Gorloin. Thomas Hoffmann
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Ich ahnte, auf wen er anspielte. „Wieland?“
Sven nickte. Kat schwieg verbissen.
„Wir können ja so weit gehen, wie es gefahrlos möglich ist, und versuchen, herauszufinden, was da um Kurmuk Dakar herum überhaupt los ist,“ schlug ich vor. „Wenn sich keine Möglichkeit ergibt, an diese Zwergensprüche heranzukommen, kehren wir eben wieder um.“
Kat zog die Beine an den Leib und schlang die Arme um die Knie. Lange Zeit sagte niemand etwas. Ich mochte Lyana nicht ansehen. Sie hatte während der ganzen Unterredung kein Wort gesagt.
Endlich schimpfte Kat: „Ich muss lebensmüde sein, dorthin mit euch beiden mitzukommen. Aber wenn ihr nicht davon abzubringen seid, Jungs...“
Sven und ich wechselten einen Blick. Diesmal waren wir uns einig. Ich wusste, dass er wegen seines Eides gehen wollte. Und ich sah ihm an, dass ihm klar war, warum ich gehen wollte: wegen Ligeia.
Kat blickte von ihm zu mir. „Sturköpfige Dorfpiraten, die ihr seid!“
***
Vor der Langhütte fingen Kat und Sven sofort an, miteinander zu streiten. Laut debattierend gingen sie zum Siedlungsfeuer hinüber. Lyana und ich setzten uns auf die Bank. Ich musste ihre Gedanken nicht lesen können, um zu wissen, was ihr durch den Kopf ging.
„Wenn wir aus den toten Bergen zurück sind, komme ich dich und Aeolin hier besuchen,“ meinte ich.
Sie schaute mich wild an. „Ich gehe mit dir, Leif!“
Mir blieb der Mund offen stehen. „Lyana! Das ist nicht dein Ernst!“
„Leif!“ Es klang, als müsse sie sich die Tränen verbeißen. „Ich habe es dir versprochen. Ich stehe dir bei, bis du den schwarzen Fluch los bist.“
Ich spürte Empörung in mir aufsteigen. „Selbstverständlich bleibst du hier, Lyana! Es ist hier, wo dein Herz dich hingeführt hat! Du gehörst zu den Elben, zu Aeolin!“
„Ich werde später zurückkehren,“ sagte sie leise.
„Ich will nichts davon wissen!“ rief ich in heller Wut. „Du gehörst hierher! Mach dich nicht unglücklich!“
Sie sah mich verzweifelt an. Tränen standen in ihren Augen. „Ich gehe mit dir, Leif!“
Bevor ich ihr antworten konnte, sprang sie auf und lief vom Platz weg in die Siedlung.
„Sei nicht so bescheuert!“ schrie ich ihr nach. „Hör doch bloß mit dem Getue auf!“
Sie drehte sich um und rief zurück: „Ich halte mein Versprechen, das ich dir gegeben habe, Leif!“
Dann rannte sie zwischen den Langhütten davon.
***
Langsam ging ich zum Feuer hinüber. Kat und Sven hatten aufgehört, zu streiten. Sie standen mit einer Gruppe junger Krieger zusammen. Sven sprach zu den unbewegt lauschenden Elben. Er hatte die Rechte am Messergriff und untermalte seine Rede mit ausladenden Gesten der linken Hand in der perfekten Pose eines Elbenkriegers. Als Kat mich kommen sah, ließ sie Sven bei den Elben stehen und kam mir entgegen. Sie machte ein Gesicht, als hätte sie saure Weintrauben gegessen, und ich wäre schuld, dass die Trauben sauer waren. Aber dann zuckte doch ein Schmunzeln um ihre Lippen. Sie nahm mich an der Hand und wir setzten uns auf eine Bank am Feuer. Eine alte Frau brachte uns Schalen mit gekochten und gestampften Kastanien.
„Versprich mir, dass wir beim kleinsten Anzeichen einer Gefahr umkehren,“ sagte Kat, während wir heißes Kastanienmus löffelten. „Und versprich mir, dass du Sven davon überzeugen wirst, mitzukommen, wenn wir umkehren! Er will schon wieder den Helden spielen.“
Ich nickte. „Sobald wir feststellen, dass wir Gefahr laufen, in eine richtige Scheiße zu geraten, ziehen wir ab. So ein Ding wie in den Ruinen von Halbaru machen wir nicht nochmal. Die Geisterklippen haben wir ja auch nur durchgezogen, weil Ligeia dabei war.“
Zwischen den Langhütten tauchten Aeolin und Lyana auf. Sie hatten ihre Bögen dabei. Als sie uns erblickten, kamen die beiden ans Feuer und setzten sich zu uns. Lyana blickte mich nicht an und sagte kein Wort, aber sie rückte dicht an mich heran, bis unsere Schultern einander berührten.
Es ist gut, Lyana, ich bin dir ehrlich dankbar! Aber du solltest hier bleiben.
Kaum merklich schüttelte sie den Kopf.
Bevor wir ein Gespräch beginnen konnten, kam Thweronund um das Feuer herum zu uns. Sven stand noch immer bei den Elbenkriegern. Wir neigten ehrerbietig die Köpfe vor dem Ältesten. Er lächelte sein gefährlich anmutendes Lächeln, während er sich neben Kat setzte.
„Nun, Thwaendeyin, meine Tochter, wie hast du dich mit deinen Gefährten entschieden?“
Kat starrte ihn an. „Meinst du mich?“
Der Älteste nickte lächelnd.
„Wie - was ist das für ein Name?“
Thweronund blickte uns milde an. „Tamelund, unser Vater, hat heute morgen zu dir gesprochen wie zu einer von meinem Volk. Deshalb haben meine Brüder dir einen Namen gegeben, der zeigt, dass du Aufnahme im Clan der Munawhin gefunden hast. Nicht länger bist du uns eine fremde Kriegerin, Thwaendeyin.“
„Ich kann das nicht mal aussprechen, ohne einen Knoten in der Zunge zu kriegen,“ murmelte Kat.
Laut sagte sie zu dem Ältesten: „Dann müsste Leif auch einen Elbennamen bekommen haben! Zu ihm hat Tamelund auch gesprochen.“
„Das ist so,“ lächelte Thweronund. „Mein junger Bruder, dein Freund, ist Whoanneran.“
Kat verbiss sich ein Grinsen, während sie mich ansah.
„Ich bleib bei „Leif“,“ raunte sie mir zu.
Dann sagte sie: „Wir werden in die toten Berge gehen und sehen, was wir machen können. Aber ob es uns gelingt, das können wir nicht versprechen.“
„Landorlin und Vendona mögen euch ihren Segen geben,“ antwortete der weißhaarige Älteste.
Er blieb noch eine Weile neben uns sitzen, während wir unser Kastanienmus aßen. Dann stand er schweigend auf und ging davon.
Als wir aufgegessen hatten, ging Kat nach Fedurin sehen.
Ich wandte mich an Lyana. „Diese Elbennamen - was haben die zu bedeuten?“
„Wie der Älteste sagte,“ meinte sie. „Seit Tamelunds Schiedsspruch heute früh werden wir nicht mehr als Fremde angesehen. Durch den Namen wird bei den Herren des Waldes die Zugehörigkeit ausgedrückt, deshalb haben sie euch Namen in ihrer Sprache gegeben. Dein Name bedeutet: „Der dem Tod ins Auge blickt“.“
Ich dachte einen Moment darüber nach.
„Und der Name, den sie Kat gegeben haben?“
Lyana blickte verlegen zur Feuerstelle.