Franz Kafka – Das Schloss. Franz Kafka

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wenigstens von uns aus, von hier aus, ja selbst vom Amt aus nie festgestellt werden, welcher Beamte in diesem Fall entschieden hat und aus welchen Gründen. Erst die Kontrollämter stellen das viel später fest, wir aber erfahren es nicht mehr, es würde übrigens dann auch kaum jemanden noch interessieren. Nun sind, wie gesagt, gerade diese Entscheidungen meistens vortrefflich. Störend ist an ihnen nur, dass man, wie es gewöhnlich die Sache mit sich bringt, von diesen Entscheidungen zu spät erfährt und daher inzwischen über längst entschiedene Angelegenheit noch immer leidenschaftlich berät. Ich weiß nicht, ob in Ihrem Fall eine solche Entscheidung ergangen ist – manches spricht dafür, manches dagegen – wenn es aber geschehen wäre, so wäre die Berufung an Sie geschickt worden und Sie hätten die große Reise hierher gemacht, viel Zeit wäre dabei vergangen und inzwischen hätte noch immer Sordini hier in der gleichen Sache bis zur Erschöpfung gearbeitet, Brunswick intrigiert und ich wäre von beiden gequält worden. Diese Möglichkeit deute ich nur an, bestimmt aber weiß ich Folgendes: Ein Kontrollbeamter entdeckte inzwischen, dass aus der Abteilung A vor vielen Jahren an die Gemeinde eine Anfrage wegen eines Landvermessers ergangen sei, ohne dass bisher eine Antwort gekommen wäre. Man fragte neuerlich bei mir an, und nun war freilich die ganze Sache aufgeklärt, die Abteilung A begnügte sich mit meiner Antwort, dass kein Landvermesser nötig sei, und Sordini musste erkennen, dass er in diesem Falle nicht zuständig gewesen war und, freilich schuldlos, so viele unnütze nervenzerstörende Arbeit geleistet hatte. Wenn nicht neue Arbeit von allen Seiten sich herangedrängt hätte wie immer und wenn nicht Ihr Fall doch nur ein sehr kleiner Fall gewesen wäre – man kann fast sagen, der kleinste unter den kleinen – so hätten wir wohl alle aufgeatmet, ich glaube sogar Sordini selbst, nur Brunswick grollte, aber das war nur lächerlich. Und nun stellen Sie sich, Herr Landvermesser, meine Enttäuschung vor, als jetzt, nach glücklicher Beendigung der ganzen Angelegenheit – und auch seither ist schon wieder viel Zeit verflossen – plötzlich Sie auftreten und es den Anschein bekommt, als sollte die Sache wieder von vorn beginnen. Dass ich fest entschlossen bin, dies, soweit es an mir liegt, auf keinen Fall zuzulassen, das werden Sie wohl verstehen?“

      „Gewiss“, sagte K., „noch besser aber verstehe ich, dass hier ein entsetzlicher Missbrauch mit mir, vielleicht sogar mit den Gesetzen getrieben wird. Ich werde mich für meine Person dagegen zu wehren wissen.“

      „Wie wollen Sie das tun?“ fragte der Vorsteher.

      „Das kann ich nicht verraten“, sagte K.

      „Ich will mich nicht aufdrängen“, sagte der Vorsteher, „nur gebe ich Ihnen zu bedenken, dass Sie in mir – ich will nicht sagen einen Freund, denn wir sind ja völlig Fremde – aber gewissermaßen einen Geschäftsfreund haben. Nur dass Sie als Landvermesser aufgenommen werden, lasse ich nicht zu, sonst aber können Sie sich immer mit Vertrauen an mich wenden, freilich in den Grenzen meiner Macht, die nicht groß ist.“

      „Sie sprechen immer davon“, sagte K., „dass ich als Landvermesser aufgenommen werden soll, aber ich bin doch schon aufgenommen, hier ist Klamms Brief.“

      „Klamms Brief“, sagte der Vorsteher, „er ist wertvoll und ehrwürdig durch Klamms Unterschrift, die echt zu sein scheint, sonst aber – doch ich wage es nicht, mich allein dazu zu äußern. Mizzi!“ rief er und dann: „Aber was macht ihr denn?“

      Die so lange unbeachteten Gehilfen und Mizzi hatten offenbar den gesuchten Akt nicht gefunden, hatten dann alles wieder in den Schrank sperren wollen, aber es war ihnen wegen der ungeordneten Überfülle der Akten nicht gelungen. Da waren wohl die Gehilfen auf den Gedanken gekommen, den sie jetzt ausführten. Sie hatten den Schrank auf den Boden gelegt, alle Akten hineingestopft, hatten sich dann mit Mizzi auf die Schranktüre gesetzt und suchten jetzt so sie langsam niederzudrücken.

      „Der Akt ist also nicht gefunden“, sagte der Vorsteher, „schade, aber die Geschichte kennen Sie ja schon, eigentlich brauchen wir den Akt nicht mehr, übrigens wird er gewiss noch gefunden werden, er ist wahrscheinlich beim Lehrer, bei dem noch sehr viele Akten sind. Aber komm nun mit der Kerze her, Mizzi, und lies mit mir diesen Brief.“

      Mizzi kam und sah nun noch grauer und unscheinbarer aus, als sie auf dem Bettrand saß und sich an den starken lebenerfüllten Mann drückte, der sie umfasst hielt. Nur ihr kleines Gesicht fiel jetzt im Kerzenlicht auf, mit klaren strengen, nur durch den Verfall des Alters gemilderten Linien. Kaum hatte sie in den Brief geblickt, faltete sie leicht die Hände, „von Klamm“ sagte sie. Sie lasen dann gemeinsam den Brief, flüsterten ein wenig miteinander und schließlich während die Gehilfen gerade Hurra riefen, denn sie hatten endlich die Schranktüre zugedrückt und Mizzi sah still dankbar zu ihnen hin, sagte der Vorsteher:

      „Mizzi ist völlig meiner Meinung und nun kann ich es wohl auszusprechen wagen. Dieser Brief ist überhaupt keine amtliche Zuschrift, sondern ein Privatbrief. Das ist schon an der Überschrift: „Sehr geehrter Herr!“ deutlich erkennbar. Außerdem ist darin mit keinem Wort gesagt, dass Sie als Landvermesser aufgenommen sind, es ist vielmehr nur im Allgemeinen von herrschaftlichen Diensten die Rede und auch das ist nicht bindend ausgesprochen, sondern Sie sind nur aufgenommen, wie Sie wissen, d. h. die Beweislast dafür, dass Sie aufgenommen sind, ist Ihnen auferlegt. Endlich werden Sie in amtlicher Hinsicht ausschließlich an mich, den Vorsteher als Ihren nächsten Vorgesetzten, verwiesen, der Ihnen alles Nähere mitteilen soll, was ja zum größten Teil schon geschehen ist. Für einen, der amtliche Zuschriften zu lesen versteht und infolgedessen nichtamtliche Briefe noch besser liest, ist das alles überdeutlich. Dass Sie, ein Fremder, das nicht erkennen, wundert mich nicht. Im Ganzen bedeutet der Brief nichts anderes, als dass Klamm persönlich sich um Sie zu kümmern beabsichtigt, für den Fall, dass Sie in herrschaftliche Dienste aufgenommen werden.“

      „Sie deuten, Herr Vorsteher“, sagte K., „den Brief so gut, dass schließlich nichts anderes übrig bleibt als die Unterschrift auf einem leeren Blatt Papier. Merken Sie nicht, wie Sie damit Klamms Namen, den Sie zu achten vorgeben, herabwürdigen.“

      „Das ist ein Missverständnis“, sagte der Vorsteher. „Ich verkenne die Bedeutung des Briefes nicht, ich setze ihn durch meine Auslegung nicht herab, im Gegenteil. Ein Privatbrief Klamms hat natürlich viel mehr Bedeutung als eine amtliche Zuschrift, nur gerade die Bedeutung, die Sie ihm beilegen, hat er nicht.“

      „Kennen Sie Schwarzer?“ fragte K.

      „Nein“, sagte der Vorsteher, „du vielleicht, Mizzi? Auch nicht. Nein, wir kennen ihn nicht.“

      „Das ist merkwürdig“, sagte K., „er ist der Sohn eines Unterkastellans.“

      „Lieber Herr Landvermesser“, sagte der Vorsteher, „wie soll ich denn alle Söhne aller Unterkastellane kennen?“ „Gut“, sagte K., „dann müssen Sie mir also glauben, dass er es ist. Mit diesem Schwarzer hatte ich noch am Tage meiner Ankunft einen ärgerlichen Auftritt. Er erkundigte sich dann telefonisch bei einem Unterkastellan namens Fritz und bekam die Auskunft, dass ich als Landvermesser aufgenommen sei. Wie erklären Sie sich das, Herr Vorsteher?“

      „Sehr einfach“, sagte der Vorsteher, „Sie sind eben noch niemals wirklich mit unseren Behörden in Berührung gekommen. Alle diese Berührungen sind nur scheinbar, Sie aber halten sie infolge Ihrer Unkenntnis der Verhältnisse für wirklich. Und was das Telefon betrifft: Sehen Sie, bei mir, der ich doch wahrlich genug mit den Behörden zu tun habe, gibt es kein Telefon. In Wirtsstuben u. dgl. da mag es gute Dienste leisten, so etwa wie ein Musikautomat, mehr ist es auch nicht. Haben Sie schon einmal hier telefoniert, ja? Nun also, dann werden Sie mich vielleicht verstehen. Im Schloss funktioniert das Telefon offenbar ausgezeichnet, wie man mir erzählt hat, wird dort ununterbrochen telefoniert, was natürlich das Arbeiten sehr beschleunigt. Dieses ununterbrochene Telefonieren hören wir in den hiesigen Telefonen als Rauschen und Gesang, das haben Sie gewiss auch gehört. Nun ist aber dieses Rauschen und dieser Gesang das einzige Richtige und Vertrauenswerte, was uns die hiesigen Telefone übermitteln, alles andere ist trügerisch.

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