Gorloin. Thomas Hoffmann

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Gorloin - Thomas Hoffmann Leif Brogsohn

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Weile meinte ich: „Bitte sag Kat das nicht. Ich glaub' nicht, dass sie damit gut umgehen könnte.“

      ***

      Die verbleibenden Tage vor dem Aufbruch verbrachten wir wie die vorherigen. Lyana und Aeolin gingen jeden Tag auf die Jagd. Abends am Siedlungsfeuer saßen sie beieinander und rauchten Lyanas Pfeife. Lyana spielte ihre Flöte und häufig stimmte eine der Frauen oder ein Krieger einen Gesang zu ihrem Flötenspiel an. Aber Lyanas Melodien klangen traurig und sehnsüchtig, nicht mehr voller Freude wie in den Tagen vor Tamelunds Entscheidung.

      Kat, Sven und ich verbummelten die Tage im Dorf und auf gemeinsamen Spaziergängen entlang der verschneiten Flussauen. Kat machte keinen Hehl daraus, wie glücklich sie war. Sie gab darauf acht, weder Sven noch mir in irgend einer Weise einen Vorzug zu geben. Sie war verliebt und fröhlich und wäre nicht der nahe Aufbruch gewesen, über den zu sprechen wir vermieden, sie hätte sich vielleicht noch zu der Äußerung hinreißen lassen, dass die Götter es doch gut mit ihr meinten.

      In den Nächten in unserer Schlafkammer erfand Kat immer neue Spiele, bei denen keiner von uns beiden leer ausging oder sich hätte benachteiligt fühlen müssen. Ich war überrascht, wie heftig, geradezu grob, Sven mit ihr war. Aber ganz offensichtlich mochte sie es. Am meisten genoss sie es, wenn wir sie gleichzeitig berührten. Ein oder zweimal wurde sie fast ohnmächtig vor Ekstase.

      Wenn wir gemeinsam durch die Siedlung bummelten, schäkerte Kat mit Sven und mir. Sie und Sven alberten herum, stritten sich scherzhaft.

      Den einen Vormittag während dem späten Frühstück am Siedlungsfeuer sagte sie mit gespieltem Vorwurf zu Sven: „Leif weiß, wie man zärtlich zu einem Mädchen ist, hörst du, Sven?“

      Er zuckte mit den Schultern. „Wusste gar nicht, dass du darauf stehst. Ich dachte, du magst es, wenn's erst richtig heftig wird.“

      „Mag ich auch!“ lachte sie. „Ich brauch' euch eben einfach beide!“

      ***

      Am letzten Abend in der Elbensiedlung ging Lyana nicht mit Aeolin das gemeinsam erjagte Wild abhäuten. Allein ging sie zur Feuerstelle, setzte sich auf eine Bank und starrte in die Flammen. Kat, Sven und ich hatten dabeigestanden, als die Jäger den Frauen die Jagdbeute zeigten und von der Jagd erzählten. Ich verließ den Kreis der Jäger, ging hinüber zu Lyana und setzte mich neben sie.

      Eine Weile saßen wir stumm nebeneinander.

      Schließlich sagte sie tonlos: „Du brauchst gar nicht erst zu versuchen, mit mir zu diskutieren. Ich komme doch mit dir mit.“

      „Lyana,“ fing ich trotzdem an. „Ich weiß, das wir beide Blutgeschwister sind, dass - dass du mich liebst. Aber schau...“

      „Leif, lass es einfach, ja?“

      „Nein, das meine ich nicht...“

      „Ich weiß, was du sagen willst!“

      „Aber lass mich doch wenigstens in Worten sagen, was ich meine, das ist immer noch anders, als so unfertige Gedanken!“

      Sie seufzte.

      Hartnäckig fuhr ich fort. „Hör zu, ich... ich liebe dich nämlich auch, verstehst du? Ich... ich ertrag das nicht, wenn du meinetwegen unglücklich wirst. Du gehörst hierher, zu Aeolin...“

      Ich stockte. Unbemerkt von uns war Aeolin an die Bank getreten und hörte schweigend unsere Unterredung an.

      Lyana seufzte noch einmal. „Ich glaube, du willst es nicht verstehen, Leif. Ich habe dir ein Versprechen gegeben!“

      Sie sah mich mit Tränen in den Augen an. „Du hast immer gesagt - jedenfalls gedacht hast du es - dass ich eine Elbin bin. Du weißt doch, was das Wort einer Kriegerin bei den Elben bedeutet!“

      „Ich...“ Ich musste schlucken, bevor ich weiterreden konnte. „Lyana, bei meiner Bruderliebe zu dir - ich entbinde dich von dem Wort, das du mir gegeben hast. Bleib hier. Bitte. Ich will, dass du glücklich bist!“

      „Meine Schwester hat recht,“ mischte Aeolin sich in das Gespräch ein. „Eine Kriegerin steht zu ihrem Wort.“

      Lyana antwortete nicht darauf. Ich sah, wie sie mit den Tränen kämpfte.

      Aeolin wandte sich an Lyana. „Wir werden mit deinem Blutsbruder gehen, bis er den schwarzen Fluch überwunden hat.“

      Mit offenem Mund starrte Lyana sie an. „Wir? - Du...“

      Aeolin nickte. „Ich habe Tamelund um Erlaubnis gebeten, den Clan zu verlassen und mit dir zu gehen. Er hat sie mir gegeben.“

      ***

      An diesem Abend wurden am Feuer viele Reden gehalten. Zwei oder drei Älteste kamen ans Feuer und hielten lange Ansprachen. Lyana übersetzte die Reden für uns. Es ging um unseren Aufbruch und die Mission, die Tamelund uns zugedacht hatte. Mehr als einmal wurden die Ereignisse erzählt, die sich zugetragen hatten, seit Tamelund unser Kommen vorausgesagt hatte. Lyanas Pumajagd nahm einen großen Raum in den Erzählungen ein. Häufig gipfelten sie in der Vergabe der elbischen Namen an Kat und mich. Viele der Krieger gaben uns ihren Segen für die bevorstehende Fahrt. Die Ältesten schlugen in ihren Reden den Bogen von der fernen Vergangenheit bis zur jetzigen Zeit und der Bedeutung der Ereignisse an der Küste für den Clan. Wieder und wieder zitierten sie Tamelunds Weissagung, gemäß der nur die Wiederentdeckung der Zwergensprüche in Kurmuk Dakar und der Einsatz der Gralsmagie den Untergang des gesamten Landes von der Küste bis weit in die Berge verhindern könne.

      Spät in der Nacht verließen Kat, Sven und ich das heruntergebrannte Siedlungsfeuer, um in unser Schlafquartier zu gehen. Wir konnten lange nicht einschlafen. In der warmen Kohlenglut lagen wir ohne Decke beieinander. Der rotglühende Schein des Kohlenhaufens glänzte auf unserer nackten Haut. Wir redeten lange über die bevorstehende Fahrt und unser mysteriöses Ziel Kurmuk Dakar.

      ***

      In der frühen Morgendämmerung standen wir auf.

      „Schade,“ gähnte Kat, während sie sich anzog. „An das Leben in der Elbensiedlung hätt' ich mich gewöhnen können.“

      Ich streifte meine von den Frauen der Siedlung gewaschene und geflickte Wolljacke über. „Wir haben ein Zelt, wir haben warme Decken und wir haben einen Packesel,“ meinte ich. „Und wir haben zwei Jägerinnen in der Gruppe, die uns mit Fleisch versorgen können. Solange wir Wild und Feuerholz finden, wird es eine ziemlich komfortable Reise durch die Gebirgstäler nach Greifenhorst. Und im Grenzfürstentum gibt es Wirtshäuser zum Einkehren. Geld haben wir jede Menge.“

      Die toten Berge jenseits des abgelegenen Grenzfürstentums mochte ich nicht erwähnen.

      Kat sah Sven und mich verliebt an. „Und ich hab meine zwei Jungs an meiner Seite!“

      „Na, dann ist ja alles prima,“ sagte Sven. „Wenn ich jetzt noch Herodin wiederhabe, fühl' ich mich auch komplett.“

      Als wir ans Siedlungsfeuer kamen, waren Lyana und Aeolin bereits beim Frühstück. Lyana sprang auf und lief uns entgegen.

      Sie fiel mir um den Hals und umarmte mich. „Leif, ich bin so glücklich!“

      Zusammen

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