Gorloin. Thomas Hoffmann

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Gorloin - Thomas Hoffmann Leif Brogsohn

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style="font-size:15px;">      Eine Zeitlang schwiegen die Elben. Dann blickte einer der Ältesten auf.

      Er räusperte sich. „Dein Rat soll befolgt werden, Tamelund, unser Vater. Ist einer meiner Brüder anderer Meinung, möge er sprechen.“

      Einer nach dem anderen nickten die anderen Ältesten. Tamelund lächelte, als hätte er das Nicken der Ältesten erkannt.

      Seine blinden Augen irrten zu Sven, Lyana und mir herüber.

      Keinerlei Gewalt lag in seiner Stimme, als er sagte: „Niemand wird euch, die ihr von der Küste in unsere Wälder geflohen seid, zwingen, in die toten Berge zum hohen Schneeberg zu gehen, um die Zwergensprüche aus der Versenkung zu holen - auch mein Volk nicht. Ihr könnt euch eurer Aufgabe entziehen und hinunter gehen ins Reich der Menschen. Aber ihr müsst wissen, dass das Feuer, das hier im Norden ausbrechen wird, nicht allein die nördlichen Gegenden verbrennen wird, sondern es wird sich bis ins Menschenreich fressen, um es zu zerstören. Weder ihr noch sonst ein Mensch wird dem Krieg entkommen. Es ist nur noch wenig Zeit, den Schatten Einhalt zu gebieten, die über der Welt liegen. Und nur mit den heiligen Waffen der Zwerge - und der Menschen!“ sein blinder Blick irrte zu Sven, „kann es gelingen!“

      Totenstille herrschte nach seinen Worten auf der Lichtung und im Wald rings umher.

      Es war Kat, die zuerst ihre Stimme wiederfand. „Warum wir? Warum soll das Schicksal der halben Welt an uns hängen?“

      Tamelund antwortete sanft: „Hat nicht Sven Bredursohn den Rubin des Stiers von seinem Platz in der Grabanlage Gorgons genommen? Hat nicht Leif Brogsohn ihn aus dem Grab herausgetragen? Hat nicht Lyana, Tochter der Laendia vom Clan der Hewroidan, das Schwert Grugar, Schlüssel zum Heiligtum der Priester Gorloins, aufgenommen und ans Licht gebracht? Hast nicht du selbst, Katrina aus Rodewald, deine Gefährten gedrängt, Gorgons Grab auf der Klippe im Meer aufzusuchen?“

      „Aber das haben wir ja alles nicht gewusst!“ schrie Kat. „Man kann uns doch nicht verantwortlich machen für Dinge, von denen wir überhaupt keine Ahnung hatten!“

      „Die Frage, die euch gestellt wird,“ sagte Tamelund volltönend, „ist einzig, ob ihr Verantwortung übernehmen wollt für das, was ihr getan habt. Vor dieser Entscheidung - und vor den Folgen eurer Entscheidung - kann keine Macht der Welt euch bewahren! Euch nicht und niemanden sonst. Auch mein eigenes Volk muss sich dieser Entscheidung stellen!“

      In die Stille, die seinen Worten folgte, hörte ich mich sagen: „Wir... wir werden unsere Entscheidung treffen, Tamelund, unser Vater.“

      In Wahrheit hatte ich bereits entschieden. Ich wusste, dass wir keine Wahl hatten. Die Maschen des dunklen Schicksalsnetzes hatten sich wieder eine Spur enger gezogen.

      Tamelund nickte langsam. Seine blinden Augen rollten in ihren Höhlen umher.

      „In fünf Tagen müsst ihr aufbrechen. Die Krieger werden euch eure Waffen zurückgeben. Bis dahin hast du Zeit, Leif, Sohn des Brog, dich von deiner Wunde zu erholen.“

      Die Ältesten neigten ihre Köpfe. Wir taten es ihnen nach.

      „Mögest du noch lange unter uns weilen und uns deinen Rat zuteil werden lassen, Tamelund, unser Vater,“ sagte Thweronund, während die weißhaarigen Alten ihre Decken um sich schlugen und langsam an uns vorbei den Weg zur Siedlung hinuntergingen.

      Auch Thweronund erhob sich. Er nickte uns nachdenklich zu und ging den anderen hinterher. Kat kam zu uns zurück. Wir standen ebenfalls auf.

      Tamelund streckte seine Hand aus. „Leif Brogsohn, bleibe noch eine Weile bei mir. Ihr andern mögt vorausgehen ins Dorf.“

      Ich wechselte einen kurzen Blick mit meinen Gefährten. Sven hatte die Hand am Messergriff, wie ein Elbenkrieger. Lyana sah mir in die Augen, während Aeolin kurz in meine Richtung nickte. Sie gab den Gefährten ein Zeichen und schritt den Pfad hinab. Lyana und Sven folgten ihr. Kat zögerte, aber dann ging sie den dreien nach.

      „Setze dich neben mich, Leif, Sohn des Brog,“ sagte Tamelund.

      Mit pochendem Herzen ließ ich mich neben ihm nieder. Ich suchte nach Worten, um mich für das zu verteidigen, was ich in der Nacht getan hatte. Aber mir fiel nichts ein.

      „Mein Vater...“ stotterte ich.

      Der Greis winkte mir, zu schweigen. Er hob den faltigen Schädel mit den in ihren Höhlen umherirrenden blinden Augen, als lausche er in die Ferne.

      „Die Seele meines jungen Bruders ist hin und hergerissen zwischen Dunkel und Licht,“ sagte er in leisem, singendem Tonfall, als spräche er im Traum. „Ich sehe, dass mein Bruder die Kraft sucht, sich zu entscheiden, aber er findet sie nicht.“

      Mit einem Mal saß mir ein Kloß im Hals. Ich musste ein Husten unterdrücken. Tamelunds Stimme ging mir durch Mark und Bein.

      „Es kommt der Tag,“ sang der uralte Greis leise, „an dem mein Bruder seine Entscheidung treffen wird, zum Guten oder zum Bösen. Sie wird endgültig sein.“

      „Wann wird das sein, mein Vater?“ fragte ich heiser.

      „Das Herz meines Bruders ist zögerlich. Bis zu jenem Tag hat er einen schweren Pfad vor sich.“

      ***

      Zurück in der Siedlung begegnete ich Aeolin auf dem Platz in der Siedlungsmitte.

      „Deine Gefährten haben sich in in eure Wohnstatt zurückgezogen,“ sagte sie mir. „Sie warten auf dich.“

      Als ich in die Schlafkammer trat, sahen Lyana, Kat und Sven mir entgegen. Ich setzte mich zu ihnen. Vom offenen Eingang drangen Tageslicht und Kälte in den dämmerigen Raum.

      „Was hat er von dir gewollt?“ fragte Kat.

      Ich zuckte mit den Achseln. „Na ja, er hat gemeint, dass ich mich entscheiden soll – von wegen schwarzer Magie und so...“

      Lyana sah mich still an.

      „Wenn es weiter nichts war – zumindest damit hat er recht,“ meinte Kat. „Das meiste, was er gesagt hat, hab ich nicht verstanden. Was hat er mit diesem Raben gemeint?“

      „Wahrscheinlich irgend so eine Elbenweisheit,“ sagte ich schnell.

      Eine Weile saßen wir stumm beieinander, bis Kat meinte: „Jedenfalls lassen sie uns ziehen, wenn ich den Greis richtig verstanden habe, was auch immer er da noch gefaselt hat von den toten Bergen und so...“

      Sven blickte sie bitter an. „Er hat gesagt, den Menschen im Reich droht Feuer und Krieg, wenn wir nicht gehen, es zu verhindern.“

      „Glaubst du das etwa?“ rief Kat.

      „Ich glaube, er hat recht,“ meinte ich zögernd. „Nach allem, was wir mitbekommen haben: die Prophezeiung aus Gorgons Grab, derzufolge Gorloin an die Küste zurückkommen wird, sobald sein Schattenheer sich dort gesammelt hat... Außerdem, Ligeia hat mir etwas ganz Ähnliches gesagt.“

      „Ihr gerade würde ich trauen!“ spottete Kat.

      Sven blickte finster vor sich hin. „Ich habe geschworen, alle Menschen vor Unheil zu schützen.“

      Kat

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