Jung & Alt. Ludwig Hasler
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Ludwig
Vater, Mutter, Kind: Könnt ihr Alten euch nichts anderes vorstellen?
#6 Lieber Ludwig
Was freue ich mich, dass du Partnerschaft und Ehe anschneidest. Ich finde es sehr interessant, wie sich diese Themen in den letzten zwei Generationen entwickelt haben.
Früher war das ja ganz einfach. Ein Mann und eine Frau haben geheiratet, Kinder gekriegt, fertig. Irgendwie auch einleuchtend. Sozialer Druck und Kirche waren stark, Verhütung schwierig. Und es gab auch einfach keine schlauen Optionen. Vor allem für die Frauen.
Berufstätig sein und eigenes Geld verdienen war zwar möglich, aber schwierig. Für viele Frauen aus deiner Generation war es eine Realität, dass für sie keine Ausbildung vorgesehen war.
Und da sind wir auch schon bei der Studie, die du erwähnt hast. Dass junge Frauen alte reiche Männer mögen und umgekehrt. Diese Studie ist mir auch begegnet, und ich habe mich sehr darüber geärgert. Weil die Ergebnisse verkürzt dargestellt werden und weil wieder einmal mehr die Evolutionstheorie genötigt wird, um sexistische Strukturen zu verargumentieren. Dabei ist die Evolution hier das völlig falsche Gerät.
Vielmehr müsste man die Ergebnisse der Studie in Kontext setzen. Eine wichtige Information in diesem Zusammenhang wäre etwa, dass es weltweit einfach viel mehr reiche Männer als Frauen gibt. Männer sind durchschnittlich sogar doppelt so reich wie Frauen, das belegen unzählige Studien. Nicht nur haben die Männer mehr Geld, sondern auch mehr Macht. Von 193 Staaten sind nur bei gerade mal 15 Frauen an der Spitze. Weiter werden Frauen von klein auf nach Äußerlichkeiten beurteilt, erotisches Kapital wird ihnen als Ressource zugeschrieben. Die junge schöne Frau als Statussymbol.
Frauen haben nicht die gleichen Möglichkeiten wie Männer, werden schon ganz anders sozialisiert. Und hier liegt doch der Hase im Pfeffer! Vor diesem Hintergrund müssten wir solche Studien anschauen. Aber das wäre halt auch ungemütlich. Denn es hieße, dass wir anerkennen, dass wir in einer strukturell ungleichen Gesellschaft leben. Und es hieße auch, dass vor allem die Männer über ihre Privilegien nachdenken und sich ihrer bewusst werden müssten.
Hm, lieber nicht. Lieber mal wieder mit der Evolutionstheorie anschwirren. Mammut, Höhle, Beeren, war halt schon immer so, kann man nichts machen.
So, fertig Studienpamphlet. Zum Schluss will ich dir noch in zwei Punkten recht geben. Erstens stimme ich völlig zu, dass wir Jungen in Beziehungsformen freier sind, als ihr es wart. Und darüber bin ich sehr froh.
Und mit noch was hast du völlig recht: Ob ein Prinz in Aussicht ist, das ist tatsächlich eine unverschämte Frage. Darum gebe ich sie zurück und frage: Wieso Prinz? Wieso nicht Prinzessin? Ist die Kernfamilie aus Vater, Mutter, Kind das Einzige, was ihr Alten euch vorstellen könnt? Hättest du diese Frage auch einem Mann gestellt?
Samantha
Sind denn nicht wir Alten die Eheveredler?
#7 Liebe Samantha
Meine Frage, ob bei dir ein Prinz in Sicht sei, kommt bei dir mäßig lustig an. Sie war ironisch gestellt, dennoch hast du recht, sie verrät auch, wie der Absender tickt. Wieso nicht Prinzessin?, gibst du zurück und hältst mich in Sachen Ehe und Partnerschaft wohl für vernagelt, fixiert auf Hetero. Jedenfalls schiebst du die Frage nach, ob die Kernfamilie aus Vater, Mutter, Kind das Einzige sei, was wir Alten uns vorstellen können.
Also vorstellen konnten wir uns immer allerlei. Schon meine Mutter stellte sich ihr Leben ganz anders vor. Sie träumte vom eigenen Schneider-Atelier. Stattdessen kriegte sie sechs Kinder, einen Haushalt ohne Heizung, Waschmaschine, Warmwasser. Eine Ausbildung hatten ihre Eltern verwehrt. Was blieb? Mann und Kinder. Anders war real nicht zu existieren, es kam mit der Zeit sogar recht gut heraus – wenngleich komplett gegen ihre Vorstellung.
So ging es vielen auch meiner Generation. Das Leben war kein Wunschkonzert. Selbstverwirklichung stand weit unten im Programm, wir hatten genug zu tun, im Leben Fuß zu fassen, ökonomisch zu bestehen. Institutionen wie die Ehe dienten als Stützen, sie schützten vor unstetem Wandel, Ruin, Elend. Scheidungen leisteten sich vielleicht Reiche. Alleinerziehen lag ökonomisch nicht drin. Die Kirche gab den Segen, Regie führte die Ökonomie.
Und doch – was haben wir seither die Ehe entschlackt! Eigentlich müssten alle, denen die traditionelle Kernfamilie Erstickungsgefühle auslöst, uns Alten um den Hals fallen. Wir zogen ihr die Zwangsjacken aus, lösten sie aus ihrer existenziellen Notwendigkeit, entkoppelten sie nach und nach von sozialen und moralischen Konventionen. Ehe und Kirche – vorbei. Ehe und Mitgift – war einmal. Ehe und Männervorrechte – Schluss jetzt. Ehe und Kinder – nach Wunsch. Ehe und lebenslange Monogamie – überholt. Ehe und Sex – fakultativ. Gerade fällt die letzte Verbindung: Ehe und heterogene Geschlechter.
Auch wenn die »Ehe für alle« kaum unser dringendstes Anliegen ist: Die historische Rolle als Eheveredler gehört uns. Nach und nach entkalkten wir sie, bis heute bleibt, was die meisten erstreben: das Glück einer dauerhaften Beziehung – frei von konventionellen Anpassungshürden. Wie lebt ihr Jungen mit der Freiheit? Macht sie auch Druck? Ich lese: »Bindungskrise«. Erzeugt Freiheit Erwartungsdruck? Ein 28-Jähriger erzählt, er habe ungezählte Beziehungen hinter sich, dito Trennungen, jedesmal ein Schlag fürs Ego, verletztes Selbstwertgefühl, Beziehungsüberdruss. Hatte ich es am Ende leichter? Beziehungen waren für mich mehr Schicksal als Absicht und Plan. Mit dem Schicksal muss man zusammenarbeiten, klar, aber man braucht auch etwas Glück.
Wie es im wirklichen Leben läuft, das wirst du mir sagen.
Ludwig
Warum backen alte Männer keine Kuchen?
#8 Lieber Ludwig
Du sagst, die Rolle der Eheveredler gehört deiner Generation. Da stimme ich zu. Gleichzeitig muss ich aber auch widersprechen.
Die Eheveredelung, wie du es nennst, ist den Frauen deiner Generation zuzuschreiben. Denn die Männer hatten gar keinen Anreiz, etwas zu ändern.
Als Mann muss es sogar ziemlich cool gewesen sein, in einer klassischen Kernfamilie zu leben. Man war per Gesetz das Oberhaupt der Familie und konnte mehr oder weniger tun, was einem passte.
Die Frauen durften nicht so viel. Nur schon das mit dem Wählen und Stimmen war ja ein fürchterlicher Krampf. Appenzell Innerhoden musste gar vom Bundesgericht zum Frauenstimmrecht gezwungen werden. Letzte Woche hat sich das gejährt, es sind seither erst dreißig Jahre vergangen. Jesses.
Zurück zu den Frauen deiner Generation. Sie waren streitlustig und hartnäckig, haben damit viel erreicht. Dennoch scheint sich etwas über all die Jahre nicht geändert zu haben. In der Vorweihnachtszeit wird das besonders deutlich. Backen ist offenbar noch immer Frauensache. Warum eigentlich? Ich habe mich schon mit einigen älteren Männern darüber unterhalten. Viele von ihnen haben tatsächlich in ihrem ganzen Leben noch nie einen Kuchen gebacken.
Ich für meinen Teil bin im Moment sehr damit beschäftigt, Guetzlizutaten zu besorgen.