Gorloin. Thomas Hoffmann
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Ich begriff es immer noch nicht. „Thweronund hat erzählt, jeder Sterbliche und jeder Elb, der nicht in die Heimat gehen will, bezahlt das Betreten des heiligen Tals mit den Tod.“
„Das erzählen sie,“ antwortete Aeolin. „Schon die kleinen Kinder erschrecken sie mit diesen Geschichten. Als ich meine Federn errungen hatte, wollte ich herausfinden, was an den Sagen vom heiligen See wahr ist, und was nicht. Also bin ich hinaufgegangen.“
Alle vier schwiegen wir betroffen. Ich musste daran denken, dass einer der Krieger über Aeolin gesagt hatte, sie höre es wohl, wenn andere über Furcht sprächen, aber das Wort sei nur leerer Schall in ihren Ohren.
Mit belegter Stimme fragte Lyana: „Hast du den Nachen gesehen im Nebel auf dem See?“
„Dort liegt ein Bergsee,“ sagte Aeolin mit ungerührter Stimme. „Aber über dem See stand kein Nebel, als ich dort war. Überall im flachen Wasser und auf dem steinigen Ufer lagen Knochen und schwarzgefaulte Lederreste. Viele Gebeine waren alt, ausgeblichen und blankgerieben zwischen den Kieseln. Ein paar Skelette lagen noch in den Resten ihrer Lederkleidung im flachen Uferwasser. Weiter oben am Strand hockte ein vertrockneter Leichnam, das weiße Haar um seinen Schädel wehte im Wind, ganz genau so, wie er sich hingehockt haben musste, als er kam, um auf den Nachen zu warten.“
Niemand antwortete etwas auf Aeolins Erzählung.
„Unser Pfad führt dort drüben den nördlichen Hang hinauf,“ erklärte Aeolin schließlich. „Zwischen den Gipfeln dahinter zieht sich ein weites Tal nach Nordosten. Diesem Tal müssen wir folgen.“
„Über den Hang in das Hochgebirgstal schaffen wir es heute noch,“ meinte Lyana.
Ihre Stimme klang spröde.
***
Für den Aufstieg über den verschneiten Hang holten Kat, Sven und ich die mit Eisenspitzen versehenen Wanderstöcke aus dem Gepäck, die wir auf Anraten des Turmverwalters aus Dwarfencast mitgenommen hatten. Lyana verwendete ihren Stock nicht. Die Elbenmädchen liefen leichtfüßig den Schneehang entlang, als bestünde überhaupt keine Gefahr, auf lockerem Geröll unter dem Schnee abzugleiten oder auf dem vereisten Schnee auszurutschen. Vielleicht täuschte ich mich, aber es kam mir vor, als wären die Abdrücke von Lyanas Stiefeln und Aeolins Mokassins im Schnee flacher, als die von Kat, Sven und mir. Auch Fedurin ging sicher am Hang, obwohl er alle paar Manneslängen stehenblieb und sich den Hang mit ausgiebiger Gewissenhaftigkeit betrachtete, bevor er bereit war, weiterzugehen. Kat mochte ziehen und zerren wie sie wollte, der Esel bestand auf seiner vorsichtigen, langsamen Gangart.
Im Zickzack stiegen wir hangaufwärts. Am späten Nachmittag erreichten wir die Hanghöhe und stiegen über ein sanft abfallendes Schneefeld hinunter in ein von gedrungenen Nadelgehölzen bestandenes Tal zwischen hoch aufragenden Bergriesen. Aeolin und Lyana gingen auf die Jagd. Kat, Sven und ich bauten das Zelt auf und suchten Feuerholz zusammen. Kat legte Fedurin eine Decke über und tränkte ihn am vereisten Bach in der Talmitte. Sie gab dem Esel Kastanien und Hafer, der noch aus Dwarfencast stammte.
In der Dämmerung kamen die Elbenmädchen mit zwei Hasen als Beute zurück und wir entfachten das Lagerfeuer. Sven hieb weiteres Feuerholz für die Nacht. Als die Hasen über dem Feuer gegrillt waren, holte Kat eine der beiden Weinflaschen aus dem Gepäck.
„Bei den Elben sind wir nicht recht dazu gekommen, aber ich finde, wir haben Grund zum Feiern.“
Als wir sie alle anblickten, meinte sie lachend: „Schließlich habt ihr zwei euch gefunden, nicht wahr, Lyana und Aeolin. Und ich hab meine beiden Jungs auch endlich rumgekriegt!“
Bei Wildbret und im Feuer gerösteten Süßkartoffeln war die Flasche Wein schneller geleert als wir gedacht hatten und wir holten die zweite Flasche auch noch aus dem Gepäck. Nach dem zweiten Becher Wein rückte Aeolin nah an Lyana heran und küsste sie ohne Zurückhaltung. Später holte Lyana ihre Flöte hervor. Sie spielte ihre sanften Melodien hinaus in die Nacht, die sich rings um unser Lagerfeuer breitete.
Spät in der Nacht begann Kat leise für sich ein Lied zu summen. Als sie merkte, dass wir ihr lauschten, richtete sie sich auf. Behutsam stimmte sie ihr Lied an und nach der ersten Strophe nahm Lyana die Melodie mit der Flöte auf. Klar und doch zerbrechlich, voller tief empfundener Freude und zugleich voller Schmerz über die Vergänglichkeit allen Lebens klang Katrinas Lied in die Winternacht.
„Wenn Liebe ein Sturm ist,
gib mir Flügel, Liebster;
aufschwingen möchte ich mich
über Länder und Meer,
der bitteren Erde entrinnen
im wilden Spiel des Winds.
Ist Liebe ein Meer,
sei mir ein Boot, Liebster,
das mich trägt durch Wellen und Sturm,
warmen Stränden entgegen;
lass mich nicht erfrieren
auf kahlem Fels.
Lass die Liebe nicht zum Dickicht werden,
uns zu verheddern, zu verfangen,
nicht zur Mauer in unserem Weg;
mach sie zum Faden, Liebster,
der uns herausführt
aus dem Labyrinth.
Als Sturmmöwen wollen wir fliegen, Liebster,
über karges Land unseren Träumen nach;
vielleicht, dass die Liebe uns
eine Strecke weit gemeinsam trägt -
eine Zeit lang –
ein Leben lang –
vielleicht - “
Wir saßen beieinander, bis die Glut erlosch und Nachtkälte durch unsere Kleidung kroch.
Aeolin und Lyana breiteten ihre Matten im Schnee aus und rollten sich unter dem hellen Sternenhimmel in ihre Decken. Kat, Sven und ich krochen im Zelt unter den Wolldecken zueinander.
„Abenteuerfahrten sind schön mit euch, Jungs,“ flüsterte Kat, bevor wir alle drei eng umschlungen in den Schlaf fielen.
***
Lyana und Aeolin empfingen uns am Morgen mit dampfendem Kaffee und am Feuer gerösteten Kastanien, als wir aus dem Zelt krochen. Wir trödelten beim Frühstück, hörten Aeolin zu, die unglaubliche Geschichten über Jagden auf Bären und Pumas zum Besten gab und ließen uns Zeit mit dem Abbauen des Lagerplatzes. Als wir aufbrachen, stand die Sonne längst