Uppers End. Birgit Henriette Lutherer

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Uppers End - Birgit Henriette Lutherer

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Menschen auf der Erde sagen oft so treffend: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Wo demgemäß ein Archetyp ist, ist auch ein Schattenanteil?“, fragte Hannah nach.

      „So ist es“, bestätigte Upper.

      „Wieso gibt es dann aber auf der Erde Menschen, die nur ihren Archetyp leben und verehrt werden?“

      „Ja, das ist eine gute Frage. Du hast recht, Hannah, die gibt es. Da gab es zum Beispiel Mutter Theresa, die ihr eigenes Leben ganz beiseite stellte und sich aufopfernd um die Kranken und Armen kümmerte. Oder Buddha zum Beispiel, er setzte sich einige Zeit unter einen Baum und war von da an nur noch gut. Die Menschen nannten ihn den Erleuchteten. Es gibt noch eine ganze Reihe Menschen mehr, die ich nennen könnte. Eins ist allen gemeinsam: Sie reisten mit Archetyp und Schatten zur Erde. Nach einiger Erfahrungszeit auf der Erde, erkannten sie ihren Schatten und legten ihn ab. Ihre Mitmenschen wiederum erkannten dies und bewunderten sie dafür. Alle waren zunächst von ihresgleichen. Wenn du so willst, konnten alle Menschen einen Abgleich zu sich selber machen. Wären Mutter Theresa oder Buddha allerdings gleich ohne ihren Schatten angereist, wären sie mit Sicherheit in ihren Augen nichts als Sonderlinge gewesen.“

      „Gehörte ich zu den sogenannten Sonderlingen“, wollte Linda wissen?

      „Ja, in gewisser Weise schon. Zumindest so lange, bis Kanep dir deinen Schattenanteil überbracht hatte.“

      „Welchen Archetyp hast du mir damals mitgegeben?“

      „Du willst es aber genau wissen, Linda.“

      „Ich glaube, es ist mein verdammtes Recht, die ganze Wahrheit zu erfahren, Upper. Weißt du, ich fühlte mich so manches Mal regelrecht verarscht von euch.“

      „Linda! Wie sprichst du mit uns?!“ Tomasin war entsetzt über Lindas Respektlosigkeit.

      „So, wie ich es schon lange tun wollte, Tomasin! Verflixt noch eins, denkt ihr, ihr könnt alles machen? Denkt ihr, ihr dürft euch alles herausnehmen?“

      „Ja, das können wir!“ Upper dröhnte mit lauter Stimme dazwischen, dass der Boden wieder bebte. Langsam verlor er die Geduld. Er fühlte sich mehr und mehr durch Linda Fragerei in die Enge getrieben.

      „Beruhigt euch alle mal wieder“, versuchte Fridolin zu beschwichtigen „Bedenkt, Linda hat immer noch viel Quod in sich. Außerdem hat die überdurchschnittlich große Menge an Quod bei ihr bewirkt, dass sie die Erinnerung an Zuhause nie ganz verloren hatte und später zum Großteil sogar wiedererlangte. Ich, für mein Teil, kann verstehen, dass Linda so reagiert. Wenn ich so versuche mich in sie hineinzuversetzen, dann glaube ich, würde ich genauso reagieren wie Linda. Mich wundert es nicht, dass sie wütend ist und Rechenschaft von uns fordert.“

      „Hm“, Upper dachte nach. „Wahrscheinlich hast du Recht, Fridolin. Wir wollen Mal nicht so sein. Nun gut! Du hast mich nach deinem Archetyp gefragt. Linda, ich sag´s dir: Dein Archetyp besteht, wie bei jedem reisenden Sein, aus drei verschiedenen positiven Aspekten. Zum einen beinhaltet deiner „Die gute Fee“. Du solltest gütig und mildtätig sein. Du solltest Wünsche erfüllen. Du hattest die Gabe, Träume zu erfüllen und Ersehntes zu verwirklichen. Du konntest geheime Bedürfnisse erkennen und befriedigen. Anderen eine Freude zu machen oder sie zu überraschen, bereitete dir selber die größte Freude. Du warst intuitiv und feinfühlig. Deshalb fiel es dir leicht, Menschen glücklich zu machen. Durch dich floss etwas vom Ort der Zeit ohne Zeit in die Welt. Du warst eine wunderbare Gefährtin und hast Menschen in ihren schwersten Zeiten geholfen. Ich finde es überaus bedauerlich, dass deine wunderbaren Aspekte so schändlich missbraucht wurden.“ Upper schaute beim Schlusssatz Heinrich und Martha grimmig an. „Dann beinhaltete dein Archetyp weiterhin noch den Aspekt des Kraftstrotzenden. Du solltest viel innere Stärke besitzen. Nichts sollte dich aufhalten können. Nur der Tod wäre dazu fähig gewesen.“

      „Also ich, hihi“, kicherte Fridolin verschmitzt.

      „Du hattest die Kraft, dich selbst aus hoffnungslosen Situationen zu befreien. Selbst, wenn du geschwächt warst, gelang dir das. Deine unerschöpfliche Kraft machte es dir auch leicht, auf jeden freundlich zuzugehen und denjenigen so zu akzeptieren wie er war. So konntest du Großes vollbringen. Leider wurde das nie von jemandem in deiner Familie gewürdigt. Im Gegenteil, auch diese starke Eigenschaft von dir wurde missbraucht und du wurdest hintergangen. Du wurdest in deinen ureigenen Fähigkeiten, in deiner enormen Kraft gebremst.“ Diesmal blickte Upper Hannah streng an.

      „Ich wollte doch nur das Beste für Linda. Ihre Stärke und ihre Fähigkeiten machten mir Angst“, versuchte Hannah sich zu verteidigen.

      „Im Hinblick auf die Menge Quod, die du von uns bekommen hast, Linda, wundert mich jetzt nicht mehr, dass du stärker warst als ursprünglich geplant. Na ja, es hat dir ja nicht geschadet – ganz im Gegenteil, es hat dich gerettet.“

      „Danke Upper! Das war ein großes Geschenk für mich.“

      „Der dritte Aspekt deines Archetyps ist der der hilfsbereiten Gönnerin. Du warst zuverlässig und wusstest, anderen und dir immer zu helfen. Du hattest immer eine Idee, das zu besorgen, was gerade benötigt wird. Wie ein Jäger oder Sammler wusstest du genau, was zu tun war, um versorgt zu sein.“

      „Das stimmt, Upper. Ich wusste mir immer zu helfen, um aus dem Mangel herauszukommen. Außerdem, erinnere ich mich, hatte ich auch immer – selbst bei dem Quatsch, den ihr verzapft habt – das Vertrauen, dass ihr mich versorgen würdet, wenn es ganz hart kommt.“

      „Das höre ich gerne, Linda. Habe ich also doch nicht alles verbockt.“

      „Das habe ich auch gar nicht behauptet Upper. Vielmehr waren das die, da drüben.“ Linda zeigte abfällig auf ihre vier Welt-Gefährten die schon heimgekehrt waren.

      „Linda, nicht nur dich wusstest du zu versorgen“, fügte Upper hinzu, „sondern auch andere Menschen. Das hat dir meistens sogar noch mehr Freude bereitet. Wenn du teilen konntest, warst du glücklich. Leider wurde dir auch das verübelt.“

      „Nochmals danke dafür, Upper. Ich fühle mich reich beschenkt von dir.“

      „Das habe ich gerne gemacht, Linda. Du weißt, du bist mir sehr nahe.“

      „Und du sagst, all diese tollen Dinge wurden mir als schlecht vorgeworfen, weil ich in den ersten zwanzig Jahren meines Seins auf der Erde meinen Schatten nicht dabei hatte? Upper, habe ich dich da richtig verstanden?“

      „Ja, genau. Du hattest so viel Gutes und Schönes in dir, das konnten deine Mitmenschen, die dir nahe waren nicht aushalten. Deshalb versuchten sie, wie gesagt, den schlechten Gegenpol in dir zu finden, was ihnen ja, aus bekannten Gründen nicht gelingen konnte. Zum Glück hatten dich einige, wenige meiner Notfall-Seins gefunden und dir immer mal wieder geholfen. Ich befürchte, du hättest sonst deine Reise vorzeitig abgebrochen.“

      „Was sind denn nun schon wieder Notfall-Seins?“ Max schaute fragend zu Upper.

      „Nun ja, das sind Seins-Anteile vom Ort der Zeit ohne Zeit, die ich zur Erde geschickt habe, falls einer meine Forscher Hilfe benötigt. Die Menschen nennen sie manchmal Engel oder Erdenengel oder himmlische Helfer.“

      „Jetzt wird mir so manches klar! Ich erinnere mich: Hin und wieder gab es jemanden, der mir, aus mir unerklärlichen Gründen, etwas gegeben hat oder für mich getan hat. Ab und zu war es auch nur ein Blick, der mich von einem Fremden traf, wenn ich mich erschöpft fühlte und danach fühlte ich mich wieder besser. Jetzt wundert mich das nicht mehr. Herzlichen Dank dafür!“

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