Uppers End. Birgit Henriette Lutherer
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Fridolin komplettiert die Triade. Er ist der Chronometer und Reiseleiter. Fridolin beendet den Aufenthalt des Seins auf der Erde, wenn die Lebenszeitspanne dort abgelaufen ist und weist jedem Rückreisenden den Weg nach Hause.
Der Weg nach Hause gleicht einem gewundenen Pfad, einem verzweigten Korridor durch das Nichts. Wer sicher dort ankommen möchte, kann den Weg nur mit seinem Reiseleiter Fridolin beschreiten. Wie auf einer viel befahrenen Fernstraße herrscht hier reger Verkehr. Auf der einen Seite sind Heimkehrer unterwegs, auf der anderen Seite des Wegs reisen Seins-Anteile zur Erde. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen.
Fridolin steht jedem am Startpunkt zur Erde zur Seite. Er heftet sich an den Lebensfunken des Seins, der mit Quod, dem Lebenselixier für den Menschen, angereichert ist. Diese Grundversorgung an Quod ist quasi die Wegzehrung bis zur Ankunft. Am Zielpunkt angekommen, koppelt sich der Seins-Anteil an eine Eizelle an und nistet sich in seinem Wirt, der ab diesem Zeitpunkt Mutter genannt wird, ein. In einer Höhle im Bauch seiner Mutter wächst und reift er dann dank Zellteilung heran, während er über einen Versorgungskanal, der aus einer flauschigen Schicht am Rand der Höhle entspringt, mit Quod und Nährstoffen versorgt wird. So geschützt, gut aufgehoben und mit allem versorgt, reift der Seins-Anteil zum Menschen heran. Das geschieht jedoch nur, wenn das Mutter-Sein empfangsbereit ist und auf einen impulsgebenden Seins-Anteil, der ab Entstehung des Menschen Vater genannt wird, trifft.
Upper, Tomasin und Fridolin sind Chef in Personalunion. Sie zusammen bilden die Triade. Upper und Tomasin obliegt eine weitere wichtige Aufgabe: Jeder von ihnen gibt dem Forscher-Sein bei Reiseantritt drei Attribute mit auf den Weg, die unter anderem das Sein als Mensch definieren sollen. Upper gibt einen Archetyp ein, der drei gute, starke Eigenschaften beinhaltet. Tomasin gibt einen Schatten ein, der mit drei schwächenden Anteilen den Gegenpol dazu bildet. Auch die Existenz von Archetyp und Schatten wird bei der Ankunft auf der Erde vom Menschen-Sein vergessen. Es ist sich ihrer nicht mehr bewusst. Wenn der Mensch ankommt, hat er also jede Erinnerung an sein wahres Zuhause verloren.
Kehrt das Menschen-Sein wieder an den Ort der Zeit ohne Zeit zurück, wird es zunächst von Fridolin an die Randzone begleitet. Dort angekommen entlässt er es in der Regel aus seiner sicheren Obhut in Uppers Refugium. Jeder Heimkehrende wird von den vorausgegangenen, heimgekehrten Lebenskontakten empfangen. Meist kommen sie ihm freundlich entgegen und holen ihn zu sich in ihre Mitte, um dann mit ihm gemeinsam in den Seins Pool zu steigen. In einigen Fällen läuft die Rückkehr anders ab. Das ist dann der Fall, wenn ein Forscher Sein heimkehrt, dass ein Leben unter besonders schwierigen Beziehungsumständen hat erdulden müssen. Die Vorausgegangenen müssen in diesem Fall solange auf das Sein warten, bis es zurückgekehrt ist. Erst dann dürfen sie weiter ins Zentrum der Zeit ohne Zeit aufrücken oder, wenn Upper es erlaubt, in seine Mitte gehen, um dort im großen Pool des Seins mit allen anderen zu verschmelzen.
Linda ist einer dieser Sonderfälle. Bei ihrer Rückkehr von der Erde gibt es niemanden, der sie freundlich empfängt. Die auf der Erde beteiligten Personen hatten sich am Rand des Ortes der Zeit ohne Zeit versammelt und erwarteten Linda, weil sie von Upper herbeizitiert wurden. Jeder von ihnen erwartete Linda mit mulmigen Unbehagen. Lieber wäre es ihnen gewesen, wenn sie nie mehr auf Linda hätten treffen müssen. Jeder einzelne von ihnen war schuldbeladen und wollte sich vor der Begegnung mit ihr drücken. Doch Upper beharrte auf dieses Treffen. Da kannte er kein Pardon. Schließlich musste Linda, wie jeder andere Heimkehrende auch, Bericht erstatten. Dazu mussten aber die auf der Erde Beteiligten zwingend anwesend sein, denn nur so konnte Upper sich ein allparteiliches Bild von den Geschehnissen auf der Erde machen.
Fridolin begleitete Linda in die illustre Runde. Auch er war gespannt auf Lindas umfassenden Bericht und Uppers Resümee.
Fridolin war Linda ein guter Freund und Ratgeber geworden. Und so war sie froh, ihn an ihrer Seite zu wissen. Er würde ihr, falls nötig, helfen. Er hätte die Befugnis, natürlich im Einvernehmen mit Upper, jemanden vom Rand des Ortes der Zeit ohne Zeit in das Nichts zu stoßen – in die ewige Verdammnis – um sich dort im Nichts aufzulösen.
Lindas Geschichte beginnt mit ihrer Ankunft am Entree des Ortes der Zeit ohne Zeit. Upper, Tomasin und maßgeblich beteiligte Personen sind anwesend, als sie eintrifft.
Linda kehrt heim
„Sagt mal, spinnt Ihr?! Tickt Ihr noch ganz sauber?! Habt Ihr noch alle
Tassen im Schrank?! Was sollte das?! Hmm?! Was sollte dieses verkackte Leben?!“
„Jetzt reg dich mal nicht so auf, Linda! Schließlich hast du dir dieses Leben selber ausgesucht!“ Upper, der oberste Boss allen Seins versuchte Linda zur Raison zu bringen. „Wenn ich dich daran erinnern darf, meine Liebe: Du warst es doch, die nicht mehr wollte. Du warst die, die gesagt hat, jetzt sei Schluss mit dem Kram – ein für alle mal. Du wolltest gehen. Nach achtundachtzig Jahren hattest du genug vom Leben auf der Erde.“
„Ja, das stimmt,“ gab Linda zu „ich konnte nicht weiter mitansehen, wie immer wieder das gleiche in meiner Familie geschieht – dieses Unrecht, diese Qual – das musste ein Ende haben, jawohl. Aber dass ihr mich dort derart habt hängen lassen – was sollte das? Wer hat sich das ausgedacht?“
Verschämt schauten alle Anwesenden auf den Boden.
„Na sagt schon, wem habe ich diesen Schlamassel zu verdanken?“
Linda blickte in die Runde. Da stand Hannah, die auf der Erde ihre Mutter gewesen war und Erhard, ihr sogenannter Vater, stand gleich neben ihr. „Na, ihr zwei, wie wär´s mit euch – könnt ihr mir die Frage beantworten? Habe ich euch dieses miese Leben über Jahrzehnte hinweg zu verdanken?“ Mit gesenkten Köpfen verharrten ihre damaligen Eltern in einer Art Schockposition. Hannah malte verlegen mit ihrem Fuß Kreise in den staubigen Boden. Linda konnte beobachten, wie Erhard Hannah verstohlen anschaute. Er schien darauf zu warten, dass Hannah etwas sagte. Und tatsächlich, genau wie zu Erdenzeiten, lohnte sich das Warten für ihn. Hannah begann verlegen: „Also Linda, weißt du, wir haben das nicht gewollt. Wir wussten ja auch nichts davon. Wir konnten nicht sehen was werden sollte. Du musst uns glauben, Linda, wir wollten immer nur, dass es dir gut geht.“
„Aha, meine Liebe, das ist ja schön zu hören, aber irgendwie kann ich es nicht so recht glauben. Na ja, lass mal gut sein. Vielleicht kann mir Heinrich oder Martha ja meine Frage beantworten?“ Linda blickte Heinrich und Martha mit strengem, auffordernden Blick an. Im Gegensatz zu Hannah und Erhard blickten sie Linda unverhohlen in die Augen. Linda lief ein kalter Schauer über den Rücken. Sie kannte dieses Gefühl nur zu gut. Schon während ihrer Zeit auf der Erde wurde sie von diesem kalten Schauer geschüttelt, wenn sie ihren Großeltern begegnete. Heinrich und Martha waren dort drüben Erhards Eltern gewesen, also Lindas Opa und Oma. „Nun, meine lieben Großeltern“, begann Linda mit forderndem Unterton, „mit euch habe ich später sowieso noch zu reden – aber könnt ihr mir vielleicht meine Frage beantworten? Was sollte dieser ganze Mist in meinem Leben? Warum habt ihr mir all diese Dinge angetan?!“
„Jetzt stell dich mal nicht so an! Tu mal nicht so, als wären wir an allem schuld. Du hast ja auch brav mitgemacht. Und außerdem: So schlimm war das ja nun auch nicht. Aber, um deine Frage zu beantworten: Nein, wir waren das nicht. Du verdächtigst die Falschen!“, entgegnete Heinrich Unschuld heuchelnd.
„Das soll ich euch glauben?!“
„Ja, glaub es nur. Und das eine will ich dir mal sagen“, zeterte Martha, „was du da mit meinem Heinrich gemacht hast …“ Martha verstummte plötzlich. Sie wollte vor den Anwesenden keine vertraulichen Details preisgeben.
„Was soll ich gemacht