verbreitet. Götter gaben normalerweise Geschenke und verlangten keine. Außerdem fanden die Zuni es ausgesprochen unglaubwürdig, dass ein schwarzer Mann behauptete, er sei der Vorbote von weißen Göttern. Und als er schließlich unverschämt wurde und Geschenke von Türkis und Frauen verlangte, da sperrten ihn die Zuni kurzerhand außerhalb der Stadtmauern in einen Käfig. Seine angesammelte Beute wurde konfisziert, er selbst und seine Begleiter bei einem Fluchtversuch getötet.
Als die spanische Expedition dann Cibola erreichte, müssen sie sehr enttäuscht gewesen sein: Zwar waren die Einwohner gut genährt und gekleidet, aber von Gold keine Spur. Man gab ihnen einige Türkise, aber die besten Stücke waren vor der Ankunft dieser gierigen Götter versteckt worden.
Auch Fray de Niza verheimlichte dem Vizekönig das Desaster. Der sandte noch eine weitere Expedition nach. Als dann das ganze Ausmaß von Lügen und Prahlerei offenbar wurde, schickte man Fray de Niza in Unehren nach Spanien. So brachte die Prahlerei von drei Männern den Indianern Krieg, Tod und Sklaverei. Nach all dem Aufwand wollte man nun doch etwas davon haben. Truppen wurden losgeschickt, um die Dörfer zu plündern, egal, was es brachte. Irgendwas würde schon dabei heraus kommen.
Der Berichterstatter Pedro Castaneda schrieb1541: “ Sie schenkten uns einige gegerbte Häute und eine Menge Piniennüsse, Mais und einheimisches Geflügel. Später brachten sie noch ein paar Türkise, aber nicht viele.” Die besten und feinsten Stücke wurden nach Spanien gesandt. Einige befinden sich heute noch bei den Kronjuwelen. Aber eigentlich hatte der Stein für die Konquistadoren nur eine Bedeutung: Symbol für die Hoffnung auf größere Schätze, denen sie unentwegt nachjagten.
Mit der Versklavung der Indianer durch Spanien versiegte der Türkisabbau. Viele der alten Minen wurden vergessen. Nur noch heimlich und an der Oberfläche suchten die Indianer von Zeit zu Zeit nach dem ihnen so wichtigen Stein. Mitte des 19 Jh. begannen weiße Siedler und Eroberer erneut, das Land nach Bodenschätzen abzusuchen und die Minen wieder in Betrieb zu nehmen. Weit davon entfernt, irgendwelche Stämme um Erlaubnis zu fragen, wurde Türkis nun mit Hilfe von Sprengstoff und Dampfhämmern aus der Matrix gebrochen, eine Vorgehensweise, die tatsächlich an die vielbeschworene Vergewaltigung der Natur denken lässt. Effektivität war eben das neue Credo, materieller Reichtum Lebensziel und einziger Maßstab. Die Bezahlung der Minenarbeiter variierte nach Rassenzugehörigkeit: Mexikaner erhielten 1,50 Dollar am Tag, weiße Amerikaner 2,50 Dollar. Die gesäuberten und sortierten Steine wurden in hölzerne Kisten verpackt und nach New York geschafft. In den Cerillo-Minen konnten sieben bis zehn Männer am Tag Türkise im (damaligen) Wert von acht bis zehntausend Dollar fördern.
Wie schockierend und fremdartig mussten diese Weißen den Indianer vorkommen, deren Gott das Geld war, da doch all ihre eigenen Mythen, Regeln und Gesetze auf die Erhaltung der Gemeinschaft und die Harmonie mit der Natur abzielten. Nicht dass die Indianer bessere Menschen gewesen wären; ihre Werte unterschieden sich einfach grundsätzlich von denen der Neuankömmlinge auf ihrem Kontinent.
Archäologen und Völkerkundler hatten oft Schwierigkeiten, die alten Minen mit ihren Ruinen und dem überall herumliegenden steinzeitlichen Werkzeug zu besichtigen. Die neuen Eigner hüteten ihre Claims eifersüchtig und viele erlaubten weder das Anfertigen von Skizzen noch von Fotografien. Aber einige der Relikte gelangten doch in den Besitz von Museen und wissenschaftlichen Gesellschaften.
Ob friedlich oder kriegerisch, die Begegnung mit den Weißen veränderte die Kultur der Indianer und ihr ästhetisches Empfinden. Vor der Eroberung durch die Spanier war die Metallverarbeitung den Indianern unbekannt – einer von mehreren Faktoren, der gegen sie arbeitete. Wenn man heute von ‘indianischem Türkisschmuck’ spricht, so ist eigentlich ‘Silber und Türkis’ gemeint. Es heißt, dass die ersten metallischen Schmuckfassungen aus mexikanischen Silbermünzen gefertigt wurden. Eine zweifelhafte Angelegenheit: Bestechung, um den Zusammenhalt der Stammesgemeinschaften zu zerstören war so üblich in jenen Tagen, dass der Besitz von mexikanischen Pesos als Judaszeichen betrachtet wurde, besser also, sie schnell umzuarbeiten. Viele Münzen wechselten allerdings auch durch Diebereien und Überfälle den Besitzer. Und daraus hat sich nun die Tradition indianischen Türkis-und-Silber-Schmucks ergeben. Die Navajos lernten das Schmiedehandwerk von mexikanischen Indios; andere Stämme lernten von den Navajos.
1863 bekam Kid Carson von der US-Arme den Auftrag, die Navajos zusammenzutreiben und sie einzusperren, um ihren Widerstand zu brechen. Man ließ sie 360 Meilen marschieren bis Fort Sumner in Neu Mexiko. Manche behaupten, sie hätten das Schmiedehandwerk dort gelernt, andere sagen, das wäre ganz unmöglich gewesen, weil sie dort zusammengepfercht existieren mussten, schlimmer als Vieh und keine Werkstätten zu ihrer Verfügung hatten.
Als sie 1868 endlich ‘freigelassen’ wurden, eine sehr begrenzte Freiheit, da war das Reservats-System installiert und mit ihm die Handelsposten.