Magellan. Stefan Zweig

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Magellan - Stefan Zweig

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der aurea chersonesus, die Meerenge von Singapore, zum großen Umschlageplatz des Ostens ausersehen. Jedes Schiff, das von Osten nach Westen, von Norden nach Süden will, von Indien nach China, von den Molukken nach Persien, muß dieses Gibraltar des Ostens passieren. Alle Waren werden in diesem Stapelplatz gegeneinander getauscht, die molukkischen Gewürznelken und die Rubine Ceylons, das chinesische Porzellan und das Elfenbein aus Siam, die bengalischen Kaschmire und das Sandelholz von Timor, die arabischen Damaszenerklingen und der Pfeffer von Malabar und die Sklaven aus Borneo. Alle Rassen, alle Hautfarben und Sprachen wimmeln babylonisch durcheinander in diesem Handelsemporium des Ostens, in dessen Mitte sich mächtig über dem hölzernen Gewirr der niedern Häuser ein leuchtender Palast und eine steinerne Moschee erheben.

      Staunend betrachten von ihren Schiffen die Portugiesen die mächtige Stadt, lüstern nach diesem in blendendem Sonnenlicht weiß funkelnden Juwel des Ostens, das als edelster Edelstein die indische Herrscherkrone Portugals schmücken soll. Staunend und beunruhigt betrachtet wiederum von seinem Palast aus der malaiische Fürst die fremden und gefährlichen Schiffe. Das sind sie also, die unbeschnittenen Banditen, endlich haben die Verfluchten auch nach Malacca den Weg gefunden! Längst schon hat sich über tausend und tausend Meilen die Nachricht von Almeidas und Albuquerques Schlachten und Schlächtereien verbreitet; man weiß in Malacca, daß diese furchtbaren Lusitaner nicht wie die siamesischen und japanischen Dschunkenführer nur zu friedlichem Tausch das Meer durchqueren, sondern heimtückisch auf den Augenblick warten, sich festzusetzen und alles zu rauben. Das Klügste wäre, diese vier Schiffe gar nicht in den Hafen zu lassen; haben Einbrecher einmal den Fuß in der Türe, so ist es zu spät. Aber der Sultan hat auch verbürgte Nachricht über die Wirkung jener schweren Kanonen, die mit schwarzem, schweigendem Mund von den Kastellen der portugiesischen Schiffe drohen, er weiß, diese weißen Räuber kämpfen wie die Teufel, man kann ihnen nicht widerstehen. Am besten darum, Lüge mit Lüge, falsche Freundlichkeit mit gespielter Gastlichkeit, Betrug mit Betrug zu erwidern und lieber selbst rechtzeitig zuzuschlagen, ehe sie die Pranke heben zum tödlichen Schlag.

      Überschwenglich empfängt darum der Sultan von Malacca die Gesandten Sequeiras, mit übertreiblichem Dank nimmt er ihre Geschenke entgegen. Herzlich seien die Portugiesen willkommen, läßt er ihnen sagen, und sie mögen Handel treiben nach ihrem Belieben. In wenigen Tagen wolle er ihnen so viel an Pfeffer und andern Spezereien beschaffen, wie sie nur mitnehmen könnten. Liebenswürdig lädt er die Kapitäne in seinen Palast zum Mahle, und wenn diese Einladung – auf allerhand Warnungen hin – auch nicht angenommen wird, so schwärmen die Seeleute doch frei und vergnügt in der fremden, gastlichen Stadt. Wollust, endlich wieder einmal festen Boden unter den Füßen zu haben, mit gefälligen Frauen sich freuen zu dürfen, endlich nicht mehr in der stinkenden Kajüte kampieren zu müssen oder in einem dieser dreckigen Dörfer, wo die Schweine und Hühner zwischen den nackten Menschentieren hausen. Plaudernd sitzen die Matrosen in den Teehäusern, sie kaufen auf den Märkten, sie ergötzen sich an den scharf gegorenen malaiischen Getränken und frischen Früchten: nirgendwo, seit sie Lissabon verließen, haben sie so herzlichen, so gastlichen Empfang gefunden. Zu Hunderten wieder rudern in ihren kleinen, geschwinden Booten die Malaien mit Lebensmitteln an die portugiesischen Schiffe heran, geschickt wie Affen klettern sie an den Tauen hinauf, bestaunen die fremden, nie gesehenen Dinge. Ein heiterer Tauschverkehr entwickelt sich, und ungern erfährt die Mannschaft, daß der Sultan bereits die verheißene Ladung bereitgestellt und Sequeira verständigt hat, er möge am nächsten Morgen alle Boote ans Ufer schicken, damit man die riesige Fracht noch vor Sonnenuntergang verladen könne.

      Sequeira, erfreut über die rasche Beschaffung der kostbaren Waren, sendet tatsächlich alle Boote der vier großen Schiffe mit reichlicher Bemannung ans Land. Er selbst, als portugiesischer Edelmann Kaufmannsgeschäft unter seiner Würde erachtend, bleibt an Bord und spielt mit einem Kameraden Schach, das Klügste, was man an einem langweiligen heißen Tage auf einem Schiff zu tun vermag. Auch die andern drei großen Fahrzeuge liegen schläfrig still. Aber ein ungemütlicher Umstand fällt Garcia de Susa, dem Kapitän der kleinen Karavelle, die als fünftes Fahrzeug die Flotte begleitet, auf: nämlich daß immer größere Mengen malaiischer Boote die halbverlassenen vier Schiffe umschwärmen, daß unter dem Vorwand, Waren an Bord zu bringen, mehr und immer mehr dieser nackten Burschen die Schiffstaue hinaufklettern. Schließlich schöpft er Verdacht, am Ende werde hier zugleich zu Land und See von dem allzu freundlichen Sultan ein verräterischer Überfall vorbereitet.

      Zum Glück hat die kleine Karavelle ihr eigenes Boot nicht mit ans Ufer gesandt; so gibt de Susa seinem verläßlichsten Mann Auftrag, schleunigst zum Admiralsschiff hinüberzurudern, um den Kapitän zu warnen. Dieser sein verläßlichster Mann ist niemand anderer als der Sobresaliente Magellan. Mit raschen, energischen Schlägen rudert er hinüber, findet den Kapitän Sequeira noch gemächlich beim Schachspiel. Aber Magellan will es nicht gefallen, daß mehrere Malaien, scheinbar als Zuschauer, im Rücken der beiden Spieler stehen, den immer bereiten Kris im Gürtel. Unauffällig flüstert er Sequeira seine Warnung zu. Dieser, um keinen Verdacht zu erregen, unterbricht geistesgegenwärtig das Spiel nicht. Aber er befiehlt einem Matrosen, vom Mastkorb Ausschau zu halten, und läßt von nun an während des Spiels die eine Hand nicht mehr vom Degen.

      Die Warnung Magellans war im letzten, im allerletzten Augenblick gekommen. Eben in dieser Minute steigt vom Sultanspalast eine Rauchsäule auf, das verabredete Zeichen für den gleichzeitigen Überfall zu Land und See. Auf dem Schiff gibt der Matrose im Mastkorb glücklicherweise noch rechtzeitig Alarm. Mit einem Ruck springt Sequeira auf und schlägt die Malaien, ehe sie zustoßen können, zur Seite. Signal wird geblasen, die Mannschaft sammelt sich an Bord; auf allen Schiffen werden die eingedrungenen Malaien über Bord gestoßen, und vergeblich, daß jetzt von allen Seiten bewaffnete Praus auf die Schiffe losfahren, um sie zu entern: Sequeira hat Zeit gewonnen, die Anker zu lichten, und seine Kanonen schaffen ihm mit kräftigen Salven Luft. Dank der Wachsamkeit de Susas und der Promptheit Magellans ist der Anschlag auf die Schiffe mißlungen.

      Schlimmer steht es um die Unglücklichen, die vertrauensvoll an Land gegangen sind, eine Handvoll unvorbereiteter, in den Straßen zerstreuter Männer gegen Tausende von tückischen Feinden. Die meisten Portugiesen werden sofort niedergeschlachtet, nur wenigen gelingt es, bis zum Strand hinzuflüchten. Jedoch zu spät schon: die Malaien haben sich bereits der Boote bemächtigt und damit den Rückzug auf die Schiffe unmöglich gemacht; einer nach dem andern von den Portugiesen unterliegt der Übermacht. Nur ein einziger, der Tapferste von allen, wehrt sich noch, Magellans nächster und brüderlichster Freund, Francisco Serrão. Schon ist er umringt, verwundet, schon scheint er verloren. Aber da ist Magellan in seinem kleinen Boot mit einem zweiten Soldaten bereits herangerudert, unerschrocken sein Leben wagend für den Freund. Mit ein paar wuchtigen Hieben schlägt er den von zehnfacher Übermacht Umringten heraus, reißt ihn in die kleine Zille und rettet ihm damit das Leben. Die portugiesische Flotte hat bei diesem vernichtenden Überfall ihre Boote und mehr als ein Drittel ihrer Mannschaft verloren, Magellan aber einen Blutsbruder gewonnen, dessen Freundschaft und Vertrauen entscheidend sein wird für seine künftige Tat.

       Plan von Goa

       Aus einer Handschrift im British Museum, London

      Das erste Mal bei diesem Anlaß zeichnet sich in dem noch ganz verschatteten Wesensbilde Magellans ein persönlicher Charakterzug ab: seine mutige Entschlossenheit. Es ist nichts Pathetisches in seiner Natur, nichts Auffälliges in seinem Wesen, und man versteht, daß ihn so lange alle Chronisten des indischen Kriegs übersahen, denn Magellan war zeitlebens ein Mann der Verborgenheit. Er versteht nicht, sich bemerkbar, sich beliebt zu machen. Aber immer, wenn eine Aufgabe ihm gestellt ist, und noch mehr, wenn er selbst eine Aufgabe sich stellt, dann handelt dieser hintergründige und verborgene Mann mit einer blendenden Bindung von Klugheit und Mut. Nie dagegen versteht er, nachher seine Leistung auszunützen oder sich ihrer zu rühmen; still und geduldig tritt er wieder zurück in den Hintergrund. Er weiß zu schweigen, er weiß zu warten, als ahnte er, daß für die eigentliche Leistung, die ihm zu vollbringen auferlegt ist, das Schicksal ihm noch viele

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